Katja Alves, 50. Die in Portugal geborene Autorin und Lektorin lebt mit ihrer Familie in Zürich. Anfang des Jahres erschien ihr neuer Kinderroman "1000 Gründe, warum ich unmöglich nach Portugal kann".
"Lesen war die schulische Disziplin, die ich am schnellsten beherrschte. Als Kind las ich alles, was ich zwischen die Finger bekommen konnte. Da ich zeitweise bei meiner Grossmutter aufwuchs, waren das vor allem Biografien blutrünstiger römischer Kaiser, die mich zum Glück nicht nachhaltig beeinflussten. Schriftstellerin wollte ich schon immer werden. Allerdings in Australien - keine Ahnung wieso. Ich lese immer noch sehr viel. Wobei ich die römischen Kaiser in den letzten Jahrzehnten etwas vernachlässigt habe."
"Ein Dorf am Meer" - Paula Fox (Fischer Taschenbuch)
Das Buch hat mir meine Tochter empfohlen, und die klare Sprache zog mich sofort in ihren Bann. Emma muss eine Zeit lang bei ihrer alten, verbitterten Tante wohnen. Das Mädchen tut einem leid. Und doch gelingt es Paula Fox, dass man am Ende Mitgefühl für die alte Frau hat. Es ist eine ruhige, fein gesponnene Geschichte, voller Empathie und Herz. Eigentlich ist sie genau so, wie man sich wünscht, dass Kinderbücher geschrieben sind.
"Der Plan von der Abschaffung des Dunkels" - Peter Høeg (Rowohlt Taschenbuch)
Wenn man wie ich Kinderbücher schreibt, beschäftigt man sich natürlich viel mit der Kindheit. Das Gefühl kindlichen Ausgeliefertseins beschreibt Peter Høeg hier grossartig und authentisch. Selten hat mich ein Buch so berührt wie dieses über einen Waisenjungen im Internat. Zum Schluss bleibt, was Hoffnung gibt: die Bewältigung der Ausweglosigkeit.
"Die Reise des Elefanten" - José Saramago (btb Taschenbuch)
Von meinem Landsmann, dem verstorbenen portugiesischen Literaturnobelpreisträger José Saramago, kann ich schlicht alles empfehlen und nichts am meisten. So empfehle ich eben seinen letzten Roman. Es handelt sich um die aberwitzige Geschichte des Elefanten Salomon, der über Land und See von Portugal nach Wien überführt wird. Diese Reise hat sich im 16. Jahrhundert tatsächlich so zugetragen.
"Dreizehn ist meine Zahl" - Alice Schmid (Nagel & Kimche)
In ihren Filmen stehen Kinder im Mittelpunkt, und auch ihr erster Roman ist aus der Sicht einer Neunjährigen geschrieben. Alice Schmid arbeitete bisher in erster Linie als Regisseurin. Vielleicht sind die Bilder, mit denen sie die karge, brutale Kindheit von Lili im Napfgebiet beschreibt, deshalb so stark. Vielleicht ist sie aber auch einfach eine großartige, neue Schweizer Autorin. Ich gehe von Letzterem aus.
"Am Äquator" - Miguel Sousa Tavares (Bertelsmann)
Hier geht's um die Aufarbeitung der Kolonialgeschichte des 20. Jahrhunderts: Ein Lissaboner Müßiggänger soll im Inselstaat São Tomé und Príncipe den Vorwurf entkräften, Portugal dulde noch immer Sklavenarbeit. Jede Buchseite atmet die schwere Hitze der Tropen, die ich beim Lesen, von einer fiesen Grippe geplagt, gleichsam verstärkt verspürte.