Die Coaching-Praxis. Clevere Tipps von Cornelia Topf, Expertin für Coaching und Erfolgskommunikation. Diesmal erklärt sie, wie Sie es schaffen, nicht weiter an bestimmten Stellen Ihres Lebens festzuhängen
"Aber es war ein Loch im Kuvert!", sagt die freundliche Angestellte des Gardinengeschäfts. Ich hatte ihr eine kleine Schraube geschickt, als Muster, damit sie für meine Vorhangstange eine nachbestellen konnte. "Zu dumm", sage ich. "Können Sie die Schraube auch ohne Muster bestellen?" - "Es wäre besser, wenn ich die Schraube hätte", sagt sie, "aber es war ein Loch im Kuvert." - "Okay", erwidere ich leicht ungeduldig. "Was machen wir jetzt?" - "Ich weiß nicht. Wenn ich ein Muster hätte. Aber es war…" Ja, ein Loch, ich weiß. Insgesamt sagte sie mir das achtmal in zwei Minuten. Die Klassenlehrerin meines Sohnes erzählte mir nur fünfmal, was sie an ihm auszusetzen hatte, in fast identischen Wiederholungen. Was ist da los?
Sprung in der Schüssel
Politiker machen es. Manager. Beziehungspartner. Kinder. Papageien. Betrunkene. Immer und immer wieder plappern sie denselben Satz. Offensichtlich hat die CD ihres Verstandes an dieser Stelle einen Kratzer und jetzt hängt der Tonabnehmer in der Rille fest und hängt und hängt. Das ist anstrengend – für andere, aber vor allem für sich selbst.
Wir alle hängen mehr oder weniger an einigen Stellen unseres Lebens fest. Wir würden gern loslassen, etwas anderes machen, raus aus der Rille kommen. Doch wir können nicht: Irgendetwas hält uns in einem Muster fest, obwohl es uns schadet. Ich kenne eine Krankenschwester, deren Job sie kaputt macht. Das sagt sie mir jedes Mal, wenn ich sie treffe und das seit zwanzig Jahren. Trotzdem wechselt sie nicht. Sie hängt fest – wie eine andere Bekannte seit fünf Jahren in einer destruktiven Beziehung. Sie will zwar raus, schafft es aber nicht. Eine dritte hat schon die zweite Beförderung mehr oder weniger ausgeschlagen, "weil das einfach eine Nummer zu groß für mich ist". Sicherlich nicht! Aber sie schafft den Absprung aus ihrem Irrglauben nicht. Wo stecken Sie fest? Wem nicht auf Anhieb mindestens fünf Dinge einfallen, ist kein Mensch. Oder schlecht reflektiert. Oder verliebt.
Verliebt in die Rille
Normalerweise mögen Menschen Muster, auch und gerade die destruktiven. Das gewohnte Grauen fühlt sich besser an als die ungewohnte Wohltat. Selbst negative Muster geben Sicherheit, Identität und Zugehörigkeit. Ich bin halt "nur" eine Hausfrau. Ich bin nicht gut genug. Ich kann das nicht. Das quält mich, aber das gehört zu mir. Das ist die verführerische Macht der Problemtrance. Die meisten Leserinnen werden deshalb an dieser Stelle aus dem Text aussteigen: Sie möchten ihre Rille nicht wirklich verlassen, die Romanze nicht stören. Sie auch? Dann sag ich an dieser Stelle schon mal Tschüß.
Sie sind noch da? Das ist eher ungewöhnlich. Sie interessieren sich offenbar dafür, aus eingefahrenen Gleisen auszubrechen. Wie schön! Mein Rat: Tun Sie's. Das ist das beste Rezept. Was genau? Diese Frage ist nicht erlaubt. Machen Sie es einfach. Egal was. Hauptsache, es sprengt das destruktive Muster. Die erwähnte Krankenschwester machte jüngst einen Tag blau, den ersten in fünf Jahren. Sie denken jetzt: Was soll denn das? Das ist doch destruktiv, davon kriegt sie keinen neuen Job! Stimmt. Aber sie brach aus dem zwanzigjährigen Leiden-Klagen-Modell aus. Sie nahm sich die Freiheit und verließ ihre Rille, indem sie etwas anders machte. Dieser Ausbruch aus dem alten, belastenden Leben befreite sie innerlich so sehr, dass sie danach eine Woche lang wie auf Flügeln durcharbeitete.
Das einfachste Rezept
Es wäre sogar noch simpler gegangen. Stellen Sie sich vor, die Gardinenangestellte hätte gesagt: "Das blöde Loch im Kuvert geht mir nicht aus dem Kopf!" Dann wäre sie schon halb aus der Rille raus gewesen. Wie in der Bibel steht: Ihr werdet die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch frei machen. Jedes destruktive Muster, das wir uns achtsam und ehrlich und ohne Selbstvorwürfe bewusst machen, kann uns nicht länger unbewusst quälen.
Auch für die Kollegin, die seit fünf Jahren in einer Beziehung feststeckt, gibt es ein Rezept: Fragen statt klagen. Bislang jammerte sie immer: "Er zieht mich so runter mit seiner negativen Art!" Das stimmt, zementiert aber die Rille. Fragen führen raus: "Was kann ich tun, damit er mich nicht mehr so runterzieht? Was kann ich bei ihm verändern? Was an mir? Was davon traue ich mir zu?" Fühlen Sie es? Schon allein die Fragen befreien einen innerlich. Was gegen ein mächtiges weibliches Credo verstößt: das Warten auf den Märchenprinzen.
Kein Prinz, Darling!
Wenn doch bloß keiner die Schraube geklaut hätte! Wenn mein Job doch bloß nicht so stressig wäre! Wenn mein Partner doch bloß nicht so… Wir warten gerne darauf, dass sich die Dinge und die Menschen ändern, dass uns jemand raus holt, dass der schöne junge Ritter erscheint und uns wach küsst. Im Märchen passiert das, in Wirklichkeit nicht. Selbst wenn, würden wir schockiert feststellen, dass es nicht hilft: Der Mensch ist dazu verdammt, sich selbst zu helfen. Kein Fremder kann uns aus einer Rille führen, die uns ganz allein gehört. Es gibt also Dinge, die nur wir für uns selbst tun können. Zähne putzen, Joggen gehen, Kleider kaufen, sich an den eigenen Haaren aus der Rille ziehen. Tun Sie's. Wer sollte es sonst machen?
Dr. Cornelia Topf berichtet an dieser Stelle jeden Monat aus Ihrem Job-Alltag. Sie coacht und trainiert Führungskräfte und deren Mitarbeiter aus allen Branchen und Unternehmensgrößen und leitet metatalk (www.metatalk-training.de), das Augsburger Trainingsinstitut für Erfolgskommunikation. Zudem hat sie mehrere Bücher veröffentlicht.
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