Kazu Huggler trägt in ihrem Herzen die Schweiz und Japan. Zürich ist ihr Fixpunkt fürs Familienleben. Und in Tokio lässt die Designerin sich von Kultur und Ästhetik inspirieren.
"Wenn ich Halt brauche oder Ruhe, ziehe ich einen Kimono an", sagt Kazu Huggler. Eine halbe Stunde dauert es, wenn sie das Gewand um ihren Körper wickelt und schnürt. Das Ritual erfordert Disziplin und zwingt sie zur Langsamkeit. "Das hat etwas Meditatives", sagt die 43-jährige Modedesignerin. Dass Kazu Huggler oft gestresst ist, sieht man ihr nicht an. Sie wirkt konzentriert und in sich ruhend. Ihre schmale Erscheinung, der Porzellanteint und die leicht mandelförmigen Augen unterstreichen diesen Eindruck noch. Dabei ist die Designerin nur äusserlich eine zarte Person.
Allround-Talent
Das Pensum, das Kazu Huggler bewältigt, ist beeindruckend. Statt einfach Stoffe einzukaufen, lässt sie für Kollektionen ihres Modellabels "Kazu" Stoffe und Muster aufwendig in kleinen Schweizer Manufakturen herstellen. Oft steht sie selbst in ihrem Laden in Zürich und berät die Kundinnen, viele der Kleider sind Massarbeit. In Tokio, wo sie große Erfolge feiert, betreut sie seit 2011 noch ein Charity-Projekt für Tsunami-Opfer. Und nicht zuletzt ist sie Mutter von einem drei und einem sechs Jahre alten Buben.
Das Vereinen von Ursprüngen
Ihr Name Kazu Huggler steht symbolisch für die zwei Welten, in denen sie lebt. Kazu ist japanisch wie ihre Mutter, Huggler schweizerisch wie ihr Vater. Zwischen diesen Kulturen pendelt sie hin und her. Wer den Atelier-Laden betritt, taucht in eine sinnliche Welt der Farben, Formen und Materialien ein. Seidenkleider, Stoffrollen, bedruckte Schals und Kissen, aber auch Schmuck aus Silber, kleine Figuren und Gefässe sind zu einer asiatisch angehauchten Gesamtkomposition vereint. Kazu Huggler entwirft nicht einfach nur schöne Kleider, sondern Mode, die durch die Kimonokultur beeinflusst ist. "Ich wollte einen Weg finden, das japanische Erbe meiner Mutter und die Wurzeln meines Vaters zu vereinen", sagt sie.
"Ich liebe das Rattern der Nähmaschinen"
Sie greift zu einem Seidenkleid, das zart cremefarben schimmert und mit einem grünen Bambusmuster bedruckt ist. Exemplarisch zeigt es, wie die Designerin arbeitet. Alle ihre Schnitte sind grundsätzlich schlicht, Form bekommen ihre Kleider durch den Fall des Stoffes oder durch die vom Kimono inspirierte Wickeltechnik. Im Zentrum stehen ganz klar die Muster, wie hier der Bambus, der in Japan für ein langes, glückliches Leben und für Reinheit steht. Im Hintergrund des Atelier-Ladens rattern die Nähmaschinen. "Ich liebe dieses Geräusch", erzählt Kazu Huggler. Es zeugt von Couture und Massarbeit.
Geprägt von zwei Kulturen
Auch sie wollte am Anfang in Indien produzieren. Musste dann aber schnell feststellen, dass sie mit der Qualität und den Bedingungen für die Arbeiter nicht leben konnte. In der Branche müsse man heute radikal sein in seinen Entscheidungen, sagt sie. Sie entschied sich für Couture. "Masse konnte ich nicht verantworten."
Gefeiert von der Presse
Von klein auf wird Kazu Huggler von zwei Kulturen geprägt. Bis zu ihrem elften Lebensjahr lebt sie mit den Eltern und den zwei Schwestern in Tokio, die Mutter will, dass sie Japanisch lernen. Dann zieht die Familie nach Zürich. Nach dem Gymnasium studiert Kazu Huggler japanische Kunstgeschichte und Ästhetik an der Keio Universität in Tokio. Sie kehrt zurück nach Zürich und arbeitet zwei Jahre lang beim Seidenfabrikanten Fabric Frontline. Doch das reicht ihr nicht, sie absolviert noch das Basisjahr an der Schule für Gestaltung und geht nach London, an das renommierte Central Saint Martins College of Art and Design. Nebenbei arbeitet sie als persönliche Assistentin für Vivienne Westwood - "eine beeindruckende Frau", sagt sie. Doch als Modedesignerin kann sie sich hier nicht verwirklichen. 2002 schliesst sie das Studium ab und gründet in Zürich ihr eigenes Label. Die Presse feiert ihre zeitlosen Kollektionen, die Kundinnen lieben sie.
Privates und Geschäftliches vereinen - nicht immer leicht
Immer wieder zieht es sie nach Japan. Im Oktober 2012 stellte das Nezu-Museum in Tokio
ihre Mode aus. Und mit der japanischen Künstlerin Fuyuko Matsui kreiert sie eine limitierte Kollektion, die sie diesen März in der Galerie Naruyama in Tokio zeigte. Während ihre Mode stark unter dem Einfluss der japanischen Kultur steht, ist ihr Privatleben in Zürich ganz schweizerisch. Den Wohnort haben sie und ih Mann Marc, der als Luxus-Caterer arbeitet, bewusst gewählt. Ein Familienleben sei hier viel entspannter, in Japan stünden die Kinder unter enormem Leistungsdruck. Zu Hause wird Schweizerdeutsch gesprochen, und um den Kindern doch etwas japanische Kultur zu vermitteln, sind sie jeden Abend Gutenachtlieder auf Japanisch. Sushi esse sie hier selten. Kazus Mann kocht für die Familie, frisch und mit hiesigen Produkten.
Seine Unterstützung schätzt sie sehr. Er macht ihre Buchhaltung und betreut die Kinder, wenn sie zwischen Ost und West pendelt. Sie hat sich damit arrangiert, dass es viel Energie kostet, die beiden Welten zu vereinbaren. Und wenn alles zu hektisch wird, konzentriert sie sich auf das Schnüren eines Kimonos.