Es ist eine gewöhnliche Berliner Straße, in der die Französin Pascale Hugues lebt. Ihr wird jedoch schnell klar: Hinter der gewöhnlichen Fassade verstecken sich spannende Geschichten.
Ausgewählt vom Netzwerk BücherFrauen, diesmal von der freien Lektorin Ariane Israel.
Pascale Hugues: "Ruhige Straße in guter Wohlage: Die Geschichte meiner Nachbarn"
Die Französin Pascale Hugues lebt in einer typischen Berliner Straße im Bayerischen Viertel, die in Immobilienanzeigen als "ruhige Straße mit guter Wohnlage" bezeichnet wird. Altbauten und Neubauten stehen Seite an Seite, Prachtbauten neben Schandflecken, amputierte Fassaden. Es ist eine "ganz und gar unglamouröse Straße", eine Straße voller "Schatten, Gespenster, Phantome".
Fasziniert von diesen stilistischen Brüchen und Gegensätzen, die für sie nicht nur architektonischer, sondern auch gesellschaftlicher und historischer Natur sind, beginnt Hugues, sich mit der Geschichte ihrer Straße zu befassen und stellt dabei fest, dass sich hinter der Fassade der Gewöhnlichkeit viele kunterbunte Biographien und eine spannende Vergangenheit verbergen.
Sie folgt den Spuren der ehemaligen Bewohner, spricht mit Zeitzeugen und deren Familien, durchstöbert unermüdlich Archive, Nachlässe, führt Korrespondenzen, reist sogar nach Übersee, um ein möglichst authentisches Bild ihrer Straße zu zeichnen. Der Name der Straße fällt bewusst im ganzen Buch nicht, diese Straße ist nur eine von vielen mit ähnlicher Geschichte.
Da ist Hannah, die hochbetagt auf Long Island lebt und als Jugendliche während des Krieges aus Berlin hatte fliehen müssen. Pascale Hugues besucht sie und nimmt neben ihren vielen Erinnerungen auch ein Kleid mit zurück nach Berlin, das mehr als sechzig Jahre zuvor in eben jener Berliner Straße genäht worden war. Da ist Lilli Ernsthaft, die seit ihrer Hochzeit 1922 in der Straße lebte und nie ging, und Miriam Blumenreich, geborene Marianne Gerda Fiegel, die die Autorin in Israel besucht.
Sie alle sind die Gesichter dieser Straße.
Pascale Hugues gelingt es, das Puzzle aus historischen Fakten und emotionalen Erinnerungen zu einer Erzählung zu verweben, die weder kitschig noch nostalgisch wird, aber ein lebhaftes Bild längst vergangener Tage entwirft und die Entwicklung dieser gewöhnlich-ungewöhnlichen Straße über die Jahrzehnte hinweg darstellt.
Ariane Israel, 35, studierte Rechtswissenschaft in Hamburg sowie Geschichte, Bibliotheks- und Informationswissenschaft in Berlin. Ihre Magisterarbeit befasste sich mit Psychiatriegeschichte und nationalsozialistischer „Euthanasie“. Nach einigen Jahren in der Romandie arbeitet sie nun als freie Lektorin und Redakteurin in Berlin.
Ariane Israel
Diese Buch-Tipps entstanden in Kooperation mit den BücherFrauen. Mehr über die "Women in Publishing"
Hier können Sie das Buch bestellen