Kryptowährungen galten als Megatrend. Jetzt ist die drittgrößte Kryptobörse insolvent. Und mit den Kursen ging es auch bergab. War alles nur ein Hype? 5 Fragen an die Finanzexpertin Lisa Hassenzahl.
Es klingt wild: Die einst drittgrößten Kryptobörse der Welt FTX ist insolvent, aber nicht nur das: Mit dem Crash sind offenbar mehr als eine Milliarde Dollar an Kundengeldern verschwunden. "Unautorisierte Transaktionen" sagt FTX, Insider vermuten einen Hackerangriff. Der Krypto-Markt ist in Aufruhr. Noch größer als der finanzielle Schaden könnte der entstandene Vertrauensverlust sein. Die Pleite ist einer der größten Kryptoskandale, reiht sich aber ein in eine Abfolge von Krisen in diesem Jahr: dem Crash des Terra Coin und der Insolvenz der Kryptoplattform Celsius Network.
Dabei schienen die Cyberwährungen, die auf der Blockchain-Technologie basieren und ganz ohne Banken auskommen, so glamourös und fortschrittlich, ein schillernder Megatrend in der Finanzwelt. Was ist daraus geworden? Lisa Hassenzahl ist Finanzplanerin und Gründerin der Finanzberatung Her Family Office. Wir haben sie gebeten, uns zu erklären, was da gerade passiert. Ist das das Ende der Kryptowährungen? War alles nur ein Hype, der nun in sich zusammenfällt?
Von vorn: Die Kryptobörse FTX ist pleite. Aber wozu braucht man Kryptobörsen eigentlich?
Lisa Hassenzahl: Anleger:innen können Kryptowährungen grundsätzlich auf zwei Wegen kaufen. Nämlich entweder über Kryptobörsen, wie zum Beispiel FTX oder über Broker. Die Kryptobörsen bieten eine riesengroße Auswahl an Kryptowährungen – und im Fall von FTX noch viele andere Investitionsmöglichkeiten, die teilweise ziemlich spektakulär klingen, mit den entsprechenden Risiken. Hinzu kommt, dass Kryptobörsen ihren Firmensitz meist außerhalb Europas und oft in Ländern haben, bei denen Anleger:innen im Ernstfall kaum rechtliche Möglichkeiten haben.
Bei Brokern gibt es hingegen eine etwas begrenztere Auswahl an Kryptowährungen, die aber aus meiner Sicht vollkommen ausreichend ist. Besonderheiten wie den gecrashten Terra Coin zum Beispiel gab es bei ihnen erst gar nicht zu kaufen. Zudem gibt es einige Broker, die ihren Sitz hier in Deutschland haben, deren Zahlungen über deutsche Banken fließen und somit in Bezug auf die reine Abwicklung schon einmal deutlich sicherer und empfehlenswerter sind.
Zu den Turbulenzen und Skandalen rund um die Kryptos kamen zuletzt starke Kursverluste bei den Cyberwährungen. Wie bewerten Sie das?
In der Bewertung kommt es sehr stark darauf an, mit welchem Motiv Anleger:innen investieren. Gerade in den vergangenen Jahren waren Kryptowährungen aufgrund ihrer rasant steigenden Kurse ein beliebtes Spekulationsinstrument. Diese Funktion haben sie sicherlich auch nicht verloren, aber sowohl die vielen Skandale, vor allem aber auch die extremen Kursverluste der letzten Monate haben sicherlich einigen Anleger:innen noch einmal die Risiken verdeutlicht.
Was sind Kryptos?
Kryptowährungen sind digitale Zahlungsmittel. Technisch laufen Kryptowährungen auf der Blockchain-Technologie: Bei dieser Technologie handelt es sich, simpel ausgedrückt, um eine Kette aus Datensätzen, auf der alle Transaktionen einer Währung gespeichert werden, fälschungssicher und transparent und unabhängig von Banken und Staaten. Die bekanntesten Kryptowährungen sind Bitcoin und Ethereum.
Dabei konnte man mitunter den Eindruck gewinnen, Kryptowährungen würden Sicherheit bieten. Denn als Krisenwährung und als Inflationsschutz werden Kryptos häufig in einem Atemzug mit Gold genannt. Was sagen Sie dazu?
Aus meiner Sicht ist der Vergleich mit Gold kritisch zu beurteile. Das Edelmetalle ist aufgrund seiner Eigenschaften nicht mit Kryptowährungen zu vergleichen. Einen Inflationsschutz bieten Kryptowährungen aktuell definitiv nicht und ich sehe auch keinen Grund, weshalb hier immer mal wieder der Vergleich zu Gold gezogen wird.
Da die Kryptowährungen wie der Bitcoin keinem Staat und keiner Zentralbank gehören, halten viele Anleger:innen sie auch als Schutz vor Extremrisiken und Krisen für interessant. Man kann von überall auf der Welt zugreifen und alles ist anonym. Ob das im Fall einer tatsächlichen Krise wie einem Kriegsszenario tatsächlich so funktioniert, ist heute schwer zu beurteilen.
Konnten Kryptowährungen die Erwartungen also nicht erfüllen? War alles nur ein Hype?
Nein, sicherlich sind Kryptowährungen nicht am Ende. Es gibt durchaus sinnvolle Einsatzgebiete und im Zuge der Digitalisierung sind die Kryptowährungen sicherlich ein wichtiger Bestandteil. Zum einen ist die Blockchain-Technologie an sich unbestritten eine innovative Technologie, die viele weitere Anwendungsmöglichkeiten bietet. Grundsätzlich hilft die Technologie dabei, die Finanzwelt unabhängiger von Banken zu machen, Transaktionen flexibler und natürlich auch kostengünstiger zu gestalten. Gerade für Entwicklungsländer liegen hier Chancen, da Menschen keine Banken brauchen, um zum Beispiel Geld zu überweisen. Aber es gibt auch weitere Einsatzgebiete, zum Beispiel im Gesundheitswesen, für smarte Versicherungsverträge oder bei der eindeutigen Identifikation von Menschen. Das alles Dank der dezentralen und durch das Schlüssel-Schloss-Prinzip ganz eindeutigen Systematik der Blockchain. Und im Metaverse, in digitalen Welten also, sind sie natürlich DAS Zahlungsmittel. Wer daran glaubt, dass das eine Zukunft hat, glaubt auch an Kryptowährungen.
Was die rasanten Kursentwicklungen der letzten Jahre angeht, so sollten Anleger:innen aus meiner Sicht aber nicht auf eine baldige Wiederholung hoffen.
Wem würden Sie Kryptowährungen noch empfehlen?
Insofern eignen sich Kryptoinvestitionen eher für Anleger:innen, die aus Interesse oder als gezielte Beimischung eine alternative Anlage kaufen möchten, und es sich vor allem auch leisten können, den investierten Betrag im schlimmsten Fall zu verlieren oder lange auf Gewinne zu warten. Insofern sollte der investierte Betrag immer nur einen kleinen Teil des Vermögens ausmachen und vor allem gilt: Es ist absolut keine Pflichtinvestition!
Bei der Auswahl der Kryptowährungen sollten sich Anleger:innen eher auf die "etablierten" Währungen beschränken. Täglich entstehen neue Währungen, die auch ganz schnell wieder verschwinden können. Und wenn kurzfristig die Renditen im Vergleich extrem in die Höhe schießen, gilt: "Wenn etwas zu schön ist, um wahr zu sein, ist es das in der Regel auch nicht."
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