Für Ihren Chef sind Sie nur sein "Schätzchen"? Ihr männlicher Kollege verdient mehr Geld? Coach und Bestseller-Autor Martin Wehrle verrät einfache Tricks, wie Sie im Job endlich ernst genommen werden.
emotion: Herr Wehrle, mein Kollege macht die gleiche Arbeit wie ich, bekommt aber ein höheres Gehalt. Ist das nicht unfair?
Martin Wehrle: Es ist unfair und typisch. Die meisten Firmen sind so aufgebaut, dass sie ausschließlich Männer fördern. So eine Unternehmenskultur erkennt man oft daran, dass die Manager damit prahlen, 500 Mails am Tag zu bekommen, bis 21 Uhr zu arbeiten oder mit vier Stunden Schlaf auszukommen. Kurz: Es kommt nicht auf die Leistung an, sondern aufs Wind machen. Und das gehört meist nicht zu den Stärken der Frauen.
Wie mache ich denn Wind?
Sie müssen selbst aktiv werden, für sich kämpfen. Denken Sie niemals: "Ich bringe gute Leistungen, der Chef wird das sehen und es belohnen." Denn das passiert nicht. Meist ebnen Sie übrigens erst dann den Weg für andere Frauen und erwirken Veränderungen, wenn Sie selbst in eine Führungsposition kommen.
Wie kommt das?
Studien zeigen: Bei Beförderungen wird fast immer das eigene Geschlecht bevorzugt. Ein großes Problem ist zusätzlich, dass Männer diese Job-Entscheidungen oft abseits der Dienstwelt treffen, nach Feierabend bei einem Bier. Da sind Frauen meist nicht dabei. Und das ist ein Fehler. Ich rate jeder Frau: Gehen Sie mit in die Bars, netzwerken Sie! Sie müssen nicht mal Alkohol trinken, aber seien Sie dabei!
Und wenn ich dazu keine Lust habe?
Sie müssen sich immer wieder bewusst machen, dass Sie nicht als Privatperson in dem Unternehmen sind. Sie sind dort in Ihrer Rolle als Mitarbeiterin. Und in dieser Rolle müssen Sie agieren.
Auch wenn das bedeutet, dass ich mich vielleicht verstelle?
Ich würde es nicht verstellen nennen, sondern ein Sichten der Spielregeln. Wenn Sie Schach spielen, dann legen Sie ja auch nicht einfach los, sondern lesen sich erst einmal die Regeln durch.
Reagieren Sie auf derselben Ebene
Wie reagiere ich denn, wenn mein Chef mich zum Beispiel immer
"Schätzchen" nennt?
Dann nennen Sie ihn doch "Mäuschen".
Das wäre aber ganz schön frech.
Ja, das ist frech. Aber er wird Sie danach mit Sicherheit nicht noch einmal "Schätzchen" nennen, denn er will ja auch nicht in aller Öffentlichkeit von Ihnen "Mäuschen" genannt werden.
Ist es das, was Sie meinen, wenn Sie sagen: "Wenn ein Hund kläfft,
dürfen Sie ihm keine Lärmschutzverordnung unter die Nase halten."
Richtig. Sie müssen immer auf derselben Ebene reagieren. Wenn jemand Sie mit Humor angreift, schlagen Sie mit Humor zurück. So stellen Sie die Augenhöhe wieder her. Tun Sie es nicht, stehen Sie dem anderen von nun an verbal zur Verfügung.
Aber solche schlagfertigen Erwiderungen müssen einem in dem
Moment ja auch erst einmal einfallen...
Absolut. Spielen Sie die Situation zu Hause mit einer Freundin durch. Üben Sie verschiedene Möglichkeiten. Indem Sie das immer wieder trainieren, werden Sie in der realen Situation entspannter.
Oft hilft nur Abgrenzung
Und was mache ich mit dem netten Kollegen, der meine Multitasking-
Fähigkeiten lobt und seine Arbeit bei mir ablädt?
Dass Frauen im Multitasking besser sind als Männer, ist erstens nicht bewiesen. Zweitens: Ziehen Sie bei diesem Kollegen eine klare Grenze. Sagen Sie: "Mach deine Arbeit bitte selbst!" Oder noch direkter: "Wenn du eine Schrotthalde suchst, wo du deine Arbeit ablegen willst – hier ist sie definitiv nicht." Solche Antworten verschaffen Ihnen Respekt.
Aber ich will doch von meinen Kollegen auch gemocht werden!
Viele Frauen nehmen jede Arbeit an, sind immer für alle da und spielen den Friedensrichter, wenn zwei Kollegen sich zanken. Und diese Frauen sind es auch, die als Erste ins Burn-out fallen. Das kann man verhindern – durch Abgrenzung.
Das heißt, wenn ein Kollege mich "nett" findet, ist das eigentlich
eine Beleidigung, und wenn er mich eine "Zicke" nennt, ein Kompliment?
So kann man es sehen. Wir dürfen nicht vergessen: Dasselbe Verhalten, das man bei einem Mann als Durchsetzungsstärke bezeichnet, wird bei einer Frau als Zickigkeit verleumdet.