Prof. Dr. Mechthild-Neises beriet in der EMOTION-Sprechstunde am 31.8. Frauen, bei denen der Kinderwunsch ihr Leben dominiert. Sie zeigte ihnen, wie sie aus dieser Spirale wieder herauskommen können.
EMOTION: Frau Prof. Dr. Mechthild Neises, was waren die Fragen der Anruferinnen?
Mechthild Neises: Im Vordergrund stand vor allem: Wie vermeide ich sozialen Rückzug? Wie sehr belastet die Situation meine Partnerschaft? Ebenso fragen sich die Frauen, wem sie ihr Problem anvertrauen können und wollen. Sie sind auf der Suche nach Gesprächspartnern, die Ähnliches durchmachen. Mein Tipp: Man kann sie in IVF-Zentren oder in Selbsthilfegruppen finden und natürlich Frauen im Freundeskreis.
Was raten Sie Betroffenen noch?
Sie müssen sich selbst fragen: Wie nehme ich meine Belastung wahr? Wie kann ich sie ausgleichen? Das kann auf der physischen und der psychischen Ebene gelingen. Körperlich hilft autogenes Training, Yoga oder Entspannungsverfahren nach Jacobson. Auf der psychischen Ebene ist es wichtig, sich in Gesprächen mit nahestehenden Freunden oder dem Partner zu öffnen. Oder sich durch eine Beratung und Psychotherapie helfen zu lassen.
Welche Frauen wenden sich an Sie? Haben sie Gemeinsamkeiten?
Sie haben beruflich alles erreicht, befinden sich in einer festen Partnerschaft, haben oft ein Haus gebaut – letztendlich fehlt ihnen "nur noch" das Kind zum Glück. Die Frauen sind an einem kritischen Lebenspunkt angekommen. Für sie ist es schwer anzunehmen, dass sie das Problem der Kinderlosigkeit nicht, wie bisher die meisten ihrer Probleme, mit Einsatz, Logik und weiteren Fähigkeiten lösen können.
Was machen Betroffene häufig falsch?
Es darf in diesem Zusammenhang nicht von Fehlern gesprochen werden. Denn die betroffenen Frauen werfen sich in dieser schwierigen Zeit oft schon selbst vor, dass sie nicht richtig handeln. Sie können den Prozess nicht beschleunigen, sondern nur ausgiebig reflektieren. Sie sollten sich also Zeit zum Nachdenken nehmen und offen mit Menschen reden, die ihnen nahe stehen.
Wie belastend ist diese Situation?
Wenn der Kinderwunsch so einen hohen Stellenwert bekommt, verliert für die Betroffenen alles andere im Leben an Bedeutung. An dieser Stelle lässt sich kein Schalter umlegen, man muss den mühsamen Weg der Behandlung gehen. Am Ende denkt man vielleicht an Adoption oder akzeptiert, dass die Partnerschaft auch ohne Kind gut läuft. Solch eine Antwort zu finden, dauert jedoch oft mehrere Jahre.
Wie kann man seine Balance wiederfinden?
Wichtig ist, auf der körperlichen Ebene einen Ausgleich zu finden und zugleich mit vertrauten Menschen Gespräche zu führen. Betroffene Frauen müssen darauf achten, dass sie auch beruflich ihre Ausgeglichenheit und Professionalität bewahren. Wer im Job viel mit Kindern und schwangeren Frauen zu tun hat, muss das ertragen können. Schafft man das nicht aus eigener Kraft, sollte ärztliche Hilfe in Anspruch genommen werden.
Ist es denn möglich, dass man es aus eigener Kraft schafft?
Das hängt von verschiedenen Faktoren ab. Es kommt darauf an, wie leicht es den Betroffenen fällt, sich zu öffnen und wie Freunde damit umgehen können. Es kann sein, dass Freunden, die das Problem nie hatten, das Verständnis fehlt. Sie liefern häufig Beschwichtigungen, die Paare gerade in dieser Situation nicht hören wollen. In so einem Fall ist eine psychologische Beratung durch einen Arzt oder entsprechende Beratungszentren sehr empfehlenswert.
Kontakt:
Mechthild Neises
Lemierser Berg 119
52074 Aachen
0241 17 33 79
neises.mechthild@t-online.de
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