In der EMOTION-Sprechstunde am 17.8.2011 konnten sich Leserinnen mit unerfülltem Kinderwunsch einen Nachmittag lang telefonisch Rat von Dr. Vivian Pramataroff-Hamburger zum Thema Partnerschaft holen.
EMOTION: Frau Dr. Pramaroff-Hamburger, in welchen Bereichen wird in dieser Extremsituation die Beziehung belastet?
Vivian Pramataroff-Hamburger: Am Anfang nehmen die meisten Paare den unerfüllten Kinderwunsch noch mit einer gewissen Leichtigkeit. Es ist alles nicht so schlimm. "Wir schaffen es" ist das Motto. Man hat Hoffnung, Humor und vielleicht Glauben. Mit der Zeit wächst der Erfolgsdruck und bereitet Schmerzen. Was ist los mit uns? Wer ist daran Schuld? "Um mich herum ist die pure Explosion von Babies, alle sind schwanger geworden, meine Schwägerin zum zweiten Mal! Und sie will es gar nicht!" Solche Aussagen hören wir oft in der Praxis. Die Paare mit unerfülltem Kinderwunsch machen eine Reise voll Selbsterfahrung, Schmerz und intensiven Gefühlen, die wie ein Karussell zwischen Hoffnung und Enttäuschung kreisen. Nicht selten treten gerade, wenn eine Behandlung in Gang ist, plötzlich unerwartete Schwierigkeiten auf: Alles ist vorbereitet, die Eizelle ist da – rund und proper – und dann bekommt die Frau eine Pilzinfektion oder Migräne und kann nicht. Solche Beschwerden, die den schönen Plan durchkreuzen, können einen wichtigen Sinn haben. Wir könnten das diagnostisch "psychosomatische Beschwerden" nennen; aber wir dürfen das Wichtigste nicht übersehen: die mögliche Ambivalenz, die die Frau noch nicht gelöst hat und die sich auf der körperlichen Ebene darstellt. Ich persönlich erlebe einige Frauen sehr unsicher in ihrem Kinderwunsch. Deshalb halte ich es für wichtig, mit dieser Frage zu beginnen und die unbewussten Zweifel ans Licht zu bringen, damit man sie offen besprechen kann. Was das Zweite betrifft, die Liebe: Da muss man natürlich zunächst fragen, was Liebe eigentlich ist. Wenn wir unter Liebe nur die Romantik verstehen, ist klar, dass in der "Traumhochzeit" kein Kinderwunschzentrum vorkommt. Aber es ist bekanntlich auch Liebe, wenn man – um im Klischee zu bleiben – bereit ist, zusammen durchs Feuer zu gehen. Vielleicht es ist also besser, über die Beziehung zu sprechen und Ängste offen auszutauschen, als einen konfliktfreien Begriff von Liebe zu schützen.
Kann es durch den unerfüllten Kinderwunsch auch zur Trennung kommen?
Natürlich. Jedes Problem in der Partnerschaft, das nicht gelöst werden kann, kann letztlich zu einer Trennung führen. Bei unerfülltem Kinderwunsch ist das Besondere, dass einige Menschen glauben, den Partner zu wechseln löst auch das Problem. Manchmal haben sie auch Recht. Aber nicht immer. Die Heilige Therese von Avila sagt sinngemäß, dass mehr Tränen über die erfüllten Gebete vergossen werden als über die unerfüllten. Es kommt durchaus vor, dass Paare sich auch nach der Geburt des ersehnten Kindes trennen.
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Bei dem Thema denkt man vor allem an die Belastung für die Frau. Wie belastend ist diese Situation für den Mann?
Beide erleben das als belastend. Und oft bleibt der Man etwas am Rande der Versorgung. Er soll funktionieren und zeugen, wenn es von ihm verlangt wird. Männer beklagen sich darüber meist nicht, erleben es aber unbewusst bisweilen doch als Zwang. Auch wenn der Man über keine Pilzerkrankung oder Migräne berichtet, ist es nicht selten, dass er seine Lust verliert. Oder seine Erektion.
Ist ein unerfüllter Kinderwunsch für den Mann genauso belastend wie für die Frau?
Es ist eine große Belastung für beide Partner. Aber Männer stehen in dieser Diskussion immer ein wenig im Abseits. Sie sind die "Erzeuger", müssen funktionieren. Das ist ein ebensolcher Zwang wie für die Frau, endlich schwanger zu werden.
Können Frauen in dieser Situation genug Verständnis für ihren Mann aufbringen?
Nicht, wenn sie nur zielorientiert denken. Ich habe am Anfang die Metapher "Reise" für das Kinderkriegen mit Bedacht verwendet. Auch hier ist – so banal das klingt – der Weg das Ziel.
Was machen viele in dieser Situation falsch?
Glauben, dass man ein Kindum jeden Preis bekommen müsste, dass also alles, was man dafür tun muss, sich lohnt. Man ist dann bereit, jedes gesundheitliche, psychische und finanzielle Opfer zu bringen. Diese totale Bereitschaft zeigt, dass man eigene Grenzen nicht beachtet – körperlich, psychisch und partnerschaftlich. Wie viel können wir wann ertragen?
Was empfehlen Sie Paaren? Wie sollten sich die Partner verhalten?
Ich arbeite mit einzelnen Personen sehr individuell. Jeder hat seine Backstory und die versuche ich mit den Patienten als Grundlage ihres Kinderwunsches zu verstehen. Allgemein kann man aber sagen, dass die Arbeit mit den Paaren in zwei Richtungen geht: Man bemüht sich schon mit den medizinisch relevanten Mitteln, den Kinderwunsch zu erfüllen, aber man soll auch die zweite Option nicht vergessen: 10 Prozent der Menschheit bleibt kinderlos. Wichtig ist, dass man diese Möglichkeit nie ausschließt und mit dem Paar darüber im Gespräch bleibt. Einen Traum aufzugeben und in die Realität zurückzufinden, ist oft ein sehr schmerzhafter Prozess, der seine Zeit braucht.
Wie konnten Sie unseren Leserinnen am Telefon helfen?
Am Telefon kann man keine Diagnosen stellen und keine konkreten Behandlungen vorschlagen. Aber man kann zuhören, sich die Umstände und Hintergründe schildern lassen, kann beraten und aufklären. Für manche Leserinnen mag es von Bedeutung sein, dass sie ihre Fragen hier auch im Schutz der Anonymität loswerden können. Für manche Menschen ist der unerfüllte Kinderwunsch und die damit zusammenhängenden persönlichen Fragen auch ein schamhaft verborgenes Thema. Ich begrüße die Initiative von EMOTION sehr, den psychologischen Aspekten dieses oft nur sehr technisch behandelten Themas Raum zu geben.
Kontakt:
MVZ Dr. Pramataroff-Hamburger
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