Es passt viel mehr zusammen, als man auf den ersten Blick glaubt, sagt Habiba Rabhioui. Deshalb betont sie lieber Gemeinsamkeiten statt Gegensätze. In ihrer Kölner Wohnung vereint die Marokkanerin die beiden Kulturen, in denen sie sich zu Hause fühlt: Orient und Okzident.
Dunkle Brille, zum Dutt straff nach hinten gekämmte Haare, und mindestens ein Kleidungsstück, das dann doch verrät: So streng bin ich gar nicht! Wer Habiba Rabhioui in ihrer hellen, großzügigen Altbauwohnung in Kölns Kreativ-Viertel Ehrenfeld besucht, entdeckt schnell, dass sich genau diese sehr persönlichen Markenzeichen auch in der Einrichtung widerspiegeln.
Die Wohnung der Marokkanerin mit deutschem Pass hat Struktur. Hier liegt nichts einfach so herum. Bücher und Zeitschriften, Geschirr und Gläser, Pullis und Schmuck verschwinden in weißen Sideboards und Regalen. Ihren ganzen Krimskram hat die 35-jährige Grafikdesignerin in weißen Kartons verstaut, auf denen "Malutensilien" oder "Nähzeug" steht. Lange nach etwas suchen muss sie nie: "Ich arbeite sehr diszipliniert", sagt sie und fährt nach einer Pause fort: "Auch privat bin ich wohl ziemlich ordentlich." Habiba lacht und rückt den Griff des Küchenfensters in eine 90-Grad-Position. "Das ist es auch, was ich an meiner Wahlheimat Deutschland mag: dieses Geradlinige, Strukturierte und Bodenständige. Das passt zu mir."
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Verspielt und strukturiert
#image6876left Trotz klarer Linien und weißer Einbauten wirkt die Wohnung behaglich und alles andere als steril. Dafür sorgen Farbtupfer wie das rote Sofa im Wohnzimmer, von dem aus man in die Wipfel des Baumes vor dem Fenster sehen kann. Oder die Bilder, die Habiba selbst gemalt oder gezeichnet hat. Zum Beispiel die Grafiken über dem Schreibtisch, die ein Reh und ein Kamel zeigen. Habiba ist gerade dabei, ein Kinderbuch zu illustrieren. Außerdem hängen an den Wänden Fotos von Familie und Freunden. Und in der ganzen Wohnung entdeckt man Souvenirs aus Marokko. Sie geben den aufgeräumten Zimmern mit den hohen Decken und Stuckdetails die orientalische Würze: silberne Tabletts und Teekannen mit floralen Ornamenten, weiche Lederpoufs, gemusterte Kissen und bunt bemalte Kochgefäße in Kegelform. "Darin koche ich typische Tajine-Gerichte", erklärt Habiba. Wie zum Beispiel Lammeintopf mit Pflaumen nach einem Rezept ihrer Großmutter.
Spagat zwischen den Kulturen
#image6877left Habibas Familie stammt aus Nador in Nordmarokko und spricht Tamazight, einen berbischen Dialekt. Ihr Vater kam in den 70er-Jahren als Gast arbeiter ins Rheinland, ihre Mutter folgte 1982 mit den Kindern – da war Habiba fünf Jahre alt. Sie zogen nach Zülpich, einer kleinen Gemeinde zwischen Köln und der Eifel. "Meine Eltern haben uns Respekt, Gemeinschaftssinn und Gastfreundschaft vermittelt, also Grundwerte, die auch in Deutschland sehr wichtig sind", findet Habiba, die sich in der neuen Heimat schnell zu Hause fühlte – ohne die alte zu vergessen. Dafür ist sie viel zu sehr Familienmensch. Ihre Tanten, Cousins und Cousinen besucht sie regelmäßig in Marokko. Sie liebt das Leben zwischen den Kontinenten. Deshalb passt bei ihr vieles zusammen, was auf den ersten Blick voller Widersprüche scheint. Das zeigt auch die Art und Weise, wie sie die opulenten marokkanischen Dekostücke mit ihrem schlichten Mobilar kombiniert: "Meine Wohnung ist der Beweis dafür, dass man verspielt und trotzdem strukturiert sein kann", sagt Habiba. Oder eben: marokkanisch und deutsch. "Ich finde es schade, dass man immer die Unterschiede der beiden Kulturen sieht und nicht die Gemeinsamkeiten, denn eigentlich sind sie sich sehr ähnlich."
Mit 20 Jahren beantragte sie die deutsche Staatsbürgerschaft: "Dafür hab ich 550 Mark bezahlt", erinnert sie sich. Und mit 24 verließ sie als einzige ihrer Geschwister Zülpich und studierte Kommunikationsdesign in Düsseldorf.
"Meine Eltern konnten das damals nicht verstehen. Sie meinten, ich bräuchte nicht zu arbeiten, sondern sollte lieber heiraten", erzählt Habiba und gießt Tee in die bunten Gläser. "Deshalb habe ich mich heimlich um einen Studienplatz beworben. Heute schätzen sie meinen Mut und das, was ich tue." Auch wenn Habiba sicher ist, dass ihre Eltern in Grundsatzfragen der gleichen Meinung sind wie sie, war es nicht immer leicht, sie zu überzeugen. Auch nicht, als sie mit 28 Jahren ihren Freund kennenlernte, mit dem sie die Wohnung teilt. "So richtig begeistert waren meine Eltern nicht davon, dass ich einen deutschen Lebensgefährten habe", sagt sie. Bei dem Spagat zwischen den Kulturen – den Traditionen der Eltern und dem Leben einer unabhängigen europäischen Frau– hilft Habiba sicherlich ebenfalls dieser für sie so typische Mix aus Zielstrebigkeit und Offenheit. Sie schafft es, Neues als Bereicherung zu empfinden, ohne das Alte damit zu verdecken.
Das gilt auch für ihre Einrichtung: Als sie vor Kurzem mit ihrem Freund im Süden Marokkos war, erstand sie in Marrakesch und Essaouira neue Schätze für ihre Souvenirsammlung. Hier in Köln sehen die Stücke so aus, als wären sie schon immer Teil dieser kulturellen Patchworkfamilie gewesen.