Wegen schwerer Knieprobleme konnte Maya Farner sich nie so viel bewegen, wie sie wollte. Dann entdeckte sie den orientalischen Tanz für sich und formte daraus ihren eigenen Stil. Den unterrichtet sie heute.
Entrückt und doch präsent
Ganz in zarten Stoff gehüllt, umrahmt von weichem Licht, entrückt und dennoch präsent: So zeigt sich Maya Farner auf ihrer Homepage. Als ich die Tänzerin in ihrer Zürcher Wohnung besuche, bin ich überrascht: Im Vergleich zu der überwältigenden Bilderwelt, mit der sie im Internet präsent ist, wirkt ihr Arbeitszimmer geradezu nüchtern. Die eine Wand ist ganz mit Büchern bedeckt, die andere mit Spiegeln, schon fast symbolisch für die Welten, in denen sich die 48-Jährige bewegt. Zierlich ist sie, mit grossen dunklen Augen, die einen aufmerksam betrachten. Vor mir steht definitiv keine Traumgestalt, sondern ein waches Gegenüber mit einem klaren Fokus: "Ich möchte Brücken schlagen zwischen den Kulturen, zwischen der inneren und äusseren Welt."
Die Zürcherin wuchs in einem religiösen Elternhaus auf, als Kind spielte sie Handorgel – "obwohl ich es hasste, aber mein Vater liebte es", sagt sie. Heute sei sie froh darüber: "Dank meiner musikalischen Ausbildung verstehe ich die Struktur der Musik. Das unterstützt mich bei der Choreografie und im Unterricht."
Lektion für Lektion zum orientalischen Tanz
Seit acht Jahren hat Maya Farner ihre eigene Tanzschule mitten in Zürich, an vier bis fünf Abenden pro Woche füllt sich das Studio für je zwei Lektionen mit Frauen. Ihre jüngste Schülerin ist 15, die älteste 75. Hier streifen sie ihre Arbeitskleidung ab, binden stattdessen bunte Tücher um die Hüften und geben sich schwungvollem Kreisen hin.
Komplizierte Abläufe teilt die Lehrerin in präzise Happen auf und führt sie in Zeitlupe vor. Was bei ihr in leichten Wellen fliesst, bereitet manchen anfangs Schwierigkeiten: "Diese Art von Bewegungen sind uns westlichen Frauen erst mal fremd. Der Spruch, dass eine Bauchtänzerin auf einer Briefmarke tanzen kann, ist richtig. Die Schritte sind erst später dazugekommen."
Die Bewegung kommt aus der Körpermitte
Dass die Bewegungen beim orientalischen Tanz aus der Körpermitte kommen und man keine Sprünge vollführen muss, weckte vor fast 30 Jahren ihr Interesse an dieser Tanzform. Weil sie unter chronischen Kniebeschwerden litt, blieb ihr eine klassische Ballettausbildung verwehrt, tanzen aber wollte sie unbedingt! In der Schweiz gab es damals noch kaum Lehrer für orientalischen Tanz, deshalb reiste sie mit Anfang 20 oft nach Ägypten und Istanbul.
In der Türkei übte sie auch den Kreistanz der Sufis. Die Begegnung mit dem Trancetanz aus dem Islam führte die Schweizerin weg von der strikten Christlichkeit ihrer Jugend, hin zu einer ganzheitlichen Spiritualität. "Ich war auf der Suche nach einem umfassenderen Verständnis von Religion. Dazu gehört für mich nicht nur das Geistige, sondern auch die Erfahrung über den Körper."
Tanz aus wissenschaftlicher Perspektive
Auf diesem Weg interessierte sie immer auch die wissenschaftliche Perspektive. Zuerst studierte Maya Farner an der Uni Zürich vergleichende Religionswissenschaften, vor zwei Jahren schloss sie den ersten Ausbildungsgang als Master in Tanzkultur an der Uni Bern mit Bestnoten ab. Heute ist sie dort selber Dozentin: "Choreografie-Konzepte im interkulturellen Kontext" nennt sich ihr Modul. Sie erklärt: "Man kann nicht einen Teil aus einer Kultur nehmen, ihn woanders einpflanzen und glauben, alles bliebe gleich."
Aus dieser Erkenntnis hat sie ihren eigenen Stil entwickelt: "Irgendwann genügte mir die klassische orientalische Form nicht mehr, um dem ganzen Spektrum des Frauseins Ausdruck zu geben. Da fehlen zum Beispiel Wut und Wildheit." Aspekte, die in ihrem Tanzstudio Platz haben, neben Orient-, unterrichtet sie auch Trance- und Derwischtanz. Dabei lässt sie sich von ursprünglichen Tanzformen inspirieren: "Im Gnawa-Kult im Maghreb oder beim Zâr-Ritual in Ägypten tanzen die Frauen bei Zeremonien stundenlang in Trance. Daraus entsteht eine grosse Bewegungsvielfalt, die nichts mit Technik zu tun hat."
Märchenhafte Tanzperformance
Auf der Bühne sieht man die Tänzerin fast nur noch in eigenen Projekten. Die märchenhaften Bilder sollten nicht darüber hinwegtäuschen, dass hinter jedem Auftritt ein wohlüberlegtes Konzept steht. Im Juni bringt sie mit der Zürcher Künstlerin Cordula von Martha das Stück "TranceForms" auf die Bühne. Darin setzt sie alte Frauenrituale aus dem Orient in eine zeitgenössische Form um. "Die künstlerische Arbeit ist das Herzstück von allem, was ich tue", sagt sie. "Wenn sich Kulturen gegenseitig bereichern, statt sich zu bekämpfen, dann wird es spannend, weil sich ganz neue Felder öffnen."
Beim Abschied schaue ich noch einmal die unzähligen Bücher an der Wand an: "Wissen in Bewegung", "Frauen, Körper, Tanz", "Meine Seele ist eine Frau". Auf einem breiten Buchrücken bleibt mein Blick hängen. Als Maya Farer es sieht, lächelt sie verlegen. "Das ist ein Philosophiebuch, ich habe es geschenkt bekommen." Sein Titel lautet: "Maya, Wunder des Lebens".
Die Gefühlswelt von Maya Farner
Wo sie am liebsten tanzt: "In der Wüste unterm Sternenhimmel, inmitten vieler Leute an einem Strassenfest, auf der Bühne oder auch alleine in meinem Studio. Der Ort wird sekundär, wenn die Kraft des Tanzes mir Flügel verleiht."
Was für sie Erfüllung ist: "Wenn die äussere Form und die innere Wahrnehmung eins werden, wenn also Körper und Geist verschmelzen, dann ensteht etwas Grösseres."
Was Sie weitergeben möchte: "Die Freude am Tanzen. Dabei entdeckt man neue Bewegungsformen und kann damit die eigenen Ausdrucksmöglichkeiten erweitern."
Mehr Informationen finden Sie unter www.mayafarner.ch.