Medikamente haben teilweise heftigere Nebenwirkungen, als wir glauben. Dennoch werden heutzutage mehr Pillen, Pasten und Tinkturen verschrieben, als nötig wäre. Klaus Heilmann schreibt in seinem Buch, wie sehr die Pharmaindustrie uns unter Kontrolle hat.
Bittere Pillen: Wenn Arzneimittel krank machen
Dass Medikamente nicht nur heilende Kräfte besitzen, sondern mitunter zu Abhängigkeiten, körperlichen Schädigungen und neuen Krankheiten führen können, sollte Ärzten und Verbrauchern seit dem Contergan-Skandal Ende der 50er klar sein. Dennoch, so klagt Klaus Heilmann in "Zeitbombe Medikament" an, werden Pillen und Pasten mit teils horrenden Nebenwirkungen mehr denn je verschrieben und konsumiert. Der ehemalige Medizin-Professor der TU München warnt vor der "Janusgesichtigkeit" scheinbar harmloser Medikamente und erklärt, wie es der Pharmaindustrie gelingt, immer wieder Arzneimittel auf den Markt zu bringen, die nicht das halten, was wir uns versprechen.
800 Millionen US-Dollar für eine neue Packung Pillen
Heilmann schiebt den Schwarzen Peter aber nicht einseitig der Pharmaindustrie zu, sondern hinterfragt die Erwartungen der Verbraucher, für die "die Einnahme von Medikamenten eine Selbstverständlichkeit geworden ist". Der Autor skizziert, welche Prüfphasen neue Medikamente durchlaufen müssen, um die Kriterien von "Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und Qualität" zu erfüllen. Das dauert mehrere Jahre und die Kosten für Arzneimittelinnovationen schießen durchschnittlich "bis auf 800 Millionen US-Dollar" in die Höhe. Kein Wunder, dass dabei immer wieder "unerwünschte Forschungsergebnisse zurückgehalten" oder gar nicht erst veröffentlicht werden wie ein "Drittel aller Studien zu Antidepressiva". Die hohen Kosten lassen keine Verzögerung zu.
Ärzte als Erfüllungsgehilfen der Industrie
Ungeschminkt dokumentiert er, wie die rund 15.000 Pharmavertreter in Deutschland Haus- und Fachärzte um den kleinen Finger wickeln, um ihre Präparate zu bewerben: "Präsente für die Kinder, Essenseinladungen in noble Restaurants, Einrichtungsgegenstände wie Computer oder Geld." Das ist natürlich verboten, wird aber praktisch nie bestraft, denn "die Grenzen zwischen Kooperation und Korruption sind hier fließend." Bestochen werden auch Klinikchefs und Hochschulprofessoren, damit die sich wohlwollend zu bestimmten Medikamenten zu äußern.
Unbedingt lesenswert ist die Abhandlung über Medikamentenmissbrauch: Wenn Heilmann darüber spricht, wie ein Bakteriengift und ein Gewebehormon zu "Blockbustern im Bereich der kosmetischen Pharmazie" wurden, vergeht sicherlich nicht wenigen Lesern die Lust auf teure und medizinisch fragwürdige Kosmetika aus der Apotheke.
Fazit: Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Klaus Heilmann, der in "Zeitbombe Medikament" eindringlich zu mehr Verantwortungsbewusstsein im Umgang mit den kleinen Pillen mahnt. Ein starker Appell an die Pharmaindustrie und die Ärzteschaft. Und an den Verbraucher, der in vielen Fällen die Genesung beschleunigt, wenn er ganz einfach auf Arzneimittel verzichtet.
Rezensent: Wolfgang Hanfstein, Chefredakteur von www.managementbuch.de, der Nummer 1 Fachbuchhandlung für Führungskräfte, Unternehmer und Selbstständige
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