Kreativ, energiegeladen, unkonventionell: Für die Amerikanerin Lindsey Tramuta ist Paris nicht nur eine Stadt, sondern ein Lebensgefühl. Hier zeigt uns die Wahlpariserin all die Ecken, die ihr ans Herz gewachsen sind.
7 Insider-Tipps für Paris von Lindsey Tramuta:
1. Café-Tipp: Boot Café
In einem ehemaligen Schusterladen, in einer kleinen Seitenstraße im Marais, liegt das winzigste, aber kuscheligste Café von Paris liegt: das Boot Café in der Rue du pont aux choux 16.
2. Restaurant- und Shopping-Tipp: "La Cave à Michel"
Tagsüber Weingeschäft, abends Restaurant. Im "La Cave à Michel" trifft sich die Nachbarschaft, um angesagten Naturwein zu kosten und sich von Romain Tischenko bekochen zu lassen.
3. Shopping-Tipp: Sézane
Das sehr pariserische Modelabel Sézane verkauft online und in der Rue Saint Fiacre 1.
4. Lese-Tipp: "L'Instand Parisien Magazine"
Journalistin Laurence Guilloud (in der Mitte) und Fotograf Fabrice le Dantec kommen ursprünglich aus Lyon und haben sich in die vielen Facetten von Paris verliebt. Ihr Stadtmagazin "L’Instant Parisien Magazine" ist weltweit per Web erhältlich.
5. Kultur-Tipp: Slow Galerie
Kunst in einer ehemaligen Apotheke: Die Slow Galerie im 11. Arrondissement zeigt Arbeiten von jungen europäischen Künstlern und Grafikdesignern (5, Rue Jean-Pierre Timbaud).
6. Café-Tipp: "Honor Café"
Der erste Outdoor-Coffeeshop von Paris: Beim "Honor Café" gibt's außergewöhnlich gute Kaffeespezialitäten aus der ganzen Welt.
7. Restaurant-Tipp: "The Beast"
In freundlicher Atmosphäre serviert "The Beast"-Chef Thomas Abramowicz in diesem Pariser Restaurant texanische Gerichte. Er selbst ist gar kein Taxaner übrigens - er lernte die Kunst des Barbecue vom texanischen Mitbewohner.
"Eine Bewegung der kreativen Menschen": Autorin Lindsey Tramuta über ihre Wahlheimat Paris
Wie oft ich sonntagmorgens beim Bäcker vor verschlossener Tür stand, weiß ich nicht mehr. Anfangs hat es mich sehr frustriert. Ich war die gemütliche Mentalität der Franzosen nicht gewohnt. Aber genau in solchen Momenten habe ich Paris lieben gelernt. Mit all seinen Ecken und Kanten. Weil es genauso schmutzig ist wie elegant, verrückt wie unerträglich, aber auch ein Ort, an dem ich mich zu Hause fühle. Städte wie New York erfinden sich gefühlt jede Sekunde neu. Dagegen wirkt Paris oberflächlich betrachtet wie eingeschlafen, eingehüllt in seine unerschütterliche Aura der Romantik.
Doch Paris verändert sich sehr wohl – in seinem eigenen Tempo. Wenn ich an einem sonnigen Nachmittag durch die Straßen in meiner Nachbarschaft gehe, entdecke ich immer etwas Neues. Besonders kulinarisch hat die Stadt gerade enorm viel Neues zu bieten.
Noch vor einigen Jahren hatte man hier genau zwei Optionen: Ein Menü der gehobenen französischen Küche für mehr als 50 Euro pro Person bestellen oder günstiges TK-Fast-Food essen. Das ist jetzt ganz anders. Trotz des großen internationalen Angebots wird die regionale Küche aber nicht verdrängt. Bei "The Beast" gibt's zum Beispiel französischen Wein zum amerikanischen Steak, "Miznon" hat neben israelischen Pitas und Sandwiches auch immer Tagesangebote, die von traditionellen französischen Gerichten inspiriert sind.
Eine Stadt, in der die Menschen genau so facettenreich sind wie sie selbst
Paris sehe ich nicht nur als Stadt. Es ist vielmehr eine Bewegung mit kreativen Menschen, die Krisen und Herausforderungen nutzen, um sich an diesem Ort selbst zu verwirklichen. Ihre Ideen machen die Straßen bunter, die Atmosphäre weltoffener. Für Zugereiste ist diese neue kreative Energie sogar noch spürbarer, wie Laurence Guilloud und Fabrice le Dantec, zwei Journalisten aus Lyon, in ihrem "L'Instant Parisien Magazine" zeigen. "Wir versuchen in unserer Zeitschrift immer wieder über unerwartete Erfolgsgeschichten zu berichten. Weil Paris keine Seifenoper ist, deren künftige Folgen bereits zu erahnen sind", sagen sie. Da gibt es zum Beispiel Romain Tischenko, der im "La Cave à Michel" tagsüber einen Weinhandel betreibt und nachts Tapas serviert. In seiner Bar gibt es nur Stehplätze, "eigentlich ein Nachteil, aber es hat sich herausgestellt, dass meine Gäste so viel schneller miteinander ins Gespräch kommen." Sein Laden ist so zum inoffiziellen Treffpunkt der Nachbarschaft geworden, an dem man auch noch etwas über guten Wein lernt.
Oder die Designerin Morgane Sézalory. Sie hat es geschafft, mit Sézane ein weltweites Modelabel aufzubauen. Sie startete mit einem Onlineshop, dann eröffnete sie einen kleinen Showroom in einer Seitengasse. Mittlerweile betreibt sie sogar Boutiquen in amerikanischen Metropolen, weil es ihr gelungen ist, Pariser Lebensstil in tragbare Kleidung zu verwandeln. Noch eine Entdeckung, die ich in meinem Viertel gemacht habe: Hédène. Ich würde es als eine Mischung aus Honig und Marmelade beschreiben – definitiv ein Produkt, das in meiner Küche nicht mehr fehlen darf und super auf Toast, im Tee oder zu Käse schmeckt. Die Erfinder Cyril Marx und Alexis Ratouis lernten sich beim Studium kennen.
"Da haben wir herausgefunden, dass wir beide aus Imkerfamilien kommen und Honig lieben. Mit Hédène haben wir einen Weg gefunden, die Tradition fortzuführen, aber trotzdem unser eigenes Ding zu machen." Das ist es, was ich an Paris so liebe: Traditionelles und Neues halten sich gegenseitig in Balance. Ja, es gibt hier unzählige alte Museen, Parks und Denkmäler, aber eben auch Raum für den modernen, urbanen Lebensstil. Bestes Beispiel: das "Atelier Couronnes". Die Hausfassade, die Bögen an der Decke, der Stuck, – alles spiegelt die unverkennbare Architektur von Paris wider. Aber darin regiert das Neue in Form von handgemachten Designerstücken.
Es inspiriert mich, selbst ein Teil dieser Aufbruchsgeschichten zu sein. Und die Pariser machen es mir leicht, denn sie sind sehr gut darin, mit anderen ins Gespräch zu kommen. Wenn ich beim Bauernmarkt "La Maison Plisson" einkaufe, habe ich das Gefühl, dort mit halb Paris einen Schwatz zu halten. Brauche ich mal Zeit für mich, entspanne ich am liebsten bei Kaffee und einem guten Buch im Bastille-Viertel, dem Künstlerviertel. Auf dem Weg zum "Café Méricourt" komme ich an vielen kleinen Passagen vorbei. Fast immer liegen Holzspäne auf dem Kopfsteinpflaster, in den Hinterhöfen sieht man Schreiner bei der Arbeit. Sitze ich dann auf der Dachterrasse und lasse meinen Blick schweifen, weiß ich: Dies ist meine Stadt. Weil mir die Menschen hier das Gefühl geben, ein Teil von Paris zu sein. Die Pariser denken nicht viel über die Zukunft nach, sie verharren nicht in der Vergangenheit, sie leben im Moment. Darin steckt die Magie dieser Stadt.