Am Anfang einer neuen Liebe ist alles wunderbar. Doch oft zeigen sich schnell dieselben Verhaltensmuster, die schon die letzte Beziehung vergiftet haben. Was können wir dagegen tun?
Der Milchkaffee ist schon halb leer, als Jana in Tränen ausbricht. "Ich dachte, in dieser Beziehung wird endlich alles anders", schluchzt sie, "aber ich ertappe mich dabei, mit Thomas dieselben Fehler zu machen wie bei meinen Exfreunden!" Mit Jana und den Männern klappt es nicht. Alle ihre bisherigen Partner haben sie betrogen – ihr aktueller Freund mit seiner Assistentin. Jana sagt von sich selbst, dass sie sehr eifersüchtig ist. Sie engt die Männer schnell ein, was diese in die Arme anderer Frauen treibt. Wenn sie dann betrogen wird, fühlt Jana sich wiederum in ihrer Eifersucht bestätigt. Dabei durchschaut sie das Muster selbst – und fragt sich verzweifelt, warum sie es nicht endlich durchbrechen kann. Wieso ziehen manche Menschen scheinbar immer denselben Typ Mann/ Frau an, der ihnen wieder und wieder kein Glück bringt, während andere unbeschwert von einer schönen Beziehung in die nächste wechseln? Wie lassen sich diese Verhaltensmuster wissenschaftlich erklären?
Die Antwort liegt in unserer frühesten Kindheit. "Ob wir in unserem späteren Leben bindungsfähig sind, hängt in hohem Maße davon ab, welche Erfahrungen wir in den ersten Lebensjahren in der Beziehung zu unserer Mutter gemacht haben", erklärt die Psychologin Stefanie Stahl. "Es hängt davon ab, ob unser Gehirn Bindung aus den frühesten Kinderjahren mit Sicherheit, Wärme und Geborgenheit assoziiert oder mit Verlassenheit, Einsamkeit und Angst." Diese Erfahrungen prägen uns bis ins Erwachsenenalter und setzen in uns die Anlage für einen von drei unterschiedlichen Beziehungstypen.
Der Sichere Bindungsstyp
Der sichere Bindungstyp könnte Paar-Therapeuten arbeitslos machen: Er hat ein gesundes Selbstvertrauen, ist bindungsbereit und investiert in seine Beziehung. Er beherrscht die Gratwanderung zwischen Abstand und Nähe, umsorgt seinen Partner gern, versucht aber nicht, von ihm Besitz zu ergreifen. Er idealisiert nicht, kann seine Gefühle ausdrücken, trägt Konflikte offen aus und ist nicht nachtragend. Wie wir mit ihm glücklich werden: Auch wenn es natürlich keine Garantie auf Liebesglück gibt, stehen die Chancen, mit dem sicheren Bindungstyp eine lange, erfüllte Partnerschaft zu führen, ziemlich gut.
Der Klammerer
Der Klammerer versucht häufig, sein niedriges Selbstwertgefühl zu kaschieren, indem er sich auffällig darstellt: etwa durch Kleidung, Schmuck, Autos oder andere Statussymbole. Der Klammerer traut sich wenig zu und bemitleidet sich gern. Er meidet Konflikte und gerät bei Streit schnell in Panik, weil er fürchtet, die Beziehung könne sofort zerbrechen. Der Klammerer verliebt sich oft auf den ersten Blick und ist auf der Suche nach der großen Liebe, an die er aber eigentlich nicht glaubt. Er ist eifersüchtig, braucht viel Nähe und ständige Bestätigung, dass der andere ihn liebt. Wie wir mit ihm glücklich werden: Ermuntern Sie den Klammerer zu mehr Selbstständigkeit. Zeigen Sie ihm den Weg zu eigenen Erfolgen, um sein Selbstvertrauen zu stärken. Reagieren Sie nicht genervt oder ungeduldig, wenn Sie immer wieder beteuern müssen, dass Sie ihn lieben und nicht verlassen wollen.
Der Vermeider
Der Vermeider hat eine hohe Meinung von sich selbst und wirkt oft verschlossen bis arrogant. Er verschweigt Probleme; wenn er in Bedrängnis gerät, provoziert er Streit. Er fühlt sich oft eingeengt und will seine Freiheit nicht verlieren. Der Vermeider kann die Gefühle des Partners nur schwer einschätzen und spricht fast nie über seine eigenen. An die Liebe glaubt er grundsätzlich nicht. Wird er zurückgewiesen, tut er so, als mache es ihm nichts aus. Wie wir mit ihm glücklich werden: Schrauben Sie Ihre Erwartungen herunter, der Vermeider wird Sie sonst wahrscheinlich oft enttäuschen. Seien Sie geduldig und fordern Sie nicht ständig Liebeserklärungen. Versuchen Sie, ihn davon zu überzeugen, dass eine verlässliche Beziehung sein Leben bereichert, aber nicht einschränkt.
Das Problem: Die prägenden Erfahrungen aus frühkindlicher Zeit sind tief in unserem Unterbewusstsein verschüttet. Kann man sie als Erwachsener so einfach auflösen? Diese Frage erforscht das kanadische Psychologen-Ehepaar Doug und Naomi Moseley seit vielen Jahren. Sie sind davon überzeugt, dass wir schädliche Verhaltensmuster durchbrechen können – allerdings erfordert das ein großes Maß an Selbstreflexion. "Wir geben uns einer Illusion hin, wenn wir glauben, wir könnten uns nach einer gescheiterten Beziehung sofort in eine neue, besser funktionierende Partnerschaft stürzen, ohne uns zuvor mit einem der Hauptgründe für das Scheitern der letzten Beziehung – nämlich uns selbst – auseinandergesetzt zu haben", schreiben sie in ihrem Buch "Neuer Partner, neues Glück" (Klett-Cotta). Und weiter: "Die Wahrheit ist, dass Beziehungen daran scheitern, dass beide Partner schwierige Persönlichkeitsanteile haben, aber nicht über die notwendigen Kenntnisse verfügen, um die Probleme in Angriff zu nehmen."
Die Moseleys haben auch eine Antwort darauf, warum manche Leute immer wieder einen Hang zu denselben Menschentypen haben, die sie verlässlich unglücklich machen: Wir fühlen uns von Menschen angezogen, die uns in puncto emotionaler Reife ebenbürtig sind. Das bedeutet, dass jemand, der unter nicht verheilten emotionalen Verletzungen leidet, eher einen Partner mit ähnlichen Verletzungen anziehen wird (auch wenn das oft anfangs nicht erkennbar ist). Die erleichternde Erkenntnis der psychologischen Forschung ist dabei aber: Nicht jeder, der häufiger die gleichen Probleme in seinen Beziehungen hat, muss sofort eine Therapie machen. So sieht es auch Professor Manfred Hassebrauck, der seit mehr als 20 Jahren zu Paarbeziehungen an der Universität Wuppertal forscht und als Beziehungsexperte für das Online-Dating-Portal FriendScout24 arbeitet.
Fehler in vergangenen Liebesbeziehungen müssen nicht zwangsläufig schwer wiegen. "Wenn wir eine Beziehung beendet haben, wissen wir ja, warum wir sie beendet haben", sagt Hassebrauck. "Wir sind durchaus lernfähig. Wurden wir in der letzten Partnerschaft betrogen, denken wir über diesen Fehler nach und tun in der neuen Liebe alles, um so etwas zu verhindern." Doug und Naomi Moseley geben dazu konkretere Tipps. Sie haben vier Leitsätze identifiziert (und auch erfolgreich in ihrer eigenen Beziehung angewandt), die bei einem neuen Partner zu mehr Liebesglück verhelfen können:
1. Lernen, seine Wünsche und Bedürfnisse auszudrücken
Um den eigenen Wünschen auf die Spur zu kommen, helfen folgende Fragen: Welche drei Dinge brauche ich unbedingt von meinem Partner, um in einer Beziehung glücklich und zufrieden zu sein? Was brauche ich, um Kraft zu tanken und mich lebendig zu fühlen? Welche konkreten Schritte kann mein Partner unternehmen, um diese Bedürfnisse zu erfüllen?
2. Ehrlich zu den eigenen Wertvorstellungen stehen
Die wichtigsten Wertvorstellungen betreffen die vier großen Bereiche Sex, Geld, Kinder und spirituelle Überzeugungen. Sex zum Beispiel bildet einen Großteil dessen, was zwei Menschen in einer Liebesbeziehung verbindet. Wenn im Bett von Anfang an Probleme auftreten, kann das ein Zeichen dafür sein, dass Schwierigkeiten im Raum stehen, die möglicherweise gar nichts mit dem Sexualleben zu tun haben.
3. Die Bedürfnisse des anderen in Erfahrung bringen
Was braucht mein Partner von mir? Und was kann ich tun, um seine Wünsche zu erfüllen? Die wichtigste Regel: zuhören. Und das Gesagte anschließend in eigenen Worten wiedergeben, bis der andere das Gefühl hat, wirklich verstanden worden zu sein.
4. Nichts überstürzen
Viele Menschen stürzen sich nach dem Scheitern einer Beziehung sofort in die nächste. Die Moseleys sind überzeugt, dass Probleme so vorprogrammiert sind, denn die Bindung zum früheren
Partner kann weder verarbeitet noch wirklich gelöst werden – und die neue Liebe hat nicht genug Raum.
Klar ist: Sein Verhalten zu ändern ist einer der mühsamsten Prozesse überhaupt. Und schädliche Verhaltensmuster in der Liebe können wie eine Sucht sein, von der man sich nur langsam lösen
kann. Weil das Gewohnte sich vertraut anfühlt, selbst wenn es nicht guttut. Und das Neue Angst macht, selbst wenn es Glück verspricht. Was dabei helfen kann? Beziehungsexperte Hassebrauck
ist sicher, dass die Lösung in unseren eigenen Vorstellungen verborgen ist. "Gedanken können
zu selbsterfüllenden Prophezeiungen werden", erklärt er. Wenn man zum Beispiel befürchte, dass der neue Partner einen betrügen könnte, weil der alte es auch getan hat, und sich daher von vorneherein schon kontrollierend verhalte. "Wenn der neue Partner uns dann wirklich betrügt, weil er glaubt, wir vertrauen ihm ohnehin nicht, sagen wir: Ich hab’s doch gewusst! Dabei haben wir selbst den Menschen dahin getrieben."
Doch auch für solche festgefahrenen Verhaltensmuster gibt es Hoffnung: Wenn Betroffene verstehen, zu welcher Art von Beziehungstyp sie gehören, also erkennen, ob sie eher ein Vermeider, ein Klammerer oder ein sicherer Bindungstyp sind, ist schon der erste Schritt in Richtung Verhaltensänderung gemacht. Denn wer begreift, wie er tickt, kann krankmachende Muster besser erkennen und verstehen – und sich vielleicht endlich in den Richtigen verlieben. Und "der Richtige" ist genau der, den wir mit unseren eigenen Gedanken und unserem Handeln dazu machen. Menschen verhalten sich nämlich immer häufig, wie wir es von ihnen erwarten, sagt Manfred Hassebrauck. Das heißt also: Wenn wir einem Menschen unser Vertrauen schenken und ihm zutrauen, uns glücklich zu machen – wird er das mit großer Wahrscheinlichkeit auch tun.