Elvira Borbély und Virginia Maissen haben sich mit ihrer Agentur Gustave in die Selbstständigkeit gewagt. Ihr Mut wurde belohnt: Heute arbeiten sie für namhafte Unternehmen in der Schweiz und im Ausland.
Auf den Tischen stapeln sich Modezeitschriften, an den Wänden hängen Fotos, Kunst und Moodboards. Rund um den Sitzungstisch stehen rote Vintage-Stühle. Mittendrin hantiert Elvira Borbély, 38, eine Frau mit langer Lockenmähne, an der Kaffeemaschine und stellt Brötchen auf den Tisch. "Damit wir nicht verhungern", sagt sie. Kurz darauf kommt Virginia Maissen, 49, hereingestürmt. Sie ist etwas zu spät und sagt: "Sorry, heute Morgen ist alles drunter und drüber gegangen." In ihrer Zürcher Agentur Gustave or ganisieren die beiden Frauen Events und Modeproduktionen für Zeitschriften. Für Schweizer und internationale Kunden aus dem Bereich Fashion und Interior-Design erarbeiteten sie Konzepte. Kolleginnen waren sie schon vor der Gründung ihrer Agentur im Jahr 2009.
Das Gefühl von Zeitgeist
Beide arbeiteten als Moderedaktorinnen bei der Schweizer Frauenzeitschrift "Annabelle". Zusammen realisierten sie aufwendige Modeproduktionen. "Wir haben wahnsinnig gerne zusammengearbeitet", sagt Virginia Maissen. So war es irgendwann naheliegend, den Schritt in die Unabhängigkeit gemeinsam zu wagen. Als Selbstständige wollten sie aber nicht einfach nur Modeproduktionen anbieten, sondern große Brands und Designer beraten und ihnen maßgeschneiderte Konzepte erstellen. Eine Kunst, für die man ein Gefühl für den Zeitgeist braucht. Um Trends zu erspüren, reisen sie nach Paris, Mailand und New York, treffen sich dort mit Modedesignern, Künstlern und Fotografen.
Mut und Kreativität
Es war mutig, sich für die Selbstständigkeit zu entscheiden. Virginia Maissen war zu dem Zeitpunkt Mutter von zwei Buben, Elvira Borbély hochschwanger. Doch Zukunftsängste habe sie nie gehabt. "Vielleicht haben wir ein gutes Verdränger-Gen." Ihr Kundenportfolio kann sich heute sehen lassen. So gestalteten sie die Bar im Hof des Zürcher Restaurants "Kaufleuten" neu. Zusammen mit dem Künstler Alexis Saile setzten sie die Re-Edition des berühmten Schweizer Abfalleimers "Ochsner-Kübel" in Szene.
Das Denken umwerfen
Zurzeit arbeiten die Freundinnen an einem Grossprojekt für eine Kaffee-Bar im Zürcher Hauptbahnhof, die 2014 er öffnet wird. Ihre kleine Agentur hat den Wettbewerb gegen große Interior-Büros gewonnen. Ausschlaggebend dafür war ihr Mut, auch Ungewöhnliches auszuprobieren. "Zwar haben wir am Anfang die aktuellen Trends studiert und ein herkömmliches Konzept erarbeitet", erzählen sie. Aber als sie fertig waren, merkten sie: So geht es nicht. Also warfen sie alles noch einmal um und fingen von vorn an. "Wir haben uns in klassisches Design, Kunst und Grafik vertieft, und auf einmal sind die Ideen geflossen", erzählen sie. Drei Monate haben sie für den Entwurf gebraucht. Jetzt spielt bei der neuen Kaffee-Bar die Formensprache des Kubismus eine Rolle. Und an der Wand hängt das Bild eines No-Name-Künstlers: eine einfache, schwarze Kohlezeichnung. Sie haben sie auf dem Flohmarkt entdeckt. Dieser unbeschwerte Ansatz hat ihren Auftraggeber überzeugt. Und so wird alles in der Kaffee-Bar Virginia Maissens und Elvira Borbélys Handschrift tragen: von der gekachelten Bar bis zum Pappbecher.
Schöpferkraft der Eigenwilligkeit
Beide sehen in der Leidenschaft für ihre Arbeit die Ursache ihres Erfolgs. "Es gibt keinen Tag, an dem ich mich nicht auf die Agentur freue", sagt Elvira. Trotzdem ist es nicht immer leicht, Job und Familie unter einen Hut zu bringen. Es braucht viel Organisation, damit die Kinder von 3, 9 und 19 Jahren nicht zu kurz kommen. Hobbys seien kein Thema, sagt Virginia, und Elvira ergänzt lachend: "Gusti ist mein zweites Kind." Erfolgsfaktor Nummer zwei ist ihr Teamwork. Mal übernimmt die eine die Führung, mal die andere. Elvira Borbély sagt, ihre Kollegin denke analytischer als sie. Und Virginia Maissen hält ihre Part nerin für spontaner. Sie müssen sich nicht um Harmonie bemühen, dafür kennen sie sich schon zu lang. Jede sagt ihre Meinung, auch wenn sie weiss, dass die Partnerin anders denkt. Doch genau das ist für ihre Arbeit wichtig. So entsteht aus zwei Ideen oft eine noch bessere.