Wir schauen bei Frauen vorbei, die Deutschland zu ihrer Heimat gemacht haben. Die Pariser Künstlerin Divna Omaljev fühlt sich inmitten flirrender Farben in Köln heimisch.
Die Umstände, die dazu führten, dass ich Léandre Desanges kennenlernte, waren äußerst ungünstig. Eigentlich hätten sie nicht schlechter sein können. Und doch lässt sich die Kette der Zufälle, die uns zusammen-schmiedete, bevor sie uns auseinanderriss, weit zurückverfolgen. Genauer bis zum letzten Freitag des Monats April des Jahres 1538 …" Liest sich spannend. Leider erfährt man nicht, wie es weitergeht, was an jenem verhängnis-vollen Freitag geschah. Denn die folgenden Sätze werden von einem anderen, ebenfalls dicht beschriebenen Blatt verdeckt. Es sind viele Din-A-4-Seiten, die da auf dem Schreibtisch von Divna Omaljev liegen, ausgebreitet wie Landkarten und ordentlich mit Überschriften versehen. "Plot" steht dort und "Wendepunkt". Alles Aufzeichnungen für ihren historischen Roman "Danaé" über eine Ärztin im 16. Jahrhundert. Seit drei Jahren beschäftigt sich die französische Malerin mit Wohnsitz in Köln intensiv mit Literatur, spürt historischen Themen nach und schickt ihre Protagonistinnen durch das Europa der Renaissance: "Ich versuche den damaligen Zeitgeist wiederzugeben", erklärt sie, "und möchte zeigen, dass wir von den Erkenntnissen dieser Epoche immer noch profitieren."
Am Fenster des Arbeitszimmers steht eine Staffelei. An den Wänden hängen einige der kleinformatigen, sehr farbstarken Gemälde der Künstlerin. Darunter Kirschblüten vor lindgrünem Hintergrund sowie ein Camouflagebild in Rosarot aus der Serie "Arms of Love". Und während Divna Omaljev, in pinkem Shirt und orangefarbenem Rock, auf ihre Arbeiten deutet, hat man plötzlich das Gefühl, in einem Gesamtkunstwerk zu stehen. Denn ihre Kleidung passt nicht nur zu den Gemälden, sondern auch zu der kompletten Einrichtung.
Zum Nachwohnen
Auf Seite 2 geht es weiter mit der Wohnung von Divna Omaljev ...
Ein Stück Paris am Rhein
#image6593left Zu den drei Kerzenständern auf dem Esstisch in Orange, Pink und Grün. Zu den Kleiderschränken in Lila, Rosa und Pistazie. Zu dem Kopfteil des Ehebettes, das gleichzeitig auch Einbauschrank ist und ein Streifenmuster aus Braun, Pink und Apfelgrün trägt. "Colour-Blocking" heißt dieser Mix bei Modedesignern, der dieses Jahr auf den Schauen glamourös gefeiert wurde. Für Divna Omaljev nichts Neues. Sie hat schon immer mit starken Farbkontrasten gespielt und so ihren ganz eigenen Stil erfunden.
Der Tag beginnt für sie, wenn die ersten Sonnenstrahlen die Domstadt antuschen. Die Parks erwachen und die Kehrfahrzeuge rumpeln. Dann klingt Köln ein bisschen wie ihre Heimatstadt Paris, findet die Künstlerin. Schon um sechs Uhr früh sitzt sie am Schreibtisch und denkt über die neuen Fäden ihrer Geschichte nach. Hinter ihr ein sorgfältig geordnetes Archiv der französischen "Vogue" aus den vergangenen zehn Jahren. Ein Inspirationsquell für das Malen und das Schreiben zugleich. Noch ist es still in dem modernen Bau aus Beton, der in Ehrenfeld steht, dem ehemaligen Arbeiterstadtteil. Ein Viertel, in dem inzwischen viele Kreative leben. So wie Divna Omaljev und ihr Mann Lukas Roth, der als Fotograf arbeitet. Die Ateliers der beiden befinden sich im vorderen Bereich des Hauses, im hinteren liegen die Zimmer der vier Kinder, von Anatole, 12, Nastasia, 14, Igor, 18, und Dimitri, 22. Verbunden werden die Räume durch zwei kleine Innenhöfe, die Küche und das Wohnzimmer: insgesamt knapp 300 Quadratmeter zum Leben und Arbeiten. Und überall entdeckt man Souvenirs aus Frankreich: eine Flasche "Veuve Clicquot", eine Einkaufstüte von "Le bon Marché", Divnas Lieblingskaufhaus. Eine Schachtel Macarons, die genauso
bunt sind wie die Wohnungseinrichtung. Und zwei Eiffeltürme, wobei den größeren ihre Kinder gebaut haben, mit denen sie übrigens konsequent Französisch spricht. "Sprache ist ein Stück Heimat", sagt sie, "ich könnte nicht auf sie verzichten."
Savoir Vivre in Köln
#image6594left Es war 1988, als Divna Omaljev Paris den Rücken kehrte. Eigentlich wollte sie nach Australien. Ein Umweg führte sie nach Köln. Und dort blieb sie, so begeistert war sie von der Kunstmetropole, in der die Maler der "Jungen Wilden" groß wurden und Stars wie Gerhard Richter leben. Divna wusste, hier würde ihre Neugier aufs Leben und die Menschen befriedigt werden. Sie mag die entspannte Lebensart, die kleine Straßen und Cafés. "Manche Ecken haben fast Pariser Flair", sagt sie. "Aber Köln ist weniger stressig." Längst ist das Multitalent Teil der Kölner Kunst- und Kreativszene und ihr Haus ein Salon, ein Treffpunkt, an dem neue Ideen gesponnen werden. Man feiert an dem langen Holztisch, den ihr Mann selbst angefertigt hat und an dem morgens die Familie frühstückt. Dahinter befindet sich die Küche, über die sich jeder Designgalerist als Ausstellungsstück freuen würde. Denn es ist eine Spezialanfertigung des Holländers Joep van Lieshout. Vor elf Jahren bat Divna Omaljev den berühmten Künstler und Designer, ihr bei der Gestaltung des Hauses zu helfen. Van Lieshout reiste nach Köln, schaute sich den Rohbau an – und entwarf diese großzügige "Kochnische", die auch aus der Ausstattung einer Ufo-TV-Serie der 50er-Jahre stammen könnte. Den außergewöhnlichen Farbton "Grüner Tee" wählten die Hausherrin und van Lieshout gemeinsam aus. Heute ist die Küche nicht nur Unikat und knalliges Kunstwerk, sondern auch, wie Divna Omaljev findet: der schönste Raum des Hauses. "Ich koche leidenschaftlich gern", sagt sie, und das vegetarisch. Nicht nur zweimal täglich für ihre Kinder, die sich ein normales, kaltes Abendbrot wie bei Freunden nicht vorstellen mögen, sondern auch für ihre Freunde, die bei ihr ein Stück savoir vivre in Köln genießen.