In Großzügigkeit ist unsere Kolumnistin ganz groß. Blöd nur, wenn die von ihr Bedachten gar keine Lust darauf haben. Denn Nehmen macht manchmal echt weniger Spaß als Geben.
Meine Freundin hat sich kürzlich geärgert, weil der Obdachlose, dem sie einen Kaffeebecher statt Geld in die Hand drückte, sich nicht bedankt, sondern: "Eigentlich trinke ich lieber Bier" gemurmelt hat. Und als die Tochter einer anderen Freundin, der ich zu klein gewordene Klamotten meiner Tochter brachte, sich diese wortlos schnappte, dachte ich: So eine undankbare Kröte! "Es ist ihr peinlich, eure alte Sachen aufzutragen", erklärte die Mutter. "Das kann sie nur, wenn das keiner weiß."
Großzügig, um sich toll zu fühlen
Geben ist seliger als Nehmen. Stimmt. Aber das Thema ist kompliziert. Denn ist wirklich jedes Geben seliger? Tut man es nicht oft, weil man sich dann selbst so großzügig und toll fühlt? Oder weil man seinen ausrangierten Krempel lieber weiterreicht, statt ihn auf dem Flohmarkt nicht loszuwerden und dann wegzuschmeißen? Jahrelang habe ich meine Altkleider für Afrika gespendet und mich super gefühlt, bis mir jemand erklärte,dass die deutsche Spendenflut den dortigen Textilmarkt ruiniert. Und ich erfuhr, dass der arme, kranke, alte Mann vor meiner Haustür, der für einen Euro selbst gemachte Gedichte verkauft, nach Feierabend als gesunder Rentner in seine gemütliche Zweizimmerwohnung geht.
Trotzdem: Geben sollte unsere Grundhaltung sein. Nichts ist peinicher,als ein Mitmensch, der bei einer Rechnung von 19,80 Euro dem Kellner mit einem: "Stimmt so",einenZwanziger überreicht. Geiz ist nicht geil, Geiz ist schrecklich. MeinTipp – im Hotel, im Krankenhaus, auf einer Kreuzfahrt immer gleich am erstenTag ein üppiges Trinkgeld überreichen. Man hat viel mehr davon.
Was ist besser: Geben oder Nehmen
Früher galt es in meinem politisch linken Freundeskreis als "koonialistisch", einePutzfrau zu beschäftigen. Eine Fremde ausbeuterisch den eigenen Dreck wegmachen zu lassen, unterste Schublade!Ich war die Einzige, die dachte:Wem nütze ich damit, wenn ich mein Klo selbst putze? Jetzt habe ich Olga, die mein Klo putzt, und die ich gut dafür bezahle. Und die nicht beleidigt ist,wenn ich ihr zu klein gewordene Sachen aufs Bügelbrett lege. Ich schenke gern, sie freut sich, so soll es sein. Ich warte noch immer darauf, endlich vom Gebenden zum Nehmenden zu werden, seufzte ein Freund, der nach wie vor Miete und Krankenversicherung für seine erwachsenen Kinder zahlt. Auch für meine Kinder, 27 und 22, bin ich noch immer die beste Mutter der Welt, soll heißen, das gut gelaunte Portemonnaie auf zwei Beinen. Was mich nur manchmal nervt. Kürzlich unterhielt ich mich mit einer Verkäuferin von "Hinz & Kunzt", der Hamburger Obdachlosenzeitung. Eine Eppendorfer Gattin kam vorbei und drückte mir mit den Worten: "Zeitschrift brauch ich nicht", ein Zwei-Euro-Stück in die Hand. Okay,ich war gerade nicht super gestylt, aber ich fühlte mich so beschämt, als wenn sie mich angespuckt hätte. "Danke", sagte ich und reichte das Geld weiter. Es hätte schlimmer kommen können.
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Evelyn Holst ist Expertin für Klartext. Und für Humor (hat viel davon), Familie (hat selbst eine) und Frauen (ist ja eine). Ihr Lebensmotto: Es gibt keinen Grund zum Jammern. Es sei denn...