Putins Angriffskrieg bringt unermessliches Leid über die Menschen und erschüttert die Welt. Die schlechten Nachrichten bewegen auch die Finanzmärkte. Hier liest du, wie Anleger:innen am besten mit der kritischen Situation umgehen.
Die Gewalt beenden, Menschenleben retten – das ist alles natürlich so viel wichtiger als Geld. Der Krieg in der Ukraine bedrückt und verstört uns alle. Unsicherheit und Nervosität machen sich auch an den Börsen breit. Wenn du dich jetzt fragst, ob du deine Geldanlage neu sortieren oder deinen ETF-Sparplan aussetzen solltest, haben wir hier ein paar Antworten für dich.
Was passiert da gerade?
Der russische Angriff auf die Ukraine hat einen massiven Stresstest auch für die Weltwirtschaft ausgelöst. Hier kommen mehrere Dinge zusammen: Der Krieg setzt den Unternehmen in der Ukraine zu. Die Produktion steht vielerorts. Weil der Nachschub ausbleibt, tangiert das auch Unternehmen in anderen Ländern. So können zum Beispiel Autohersteller in Deutschland nicht in gewohntem Umfang weiterproduzieren, weil Kabelbäume, die in der Ukraine hergestellt werden, nicht geliefert werden.
Internationale Unternehmen verlassen nicht nur das Kriegsgebiet, sondern auch Russland. Die Liste westlicher Unternehmen, die sich aus Russland zurückziehen, wird immer länger. Große Öl- und Energiekonzerne machten den Anfang, nun erfasst die Massenabwanderung immer mehr Branchen. Grund dafür sind auch die internationalen Sanktionen gegen Russland. Der Ausschluss aus dem internationalen Zahlungssystem SWIFT zum Beispiel erschwert die Geschäfte.
Die Unsicherheiten sind auch auf dem Energiemarkt groß. Denn Russland ist ein global wichtiger Lieferant. Rund zehn Prozent des täglichen globalen Öl- und Gasbedarfs kommen aus russischen Quellen, Deutschland deckt mehr als die Hälfte seines Gasbedarfs durch Importe aus Russland. Besonders groß ist die Sorge, Russland könnte die Lieferungen einstellen oder drosseln. Denn weiter steigende Energiepreise sind Gift für Börse und Wirtschaft: Unternehmen müssen für Energie mehr bezahlen, das sorgt für weiter steigende Preise und treibt die Inflation. Das wiederum erhöht den Druck auf die Notenbanken, der Inflation entgegen zu treten und die Zinsen zu erhöhen.
Aus Sicht vieler Expert:innen trifft der Krieg in der Ukraine zudem einen heiklen Zeitpunkt: Der Einbruch durch die Corona-Krise ist kaum verwunden, die Erholung nach der Pandemie steht noch auf wackligen Füßen.
Was passiert an den Börsen?
Die Märkte zeigten sich bereits seit Jahresbeginn nachgiebig, wichtige Leitindizes sackten ab. Die Inflationssorgen und Unsicherheiten über die Frage, wo die Zinsen hingehen, hatten die Börsen unter Druck gesetzt.
Seit Kriegsausbruch sind die Börsen weltweit stark unter Druck. Der Deutsche Aktienindex DAX und andere wichtige Börsenbarometer geben nach. Und die Turbulenzen sind groß: Öl- und Gaspreise steigen sprunghaft, der Goldpreis zieht an, der Weizenpreis explodiert geradezu. Öl der Nordseesorte Brent zum Beispiel steigt auf Höchststände. Der Preis für eine Feinunze Gold (31,1 Gramm) stieg erstmals seit dem Sommer 2020 auf mehr als 2000 Dollar – zumindest zeitweise.
Hier kannst du dir die aktuellen Kurse an der Frankfurter Börse ansehen:
Erhöhtes Pleiterisiko für Russland
An den Devisenmärkten verliert der russische Rubel. Die US-Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) stuft Russlands Kreditwürdigkeit aufgrund der Sanktionen weiter ab von "BB+" auf "CCC-". Das Rating liegt damit nur noch knapp über der Kategorie für Zahlungsunfähigkeit.
Investments: Wo steckt Russland drin?
Anleger:innen werden sich jetzt fragen: Wie viel Russland steckt in meiner Geldanlage? Das dürfte in einem diversifizierten Depot nur ein geringer Anteil sein. Die Ratingagentur Morning Star hat den russischen Anteil am europäischen Fonds- und ETF-Markt analysiert und kommt auf gerade einmal 0,27 Prozent. Das entspricht 32,8 Milliarden Euro von 12 Billionen Euro.
Lies auch:
- Ukraine – Wie du sofort helfen kannst
- “Ich versuche gerade einfach, nicht meinen Verstand zu verlieren” – ein Gespräch mit Tatjana Martynova aus der Ukraine
- Krieg in der Ukraine: Wie soll man da nicht durchdrehen?
MSCI schmeißt russische Wertpapiere raus
Große ETF-Anbieter haben russische Aktien aus ihren Indizes verbannt. So hat der Finanzdienstleister Morgan Stanley Capital International (MSCI) beschlossen, russische Titel aus seinen Indizes zu werfen. Eine machtvolle Entscheidung mit Signalwirkung, denn MSCI konstruiert als Indexanbieter Tausende wichtiger Aktienindizes, denen Anleger an der Börse folgen können.
Andererseits ist der Russland-Anteil in vielen populären Indizes eher gering. Wer als Anleger:in zum Beispiel in den Weltindex MSCI All Country World mit rund 3000 Aktien vom ganzen Globus investiert hat, kommt nur auf einen Russland-Anteil von rund 0,4 Prozent. Genau 17 russische Aktien befanden sich zuletzt im Index, vom Diamantenproduzenten Alrosa über den Gasriesen Gazprom bis hin zur VTB Bank. Im MSCI Emerging Markets Index ist der Russland-Anteil mit 3,24 Prozent etwas höher. Anders sieht es zum Beispiel in Dividenden-ETFs mit Fokus auf Schwellenländer aus wie zum Beispiel dem iShares Emerging Markets Dividenden ETF mit einem Russland-Anteil von 19 Prozent. Viele Privatanleger:innen dürften dagegen nicht betroffen sein: Im besonders beliebten Industrieländerindex MSCI World sind überhaupt keine russischen Unternehmen enthalten.
Wie wird Russland aus den Indizes getilgt?
ETF-Anbieter sind nun damit befasst, die russischen Aktien loszuwerden. Wie das abläuft, hängt von der Art der Index-Nachbildung ab. Anbieter wie iShares kaufen eine repräsentative Aktienstichprobe, um dem MSCI All Country World zu folgen. Die russischen Titel abzustoßen, ist derzeit allerdings gar nicht so leicht. In Russland dürfen Broker auf Weisung von Ausländern keine Aktien mehr verkaufen, an anderen Börsen ist der Handel eingeschränkt. Die Fondsgesellschaften behelfen sich damit, dass sie die russischen Papiere im ETF-Portfolio – wie im MSCI-Index – bei null ansetzen. Die Fondsgesellschaften können dann nach und nach versuchen, die Aktien loszuschlagen und zumindest noch etwas Geld dafür zu bekommen. ETFs, die dem MSCI Russia folgen, sind von den Fondsgesellschaften eingefroren und an den Börsen vom Handel ausgesetzt. Wichtig in diesem Zusammenhang: Du als Privatanleger:in musst dich um nichts kümmern. Alle Arbeit übernimmt der ETF-Anbieter.
Soll ich Aktien jetzt besser verkaufen?
Auch viele Unternehmensaktien werden vom Kursrutsch mitgerissen. In zahlreichen Unternehmen weltweit macht sich der Krise bereits bemerkbar, die Aussichten für viele Branchen sind düster. Soll ich angesichts dieser Lage nicht lieber aus meinen Aktien-Investments aussteigen? Zeigen die aktuellen Turbulenzen, dass Aktien einfach doch zu riskant sind und es eher angeraten ist, die Finger von Aktieninvestments zu lassen?
Angst ist ein schlechter Ratgeber an der Börse. Bei einem breit gestreuten Aktieninvestment zum Beispiel in ETFs zum Vermögensaufbau liegt die Betonung auf langfristig. Börsenprofis empfehlen, an der Börse immer einen langen Atem zu haben, Titel zu halten und wenig zu handeln. Diese Strategie wird als "Buy and Hold" bezeichnet. Und auch diesen Rat geben Expert:innen: Wenn du an der Börse nicht weißt, was du tun sollst, dann solltest du besser nichts tun. Der Blick in die Vergangenheit stützt diesen Kurs: Wer länger als 15 Jahre in einen weltweiten Börsenindex investierte, erlitt noch nie einen Verlust. Wenn dich all die schlechten Nachrichten gerade nervös machen, kannst du dir das vor Augen führen. Besonders anschaulich zeigen das die sogenannten Renditedreiecke, die wir hier erklären. Und hier sind sie zu sehen: das DAX-Renditedreieck des Deutschen Aktieninstituts und das Renditedreieck für den MSCI World.
Börsenexpert:innen geben zudem zu bedenken, dass ein Verkauf im Moment der Krise meist sowieso zu spät ist. In den Wochen vor dem russischen Überfall der Ukraine war bereits über den Angriff spekuliert worden, Kriegsangst hatte sich an den Börsen breit gemacht – und bereits auf die Kurse gedrückt. Der Krieg ist also ein Stück weit schon "eingepreist", wie die Börsenprofis sagen – und für einen Verkauf ohne Verluste ist es damit zu spät.
Zeit, das Depot neu auszurichten?
Eine Krise wie derzeit der Krieg in der Ukraine sorgt dafür, dass sich die Anteile risikoreicher und risikoarmer Komponenten im Depot verschieben. Da kann ein sogenanntes Rebalancing helfen. Ein Beispiel: In deinem Depot war das Verhältnis von Aktien zu Anleihen ausgeglichen. Durch die Krise haben die Aktien massiv an Wert verloren, damit machen Anleihen einen viel größeren Anteil deines Depots aus. Beim Rebalancing würdest du den Aktienanteil wieder aufstocken. Vielleicht kommt dir das merkwürdig vor, da du damit ja schwächere Titel erwirbst. Börsenprofis nennen das einen antizyklischen Kauf. Allerdings raten Expert:innen in der derzeitigen Situation, Aktienkäufe noch etwas zurückzustellen – also mit einem Rebalancing abzuwarten, bis sich die (militärische) Lage stärker geklärt hat.
Soll ich meinen Aktien-Sparplan aussetzen?
Ist es also besser, erst einmal keine neuen Investments am Aktienmarkt zu machen und damit auch Aktien-Sparpläne auszusetzen? Börsenexpert:innen raten einhellig davon ab. Wer seinen Sparplan kontinuierlich weiterverfolgt, der sorgt für eine gute Mischung im Depot: Für den konstanten Betrag kaufst du durch die gefallenen Kurse mehr Anteile der besparten ETFs im Sparplan-Depot als noch in den Monaten zuvor. Langfristig entsteht so eine Mischung aus günstig und weniger günstig eingekauften ETF-Anteilen. Fachleute nennen das den "Cost-Average-Effekt", übersetzt "Durchschnittskosteneffekt". Es lohnt sich also, den langfristigen Sparplan weiter zu verfolgen. Kurzfristige Krisen erweisen sich auf lange Sicht meist als irrelevant.
Soll ich jetzt Gold kaufen?
Mit Gold wird häufig die Hoffnung verbunden, dass es in Krisenzeiten einen sicheren Hafen bietet. Auch im Moment zeigt sich, dass Gold an Wert gewinnt – während Aktienkurse abstürzen. Aber ein Investment in Gold hat auch Nachteile. Warum das so ist, haben wir hier aufgeschrieben. Finanzexpert:innen raten Privatanleger:innen, nicht mehr als zehn Prozent des Vermögens in Gold zu halten.
Und wenn ich mehr Sicherheit möchte?
Wer sich gegen Verluste um jeden Preis absichern möchte, dem bleiben Tagesgeldkonten und Festgeldanlagen. In Zeiten niedriger Zinsen bringen sie allerdings nur kleine Erträge ein. Damit lässt sich kaum die Inflation ausgleichen, die am Sparvermögen nagt und dafür sorgt, dass es von Jahr zu Jahr weniger wert ist. Wie die Inflation zuschlägt und was das im Alltag bedeutet, kannst du hier nachlesen. Ein breit gestreutes Aktieninvestment, bevorzugt in kostengünstige ETFs, bleibt auch in der jetzigen Situation eine gute Anlageoption, wenn sie langfristig ausgerichtet ist.
Mehr Themen: