Neue Kommunikationskanäle wie WhatsApp und Co bringen für Paare viel Konfliktpotential mit sich. Paarcoach Stephanie Katerle erklärt, woran das liegt und wie solche Probleme gelöst werden können.
In der täglichen Beratungspraxis mit Paaren taucht neben den bekannten Beziehungsproblemen wie Kommunikationsunfähigkeit, Seitensprung und Nicht-verzeihen-können immer häufiger noch ein weiteres Thema auf, das bis vor wenigen Jahren noch unbekannt war: Elektronische Medien und Messenger. Sie wirken an der Schnittstelle zwischen Alltag und Privatsphäre. Immer, wenn Beziehungen in Schieflagen geraten, immer, wenn Eifersucht und Misstrauen das Glück trüben und immer, wenn Kommunikation eskaliert, ist WhatsApp neuerdings ein Teil davon. Diese neue Kommunikationsform bringt nämlich weitere destruktive Faktoren mit ins Spiel, die auf allen Seiten für Stress sorgen:
1. "Ich hab's schriftlich!" – Endloskonflikte im virtuellen Raum
2. "Du warst nicht on" – Kontrollmechanismen durch Technik
3. Über die Bande gespielt – elektronische Triaden
Endloskonflikte im virtuellen Raum
Der Messengerdienst WhatsApp ermöglicht den Zugriff auf den Partner, wo auch immer er ist. Ob im Meeting, auf der Autobahn oder in einem seltenen Moment der Ruhe: Die Beziehungsprobleme verfolgen die Betroffenen überall hin. Konflikte können jederzeit und in jedem Kontext ausufern. Grenzen zu setzen wird nahezu unmöglich. Manche können nicht mehr vernünftig arbeiten, weil sie mit Nachrichten des Partners bombardiert werden, zu deren Beantwortung sie sich gezwungen fühlen. Umgekehrt werden die Gespräche am Abend oder am Wochenende dadurch erschwert, dass man die ganze Woche über nicht konzentriert arbeiten konnte und gedanklich abwesend war.
Verbaler Schlagabtausch entgleist oft ins Endlose, weil versöhnliche Gesten wie Berührung und Mimik fehlen. Die nackten, geschriebenen Worte wirken stärker als die Gesprochenen. Chats sind schnell, die Nachrichten überschneiden sich häufig. Nicht einmal per Textnachricht lassen sich manche Paare ausreden, sodass die inhaltlichen Bezüge verloren gehen. Das nervt viele.
Spracherkennungsprogramme ermöglichen blitzschnelle Antworten ohne langes Nachdenken. Das Diktiergerät schreibt auch die ungerechtesten Attacken in Sekundenschnelle. Verbale Angriffe können im Smartphone andererseits aber auch über Stunden ausgefeilt und minutiös vorbereitet werden, damit jedes Wort sitzt.
Wer schreibt, der bleibt. Geschriebenes ist unauslöschlich. Und so drucken sich manche Paare ihre WhatsApp-Chatverläufe sogar aus und präsentieren sie dem anderen als Beweismaterial, als ob so geklärt werden könne, wer Schuld hat. In Wirklichkeit aber setzt sich ein Konflikt unproduktiv fort.
Kontrolle durch Technik
In der WhatsApp Statusleiste ist, wenn eingestellt, immer erkennbar, wer wann online war oder ist. Dadurch entstehen bei Paaren Vorwürfe, dass der andere nicht geantwortet hat, zu langsam antwortet, nicht online geht oder – noch schlimmer – online war, ohne zu schreiben. Die App ist damit ein perfektes Kontrollinstrument.
Die kürzlich eingeführten blauen Haken zur Lesebestätigung perfektionierten diese Funktion noch. Außerdem können nicht nur die Chats heimlich von eifersüchtigen Partnern gecheckt werden, sondern auch Bildergalerien, Videos, Songs usw. Dadurch ergeben sich unendliche Möglichkeiten fürs Kopfkino.
Elektronische Triaden
Hat ein eifersüchtiger Partner das Objekt seines Misstrauens auch noch in der eigenen Kontaktliste, weil er oder sie ein Freund ist, wird der Alptraum der Kontrolle perfekt. Ein Abgleich der Online-Zeiten reicht um Verdacht zu schüren und den Partner in Erklärungsnot zu bringen. Manche Triaden kommunizieren sogar verschlüsselt miteinander. Man kann sich über Profilfotos mitteilen, wo man gerade ist und was man tut. So funkt die Ehefrau Kinderbilder und schreibt dazu: "Unser Liebes-Paradies" um der Nebenbuhlerin ihre Grenzen aufzuzeigen. Diese kontert, während sie mit ihm unterwegs ist, mit einem Bikinifoto und dem Status "I'm a sexy bitch". Grausamer geht es kaum.
Auswege aus dem Smartphone-Terror
Leider ist das Geschilderte weder übertrieben noch erfunden. Sich dem Sog des Mediums zu entziehen ist schwierig, das wissen alle, die es erlebt haben. Eine Technik-Diät kann da helfen. Die Partner vereinbaren dabei, sich nur noch positive Nachrichten zu schreiben und strittige Punkte niemals übers Handy zu thematisieren. Sobald es schwierig wird, muss vertagt werden.
Außerdem sollte das Briefgeheimnis auch fürs Handy gelten. Durch Kontrolle erreicht man ohnehin nur das Gegenteil von dem, was man möchte. Im Extremfall müssen Messenger und SMS zumindest zeitweise vom Handy entfernt werden. Vereinbaren Sie besser Sprechzeiten und Diskussionszeiten, zu denen Sie über Partnerschaftsthemen sprechen wollen. "Montags zwischen acht und neun, danach ist Schluss". So unterbricht man den Teufelskreis von "Nicht mehr arbeiten können, weil dauernd das Handy brummt" und "Nicht mehr konzentriert zuhören können, weil man dauernd daran denkt, dass man seine Arbeit nicht geschafft hat". Denn: Es gibt ein Leben ohne WhatsApp und es ist besser. Sicher.
Lesen Sie hier: Fünf Tipps für eine glückliche Beziehung.
So lernen Sie, Ihre Gefühle zu steuern.