Die Mütter der Frauenbewegung würden sich die Haare raufen über einen Trend, der in den USA unter der hippen Bezeichnung "Opting out" läuft, was so viel wie "nicht mitmachen" heißt und auch bei uns mittlerweile "in" ist.
"Opting out ist in!" - Die Rede ist von hochqualifizierten Frauen, die ihrem Top-Arbeitsplatz den Rücken kehren, weil sie für Kinder und Familie "optieren". Die Argumente dafür sind leicht zu finden: Zu viel Stress, die Dreifachbelastung durch Job, Kind und Haushalt (Männer machen da immer noch zu wenig oder gar nix) sowie der Wunsch nach einem balancierten Leben, das Frauen schon immer wichtiger war als den Männern. Auch die immer noch unzureichende Qualität der Betreuung durch Kita und Krippe spielt eine Rolle.
Kinder werden wegorganisiert
"Im Job bin ich letzten Endes ersetzbar, für mein Kind jedoch nicht", sagt beispielsweise Julia, eine promovierte Juristin. "Den Arbeitsplatz gibt es immer, die Kindheit meines Sohnes jedoch nur einmal, und daran möchte ich möglichst intensiv teilnehmen", sagt Sandra, Ex-Managerin in einem Medienkonzern. Für Belinda, Personalleiterin in einem Großkonzern, kam das Signal zum Ausstieg, als ihr sechsjähriger Sohn sagte: "Mami, du organisierst mich immer nur noch weg!" Ihr Fazit: "Was nützt mir beruflicher Erfolg, wenn ich in einem Bereich, der mir mindestens ebenso am Herzen liegt, versage?"
Austieg aus einer kalten Arbeitswelt und die Neudefinition von "Arbeit"
Im Kern ist es bei vielen auch der Notausgang aus einer Arbeitswelt, die ihnen immer unwirtlicher und gnadenloser erscheint. Überstunden, 70-Stunden-Wochen, zu wenig Flexibilität auf Seiten der Arbeitgeber, die Teilzeit in Top-Positionen für nicht machbar halten. Immer noch zu viele Denkbarrieren bei den Herren der Schöpfung!
Als Hausfrauen definieren sich diese modernen Mütter allerdings nicht. Für die meisten von ihnen ist Opting out nur ein Ausstieg auf Zeit und eine Chance, sich breiter aufzustellen. Das Spannende ist, dass diese Frauen Erfolg für sich neu definieren, und damit auch den Begriff "Arbeit" - nämlich jenseits der männlichen Kategorien von Geld und Macht, für die sie emotional einen zu hohen Preis zahlen müssen. Einen Preis, den sie nicht mehr bereit sind zu zahlen.
Was mich zurzeit beschäftigt
Das bewegt mich: Die zunehmende globale Ungerechtigkeit! Über eine Milliarde Menschen haben weniger als einen US-Dollar pro Tag zur Verfügung, während Banker-Boni trotz Krise schon wieder in schwindelerregende Millionen-Höhe klettern.
Neue Impulse hole ich mir bei: Reisen in ferne Länder. Wenn ich mit allen Sinnen in eine fremde Welt eintauche, mich intensiv auf sie einlasse – und dann entdecke, wie sie mir allmählich immer vertrauter wird.
So komme ich ans Ziel: Mit Kreativität, Geduld und Beharrlichkeit sowie einer gehörigen Prise Gottvertrauen.
Darüber müssten wir mehr lesen: Was Kinder und Jugendliche wirklich bewegt. Sie haben leider keine Lobby, die ihre Interessen vertritt.
Dafür nehme ich mir immer Zeit: Auf meine innere Stimme zu hören. Sie ist einfach mein bester Ratgeber.
Catharina Aanderud studierte Psychologie, Theologie und Philosophie in Tübingen und Berlin und war Redakteurin der BERLINER MORGENPOST. Als Autorin schrieb sie unter anderem WELT am SONNTAG, DIE ZEIT, DER SPIEGEL, HAMBURGER ABENDBLATT und natürlich EMOTION.