Franziska Müller, 24, ist eine von nur vier Containerbrückenfahrerinnen im Hamburger Hafen. Ihr Werdegang beweist: als Frau kann man es auch in einer "männlichen" Branche weit bringen.
EMOTION: Frau Müller, Sie arbeiten in einer von Männern dominierten Branche. Ihr Job ist das Be- und Entladen von Containerschiffen im Hamburger Hafen – ein ungewöhnlicher Job für eine junge Frau, oder?
Franziska Müller: Der Hafen gehört für mich zur Familie! Ich bin da förmlich reingewachsen. Mein Großvater belud Schiffe, mein Vater und mein Bruder tun es ebenfalls. Für mich war früh klar, dass ich auch im Hafen arbeiten möchte.
Sie sitzen oben in der Kanzel eines Ladekrans und manövrieren von da aus die Container. Wie muss man sich das genau vorstellen?
Ich sitze entweder oben und bediene den Kran – die „Katze“, wie wir sagen – oder stehe an Deck und weise den Kranführer von da aus per Handzeichen und Funk ein. Die dritte Position, auf die ich ausgebildet wurde, ist die des Aufsehers, der beide koordiniert.
Gearbeitet wird in drei Schichten, wie verläuft so ein typischer Acht-Stunden-Tag?
Zu Schichtbeginn schaut man erst mal auf den Schichtplan: Wo bin ich eingeteilt? Dann geht’s auf Position. Nach vier Stunden gibt es eine halbstündige Pause, die „Halbe“. Die ist auch notwendig, um konzentriert weiterarbeiten zu können! Nach der "Halben" wird die Position gewechselt., d.h. wenn ich die ersten vier Stunden oben im Kran saß, stehe ich die nächsten vier an Deck.
Sie sind eine von nur vier Containerbrückenfahrerinnen unter fast 140 Männern. Herrscht da ein rauer Umgangston?
Ein dickes Fell braucht man schon, aber man gewöhnt sich an den Schnack. Als Frau bekommt man unwillkürlich mehr Aufmerksamkeit, Fehler fallen stärker auf. Das lässt aber nach. Wie alle anderen muss man anfangs eben beweisen, dass man seine Sache gut macht.
Als Sie nach der Schule auf der Suche nach einer Lehrstelle im Hafen waren, wurden Frauen noch gar nicht für Ihren Job ausgebildet...
...ja, erst seit 2008 gibt es auch Lehrstellen für Frauen im Seegütertransport. Vorher gab es nicht mal eine Damentoilette! Der Hafen war lange eine Art Sperrzone für Frauen. Anfangs habe ich eine Bürolehre bei der HHLA gemacht und als es dann möglich war, sich zur Containerbrückenfahrerin ausbilden zu lassen, zögerte ich nicht lange.
Gab es keine kritische Stimmen in Ihrem Umfeld, die Ihnen einen Bürojob eher ans Herz gelegt hätten?
Sicher, man wollte mich lieber hinterm Schreibtisch wissen als 40 Meter über dem Hafenbecken. Besonders mein Opa machte sich Gedanken, wie ich mit dem rauen Ton klarkommen würde – aber heute ist er sehr stolz darauf, dass ich es dahin geschafft habe. Und ich bin „da oben“ glücklicher als in jedem Büro der Welt.
Wie ist das, die Welt so von oben zu sehen?
Ein großartiges Gefühl von Freiheit! Außerdem hat die Arbeit etwas sehr „ehrliches“. Sowohl an Deck als auch in der Kanzel ist man der Witterung ausgesetzt: sind die Schienen nass, schlittert die Katze, wenn es warm ist, wird es da drinnen schrecklich heiß. Es ist ein ziemlich körperlicher Job, der aber auch viel Konzentration und Feingefühl erfordert. Nicht immer einfach, wenn man grade den Kopf voll hat, aber hoch über dem ganzen Gewusel unter einem kann man auch buchstäblich mal „über den Dingen“ stehen.
Was gleicht Sie aus bei so viel Konzentration? Wie verbringen Sie Ihre Zeit zwischen den Schichten?
Ich mache gerne Sport, Rückenkurse zum Beispiel. Das tut gut, die körperliche Belastung ist ziemlich einseitig, weil man sich kaum bewegt. Entweder man sitzt vier Stunden, kann nicht mal schnell zur Toilette gehen. Oder man steht vier Stunden an Deck.
Stillstand ist aber vermutlich nicht ihr Ding, das haben Sie mit dem Schritt "nach oben" ja bereits bewiesen. Was wünschen Sie sich für die Zukunft, wohin soll es für Sie noch gehen?
Ich bin ja schon oben angekommen, höher geht fast nicht mehr (lacht). Nein, ich würde mich freuen, wenn ich meine Sache weiter so gut mache und Anerkennung dafür kriege. Manche Containerbrückenfahrer werden zu echten Legenden – ich als eine der ersten Frauen fänd' es toll, wenn man allein aus dem Grund über mich spricht.
Wie kann man Männerbranchen für Frauen interessanter machen?
Es sollte weniger vorselektiert werden. Was zählt sind Qualifikation und Interesse für eine Sparte. Meiner Meinung nach ist die Trennung in frauen- oder männerspezifisch überholt, aber gerade im Stadium der Berufswahl fehlt es an Informationen darüber, welche 'Männerjobs' mittlerweile auch Frauen zugänglich sind. Beratungsangebote oder Berufsvorbereitungsprogramme sollten daher besonders auch auf Perspektiven in Männerbranchen ausgerichtet sein.
Franziska Müller, 24, ist eine von nur vier Containerbrückenfahrerinnen im Hamburger Hafen. Unter Kollegen hat sie sich längst bewiesen und möchte anderen Frauen Mut machen, sich auch in Männerdomänen zu wagen.