Doch oft fühlt sich unsere Kolumnistin, als würde sie Solo-Pingpong spielen. Eine Abrechnung mit langweiligen Anruferinnen, öden Partygästen - und der eigenen Rolle als Alleinunterhalterin.
Eine der besten Errungenschaften moderner Technik ist für mich das Display auf meinem Telefon, das die Nummern der Anrufer anzeigt. Weil ich auf bestimmte Nummern manchmal absolut keine Lust habe. Auf eine ganz bestimmte Freundin etwa, die sofort, wenn ich mich gemeldet habe, sagt: "Na, was macht das Leben? Erzähl bitte was Spannendes, mir ist grad so langweilig!" Selbst wenn ich eine heiße Nacht mit George Clooney verbracht oder mein Mann meine 21-jährige Nachbarin mit Drillingen geschwängert hätte, nach so einer Forderung mache ich dicht, weil ich es hasse, wenn mich Leute anrufen, weil sie sich langweilen.
Ich bin kein Zeitvertreib-Radio
"Nichts Besonderes", murmele ich dann, "und selbst?" Wenn ich gerade fies drauf bin, lasse ich vielleicht einen Satz fallen wie: "Ich überlege, in ein Wellnesshotel nach Thailand zu fliegen, hab gerade einen unerwarteten Geldsegen auf meinem Konto entdeckt", weil ich genau weiß: Das meint meine Freundin nicht mit spannend. Mir geht's ja genauso. Man will sich mitten im Winter, den Briefkasten voller Rechnungen, niemanden vorstellen, dem es in einem Wellnesshotel gerade so viel besser geht. Also legen meine Freundin und ich schnell wieder auf, beide vage unbefriedigt. Bin ich zickig? Ja, ein bisschen, aber vor allem bin ich kein Radio, von dem man sich beplätschern lässt. Wer von mir unterhalten werden will, der muss sich auch mal revanchieren. Ein gutes Gespräch ist wie Tischtennis, bei dem beide gleich gute Spieler sind. Und wer kennt sie nicht, die Spiele, bei denen man selbst mit Schwung die Bälle übers Netz schmettert, während unser Partner einen nach dem anderen versemmelt.
Ich fühle mich unwohl, wenn Tischrunden ins Kollektivkoma fallen
Langweilige, einseitige Gespräche sind genauso eine Lebenszeitvergeudung wie schlechter Sex. Leider gehöre ich zu den Frauen, die immer das Gefühl haben, sie müssten für gute Stimmung sorgen. Ich finde, als Gast ist man es dem Gastgeber schuldig, sich angeregt mit den anderen Gästen zu unterhalten, egal wie schnarchöde sie auch sind. Wenn mein Mann sich irgendwo langweilt, holt er sich ein Bier und steht stumm und beleidigt in der Ecke. Ich dagegen krame dann in einer Runde von Unbekannten meine Uralt-Brüller wieder heraus: Wie ich nackt eine Sauna in Schweden betrat, wo alle einen Badeanzug anhatten ...Wie ich in der ersten Nacht schwer beeindruckt "Die Entdeckung der Langsamkeit" auf seinem Nachttisch entdeckte und irgendwann merkte, dass er seit Jahren auf Seite 16 war …
Mein Mann sagt dann gern: "Das hast du doch beim letzten Mal ganz anders erzählt." Er kennt es eben nicht, dieses Unwohlsein, wenn ein Gespräch zähflüssig wird und stockt, wenn Tischrunden ins Kollektivkoma fallen, weil sie aus lauter Leuten bestehen, die ihre lustigen, traurigen, spannenden Geschichten lieber für sich behalten, als Fremde damit zu behelligen.
Erzählt einfach die interessanten Dinge!
Warum so maulfaul? Das Leben wäre viel interessanter, wenn wir immer so wären wie beim allerersten Date – voller Neugier und Mitteilungsdrang. Tipp: lieber von der Ratte unter der Motorhaube erzählen, die beim Motoranlassen explodierte (wahre Geschichte!) als vom Lottogewinn. Jeder guckt dabei gern auf sein kleines Leben und denkt insgeheim: Es hätte wirklich schlimmer kommen können!
Evelyn Holst hält Ausschau. Hinter dem Fenster ihrer Hamburger Wohnung. Und natürlich vor der Haustür. Immer wieder stellt sie fest: Es gibt keinen Grund zum Jammern. Es sei denn …