Eins ist mal klar: Ein Macho wäre unserer Kolumnistin Evelyn Holst nie ins Haus gekommen. Jetzt stellt sie fest, dass AUS ihrem Haus ein echter Macho kommt: ihr Sohn.
"Ich bin immer so glücklich, wenn mein Großer mal wieder zu Hause ist", sagt meine Freundin, "da verwöhn ich ihn doch gern ein bisschen!" Sie bittet mich, bei unserem Frühstück leise zu reden, damit ihr Sohn nicht aufwacht. Meine Nachbarin freut sich jeden Sonntag auf den Plumps, mit dem ihr 30-jähriger Sohn seinen schweren Wäschesack vor ihre Waschmaschine fallen lässt. Meist hat er drei Ladungen mitgebracht, die Zeit reicht also für sein dreigängiges Lieblingsmenü aus Hochzeitssuppe, Wiener Schnitzel und Apfelstrudel. "Diesmal mit bügeln?", fragt er dann und natürlich nickt sie. Sie bügelt gern für ihren Sohn.
"Das kann man von einem emanzipierten Mann erwarten"
Warum ich das erzähle? Was ist so interessant an einer Mutter, die gern für ihren Sohn bügelt? Nur eine Kleinigkeit, unabhängig von der Tatsache, dass dieser Sohn erwachsen und somit eigentlich längst bügelfähig sein sollte. Interessant finde ich, dass diese Mutter als Ehefrau sehr viel strengere Maßstäbe anlegt: Die Hemden ihres Mannes muss dieser nämlich selbst bügeln. "Wir sind beide berufstätig", sagt meine Nachbarin, "deshalb wird die Hausarbeit 50:50 geteilt. Das kann man doch heutzutage von einem emanzipierten Mann erwarten." Absolut.
Liebe ist wichtiger als Disziplin?
Auch von meinem Mann erwarte ich, dass er weiß, wo im Keller die Mülltonnen stehen und wie man die Geschirrspülmaschine bedient. Gleichzeitig gestehe ich, dass mein 21-jähriger Sohn, bei dessen Erziehung ich glaubte, mir alle Mühe gegeben zu haben, trotzdem in fast allen Fragen des Haushalts ein Analphabet ist. Weil ich - wie viele Mütter - der Ansicht war, dass Liebe wichtiger sei als Strenge und Disziplin. Lieben ist leicht. Der Rest ist schwer, zum Beispiel, Konsequenz zu zeigen. Da habe ich bei meinem Kronprinzen komplett versagt. Ich habe ihn, weil er so klein und extrem niedlich war, viel zu lange in Watte gepackt, ihm jeden Wunsch von den Augen abgelesen. Wenn sich seine warmen Ärmchen um meinen Hals schlangen und seine heisere Kleine-Jungen-Stimme in mein Ohr flüsterte: "Ich hab dich so lieb, Mamilein", dann war ich macht- und wehrlos.
Kratzige Kaschmirpullover
Als ich meinen Mann kennenlernte, war er weder klein noch niedlich, er hatte ein Stoppelkinn und Schuhgröße 43, er brauchte keine Mami, deshalb bügelte ich seine Hemden nur in Ausnahmefällen. Und überließ die schweren Getränkekisten im Auto ihm, weil er zum Glück mehr Muckis hat als ich. Und so ist, was seine Beteiligung im Haushalt angeht, zwar noch deutlich Luft nach oben, aber er weiß immerhin, dass Kaschmirpullover nicht kuscheliger, sondern kratziger werden, wenn man sie durchs Kochprogramm schleudert. Er kann sogar kochen, auch wenn die Küche danach wie Sau aussieht.
Eigentlich bin ich für Gleichberechtigung...
Mein Sohn dagegen? Liegt gern auf dem Sofa und ruft nach seiner Mama. Ich habe versagt. Seine zukünftigen Exfrauen werden mich verfluchen, weil ich ihnen dieses dicke Macho-Ei ins Nest gelegt habe. Ausgerechnet eine Mutter, für die Gleichberechtigung - besonders in der Ehe - eine Selbstverständlichkeit ist. Wie konnte das passieren? Frausein und Muttersein sind offensichtlich zwei verschiedene Dinge. Mein Sohn ist jetzt erwachsen (?), für Strenge und Disziplin ist es zu spät. Aber wenn ich ihn mir so anschaue ... Ach, es hätte schlimmer kommen können.
Evelyn Holst ist Expertin für Klartext. Und für Humor (hat viel davon), Familie (hat selbst eine) und Frauen (ist ja eine). Ihr Lebensmotto: Es gibt keinen Grund zum Jammern. Es sei denn...