Erst fand unsere Kolumnistin den Rat einer Freundin, genau das zu tun, irritierend esoterisch. Aber seit sie zur Ja-Sagerin geworden ist, hat sie ein neues Talent: die Komik in Katastrophen zu entdecken.
"Ich hätte gern ein dunkles Brot mit sehr großen Löchern, nein, das ist noch zu hell, zeigen Sie mir bitte noch mal das andere, nein, das ist es auch nicht, die Löcher sind zu klein, vielleicht das da hinten ..." – die Schlange, die sich am Wochenende beim Bäcker hinter einer älteren Frau bildete, wurde immer länger und ungeduldiger.
Ich fühle mich gerade wie in einem Sketch von Loriot
Ich stand direkt hinter ihr und seufzte leise. "Ich weiß, dass ich alle aufhalte", flüsterte die Frau mir zu, "aber meine Freundin ist so enttäuscht, wenn ich nicht das richtige Brot mitbringe." Ich zwang mich zu einem freundlichen: "Lassen Sie sich ruhig Zeit." Sie bestellte zwei Scheiben, dünn geschnitten und sagte resigniert: "Ist sowieso das falsche Brot." Wir sahen uns an. "Ich fühle mich gerade wie in einem Sketch von Loriot", sagte ich. "Stimmt", nickte sie mit einem Lächeln. Situation gerettet.
Fettnäpfchen oder Desaster?
Unser Leben ist gespickt mit Alltagsärger, kleinen Nervereien, mittleren Katastrophen. Selbst verschuldete, wie die leere Autobatterie, weil man das Licht angelassen hat. Oder die Mail, in der man einer Freundin in allen Einzelheiten von der wundervollen gesundheitsfördernden Wirkung einer Darmspülung vorschwärmt und sie an ALLE schickt. Und natürlich gibt es die fremdverschuldeten Desaster, wie ein zerbeulter Kotflügel, dessen Verursacher fröhlich Fahrerflucht begeht. Oder die neue, junge Kollegin, die schamlos mit dem Chef flirtet und die besten Projekte abgreift. Die Liste ist endlos.
Der Stresspegel, der in den Himmel schießt
Wie reagieren wir? Normalerweise mit einem Stresspegel, der in den Himmel schießt. Mit Fluchen, Tränen, Herzinfarkten, weil sich alles, was schiefläuft, leider viel intensiver und länger in unsere mentale Festplatte einbrennt als das Normale und Schöne.
Es geht auch anders, sagt eine befreundete Psychologin: "Beobachte, was in dir vorgeht, hol tief Luft und sag Ja zur Irritation", rät sie. "Verdräng sie nicht, nimm sie an. Nur so können sich negative Emotionen ausbreiten und dann ihr natürliches Ende finden."
Klingt sehr esoterisch, ist aber unerwartet alltagstauglich. Ich frage mich jetzt nämlich zweierlei, wenn etwas Negatives passiert. Erstens: Geht gerade die Welt unter? Meistens nein. Und zweitens: Ist das Ganze nicht auch komisch? Eine lustige Geschichte für die Ewigkeit?
Am Ende ist immer alles eine Frage der Perspektive
Meine Freundin, die einmal nachts in ihrem Ferienhaus aufwachte, weil's rauschte und sie dann knietief im Wasser stand, weil ein Wasserrohr geplatzt war, begrüßte im nassen Nachthemd zwölf Feuerwehrleute. Wenn sie daran denkt, lacht sie über sich selbst am lautesten. Und meine 83jährige Mutter empfing mich kürzlich im Krankenhaus mit den Worten: "Entweder ich drehe durch oder ich kriege gleich einen hysterischen Lachanfall." Sie war dort, um sich von ihrem Schlaganfall zu erholen und durfte plötzlich ihr Zimmer nicht mehr verlassen – Norovirus!
Am Ende ist immer alles eine Frage der Perspektive. Und des Humors. Und der Einsicht: Es hätte schlimmer kommen können.
Evelyn Holst ist Expertin für Klartext. Und für Humor (hat viel davon), Familie (hat selbst eine) und Frauen (ist ja eine). Ihr Lebensmotto: Es gibt keinen Grund zum Jammern. Es sei denn...