Modern, urban, cool: Das ist Kapstadt heute, mit einer sehr aktiven Kunst- und Designszene. Autorin Judka Strittmatter reiste für uns ans Kap.
Solche tollen Kunstreisen wie die nach Kapstadt, kann man über den Reiseveranstalter "Art of travel", www.artoftravel.de buchen.
Mich nach Kapstadt zu schicken, das ist, wie einer Mädchenhorde Karten für ein Ed-Sheeran Konzert zu schenken: Das Gekreisch ist groß, die Freude herzerwärmend. Man muss sich bei mir auf blinde Liebe einstellen, Objektivität ist nicht zu erwarten. Woran das liegt? Vielleicht daran, dass Afrikas „Mother City“ für mich ein Geheimnis hat, das sich schwer entschlüsseln und noch schwerer beschreiben lässt. Das etwas mit der Geschichte und Menschenmischung zu tun hat und damit, dass diese Stadt noch immer unterschätzt wird, obwohl sie längst mithalten kann mit Europas Metropolen in Sachen Lifestyle und Urbanität. Aber vielleicht besser so. Besser als der kurze, schnelle Rausch, in dem manche Städte hochgejazzt werden, um irgendwann zu glatt, zu fertig, zu museal zu sein.
Kapstadt: begeistert mit internationaler Kunst
Kapstadt macht langsam. Und dieser Tage macht es gern in Kunst. Und ist dabei der schönste Rahmen, den es dafür geben kann, vor allem für die Malerei. Weil es einen stolzen Ozean, eine imposante Bergkette und traumhafte Kolonialarchitektur hat. Und ein Licht, für das Fotografen und Werbefilmer aus sonstwo in der Welt kommen. Dieses Licht fällt auch durch die Fenster der Christopher Moller Gallery, einer alten Stadtvilla in der Nähe der Kloof Nek Road, einem jungen Viertel mit schicken Boutiquen und Designläden. Der gute Ruf der Galerie hat sich bis zur „Art News“ herumgesprochen, einer Kunstbibel aus New York, die das Ausstellungshaus 2016 auf die Liste der renommiertesten Galerien für Contemporary Art setzte.
Nachdem ich über knarzende Dielen und eine viktorianische Treppe in die lichten Ausstellungsräume vorgedrungen bin, möchte ich mir sofort alles einpacken lassen, was hier die Wände adelt. Zum Beispiel die Paar- und Stadtbilder von Aldo Balding, einem Engländer, der in Frankreich lebt. Oder die Fotos von Tony Gum, einer jungen Kapstädterin, von der die „Vogue“ schreibt, dass sie „wahrscheinlich das coolste Girl“ ihrer Heimatstadt ist, und die sich selbst in ihren Bildern als moderne Amazone stilisiert. Längst ist in Kapstadt das schöpferische Personal unterwegs, das auch große internationale Kunstmessen wie die „Art Basel Miami Beach“ oder die „Pulse Art Fair“ in New York bespielt.
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Hipster-Kultur am Kap
Dass man dieser Tage auch immer öfter das Gefühl hat, am Kap auf Berlin-Mitte zu treffen, hat sich schon herumgesprochen. Zumindest was Cafés, Märkte, Designstores oder Co-Working-Areale angeht. Überall blitzt cooler Minimalismus und metropolenhafte Quirligkeit auf. Und mittendrin: junges Volk, von überall her. Manchen klebt noch der Sand an den Beinen, weil sie zuvor am Blouberg- Strand Kitesurfen waren, andere haben bei einem Latte in Camps Bay einfach den donnernden Wellen des Atlantik hinterhergelauscht. Wieder andere sind vielleicht gerade mit einem Gleitschirm den Signal Hill heruntergeschwebt oder haben in der Regent Road in Sea Point ein paar Shoppingrunden gedreht.
Zwischen Bronx und Soho: das Viertel Woodstock
Aber egal wer kommt: Alle schauen dieser Tage auch in Woodstock vorbei, ein altes Viertel nahe dem Hafen, das früher eher die Bronx war und heute eher Soho ist. In dem es viele Stoffmanufakturen, viel Armut und viel Crime gab. Davon ist immer noch reichlich da, inzwischen existiert aber auch der Gegenentwurf, rund um die Old Biscuit Mill, eine alte Keksfabrik, in die das Hipstertum eingezogen ist. Mit Agenturen, Coffee Labs, Smoothie-Shops und Tattoo-Läden. Aber auch mit Galerien, in denen die Kunst vor Ort geschaffen wird. Wie in der Bronzewerkstatt von Otto du Plessis, in der man den Kunstarbeitern beim Gießen, Schleifen und Ätzen zusehen kann. Oder in der Imiso Gallery, in der die Stücke von Andile Dyalvane präsentiert werden, einem Keramiker vom Eastern Cape, der auf den Schalen und Vasen seiner Lehm-Kollektion „Africasso“ Picasso zitiert. Warum? Weil Picasso von Afrika inspiriert war, es ganz offensichtlich aber auch andersherum so ist. So jedenfalls erklärt es mir die bildhübsche Zimkhitha Momodu, die hier Managerin ist und mich zu den Töpferscheiben führt, die sich hinter den Ausstellungsvitrinen drehen und an denen immer gerade einer der ausgestellten Artisten seinen glitschigen, grauen Ton in farbintensive Kunst umwandelt.
Das Gute: Bei aller urbanen Umtriebigkeit in Woodstock muss ich auch hier nie auf Kapstadts landschaftliche Trümpfe verzichten. Auch von hier aus habe ich einen Blick auf den Tafelberg, wenn er – oh Wunder der Thermodynamik! – das weiße „Tischtuch“ überzieht, eine flache, wallende Wolkenformation. Kapstadt und seine Wachstumsschübe: Viel hat die Fußball-WM 2010 gebracht, von der auch das Cape Town Stadion kündet, das wie ein silbernes Riesen-Ufo inmitten von Green Point thront, umgeben von einem Stahlblau- Himmel und dem saftigen Grün des Metropolitan Golf Club. Viel gebracht hat auch der UNESCO-Titel „Designhauptstadt 2014“, und in diesem Jahr wird der Schub sein, dass im September und in einem aufgemotzten Getreidesilo nahe der Waterfront auf gut 10 000 Quadratmetern das weltweit größte Museum für zeitgenössische afrikanische Kunst eröffnen wird – das Zeitz MOCAA. Das ist unter anderem dem Ex-Puma-Manager, Afrika-Liebhaber und Kunstsammler Jochen Zeitz zu verdanken, der seine Privatsammlung dafür beigesteuert hat.
Hotel mit Kunst: das "Ellerman House"
Eine private Sammlung, nämlich eine der größten des Landes, kann auch „Ellerman House“ vorweisen, ein Fünf-Sterne- Hotel mit langer Tradition. Im vornehmen Bantry Bay thront es hoch über dem Atlantik und ist der Ort, der einen direkt in Märchen beamt. Zumindest wenn man wie ich davon träumt, wie eine „Downton Abbey“-Gräfin zu leben. Wenigstens für ein paar Tage. Mit Butler, Five o’Clock Tea und gebügelter Zeitung. Und einem Blick über die Klippen Kapstadts, bei dem man sich selbst als Ladyschaft nicht einer gewissen Schnappatmung erwehren kann. Wann und wo in der Welt gibt es so viel archaische Schönheit zu bewundern? Wo fügen sich Stadt und Raum so zusammen, das selbst Profi-Fotos diese nahezu göttliche Aura nicht ganz wiedergeben können?
In „Ellerman House“ treffe ich die Kunsthistorikern Talita Swarts, die hier „Art Guide“ ist und die mich durch all die mondänen Flure, Beletagen und kleinen Winkel des Hotels führt und mir dabei einen spannenden geschichtlichen Abriss
über die Geschichte der Kunst in Südafrika gibt. Das dauert etwas, denn in „Ellerman House“ hängen und stehen über 1000 Kunstwerke, die die Geschichte des Landes illustrieren, seine Kämpfe, seine Natur und seine vielen Ethnien und natürlich auch die Apartheid. Sowohl im antiken Teil des Hauses als auch in seinen modernen Anbauten prangen von Klassik bis Pop-Art so ziemlich alle Richtungen. Talita erzählt, dass es in der Kunst lange wie im Alltag „Whites only“ hieß, und es ebenfalls dauerte, bis die schwarzen südafrikanischen Künstler ihre Handschrift fanden. Dann sei es lange verpönt gewesen, dass manche auch Amüsement und Laster in ihren Werken abbildeten, wo es doch vor allem Leid war, das ihr Leben bestimmte. Talita, die in ihrem Haus am Rande von Kapstadt oft selbst an der Staffelei steht, ist ein Fan des bereits verstorbenen Walter Battiss, dem ersten und bedeutendsten Abstrakten Südafrikas.
Inspiriert mache ich mich auf zum Blink Shop in der Regent Road, aus dem ich mir ein Stück Alltagskunst mitnehme. Keramik, gemacht von Frauen in Dörfern am Kap, jedes Stück ein Unikat, jedes Stück ein bisschen schief. Für mich das beste Mitbringsel, um in Deutschland alle Kapstadt-Gefühle zu reanimieren. Und um mein Entzücken über die schönste Stadt der südlichen Hemisphäre noch ins Unermessliche zu steigern, wandere ich die Küste entlang hinunter nach Camps Bay. Umweht vom salzigen Aroma des Atlantiks und gekitzelt von einer Sonne, deren Strahlen wie Kunstlicht gleißen. Vielleicht sind die Häuser hier etwas protzig. Dennoch ist es einfach zauberhaft. Hier gibt es nicht viel zu tun, in Camps Bay muss man einfach nur sein. Weil der Ort an sich ein Kunstwerk ist. Alleiniger Schöpfer: die Natur.
Hinkommen: Flüge ab 400 Euro von Frankfurt oder München gibt es bei South African Airways (flysaa.com).
Kunst-Spaziergang: Die südafrikanische Kunsthistorikerin Talita Swarts organisiert private Touren durch die abwechslungsreiche Kunstszene Kapstadts. Anfragen unter: info@artroute.co.za oder Tel. +27 82 348 4380
Luxusunterkunft: "Ellerman House" ist Fünf-Sterne-Hotel und Kunstausstellung zugleich: Mehr als 1000 Kunstwerke aus verschiedenen Kunstrichtungen schmücken die Unterkunft. DZ ab 690 Euro (ellerman.co.za).