Auf ihre Freundinnen lässt unsere Kolumnistin normalerweise nichts kommen. Aber irgendwie findet sie die Hingabe, mit der Britta auf den Hund gekommen ist, alles andere als normal.
Er heißt Woody und ist kastriert. Ob die Tatsache, dass er überall hinpinkelt, ein Fehler seines Arztes ist oder einfach nur Woodys schwache Blase, weiß meine Freundin Britta nicht. Sie liebt ihn trotzdem über alles. Redet von nichts anderem, zeigt ständig neue Fotos und Kurzvideos auf ihrem Smartphone. "Mein spätes Glück" nennt sie ihn.
Sein Name ist Woody und er ist ein Shih-Tzu-Rüde
Das späte Glück meiner Freundin Britta ist ein Shih-Tzu-Rüde, besser gesagt Rüdelein, denn er ist nur fünf Kilo schwer und nicht ganz so lang wie ein Lineal. Er hat so viel Fell, wie ich gern Haare hätte, deswegen muss er permanent ausgebürstet werden. Was meine Freundin mit Hingabe macht. Sie sagt: "Ich bin einfach schockverliebt."
Die spät entdeckte, dafür umso heftigere Liebe zum kleinen Hund, ist ein Phänomen, das ich bei Freunden gerade etwas verwundert beobachte. Nicht dass ich etwas gegen Haustiere hätte, ganz im Gegenteil. Als meine Kinder noch klein waren, wäre auch ich fast auf den Hund gekommen. Wenn ich nicht genau gewusst hätte, dass sämtliches Gassigehen, dreimal täglich, an mir kleben geblieben wäre, hätte ich jetzt auch einen.
Kaum sind die Kinder aus dem Haus...
Aber, und das ist der Unterschied – ich hätte ihn wie einen Hund behandelt, nicht wie ein Fellbaby. Das heißt, er hätte im Körbchen geschlafen, nicht in meinem Bett. Aber irgendwie mag Britta Woody keinen Korb geben. "Er schläft am Fußende, und wenn mein Mann nicht da ist, auf seiner Seite", hat sie mir kürzlich gestanden, "sooo gemütlich!"
So seltsam es ist, es scheint ein Trend zu sein: Kaum sind die Kinder aus dem Haus, wird ein Hund, sorry, ein Hündchen angeschafft. Man könnte jetzt reisen, unternehmungslustig sein, aber nein, da ist ja Rambo. So heißt der kleine Yorkshire Terrier meiner Nachbarin Gaby, und Rambo ist noch nicht stubenrein.
Statt frecher Teenies einen Wuschel-Hund
Als meine Kinder noch klein waren, fand Britta manchmal: "Dieses Angebundensein würde mich verrückt machen." Zum Beispiel, wenn ich doch nicht ins Kino konnte, weil mal wieder jemand kränkelte. Kürzlich sagte sie ein lang geplantes Wellnesswochenende ab, weil Woody eine Zahnfleischentzündung hatte. Als ich vorschlug, auch ihr Mann könne doch die spezielle Kräutertinktur auf Woodys Zahnfleisch pinseln, rief sie entsetzt: "Spinnst du?"
Ich finde das ja, nun ja, überbesorgt. Ich glaube, so war ich nicht mal mit meinen Kindern. Sollte mein Versorgungs- und Kuschelbedürfnis stärker geschrumpft sein als bei meinen Freunden?
Bei manchen lässt das offensichtlich nie nach. Oder sie haben als hartgesottene Singles, denen früher jede Zimmerpflanze vertrocknete, ein Nachholbedürfnis an Hege und Pflege und holen sich nun etwas möglichst Winziges, Liebebedürftiges ins Haus. Statt frecher Teenies einen Wuschel, der schwanzwedelnd an der Haustür wartet. Das macht natürlich ein weiches Herz – weshalb es mir auch ein Rätsel ist, dass Britta ihren Hundeführerschein geschafft hat. Denn auch wenn sie 45 985-mal: "Kommst du wohl her?" ruft, denkt Woody gar nicht daran. Das erinnert mich an die Pubertät meiner Kinder.
Es hätte schlimmer kommen können
Habe ich kein Herz für Tiere? Doch. Aber offenbar weniger für Herrchen und Frauchen, die sie wie Babys verhätscheln. Ich weiß, ich schlittere mit meiner Kritik auf ganz dünnem Eis. Denn, mal ehrlich: Es hätte schlimmer kommen können.

Evelyn Holst ist Expertin für Klartext. Und für Humor (hat viel davon), Familie (hat selbst eine) und Frauen (ist ja eine). Ihr Lebensmotto: Es gibt keinen Grund zum Jammern. Es sei denn...