Vorbild für viele schreibende Frauen: Madame de Sévignés Briefe voll amüsanter Schilderungen des höfischen Lebens am Versailler Hof des 17. Jahrhunderts.
Ausgewählt vom Netzwerk BücherFrauen, diesmal von der freien Korrektorin Julia Schlecker.
Theodora Von der Mühll (Hg.): "Madame de Sévigné: Briefe" (Insel):
Die Briefe, die die französische Aristokratin Mitte des 17. Jahrhunderts an ihre Tochter in der Provence schreibt, bieten ein Kaleidoskop an Emotionen und lebhafter Schilderungen der Ereignisse am Hof Ludwigs XIV. und in Paris und wurden zum Vorbild vieler schreibender Frauen.
Anlass ihrer immensen Schreibtätigkeit ist die Trennung von ihrer geliebten Tochter durch deren Hochzeit mit dem Grafen von Grignan, die auf sein Schloss in der Provence übersiedelt und fortan nur durch die Briefe ihrer Mutter am gesellschaftlichen Leben teilhaben kann. Madame de Sévigné leidet sehr unter dem Weggang ihrer Tochter in die damals mehrere Tagesreisen entfernte Provinz und wartet jedes Mal sehnsüchtig auf eine Antwort. Sie selbst ist bereits früh verwitwet, ihr Mann starb bei einem Duell, da war sie 25!
Noch immer lesenswert: der unterhaltsame Plauderton des 17. Jahrhunderts
Madame de Sévignés Kunst besteht sicherlich darin, in lockerer Verknüpfung politische Ereignisse von größter Bedeutung neben Schilderungen von gesellschaftlichem Klatsch und Tratsch zu stellen, ohne dass es seltsam wirkt - und dieses Prinzip des Plauderns macht ihre Briefe, die auch eine Art Tagebuch sind, erst so unterhaltsam! So wird über die Hinrichtung einer Giftmischerin genauso berichtet wie über den Selbstmord des berühmten Kochs des Königs, Vatel.
Sie schreibt über private Reisen zu ihren Besitztümern ins Burgund oder über Kuraufenthalte. In Madame de Sévignés Leben ist aber vor allem auch die Freundschaft von großer Bedeutung, ein Wert, den sie versucht aufrecht zu erhalten - und das im intrigenreichen 17. Jahrhundert, in dem Affären schnell begonnen und schnell wieder beendet werden!
Der flüssige und leichte Stil dieser Briefe, die leider in einer etwas altmodischen Übersetzung vorliegen, bewirkt, dass wir auch heute noch mit großem Amüsement ihre Berichte lesen. Gerade aufgrund dieses lockeren Stils wurde Madame de Sévigné von Kritikern Oberflächlichkeit vorgeworfen, doch hinter der Fassade des sorglosen Plauderns verbargen sich auch Sorgen und materielle Unsicherheiten, die sie – ganz im Stil des 17. Jahrhunderts – geschickt zu verbergen wusste, um ihre Gesprächspartner nicht zu langweilen. Im 19. Jahrhundert hat man dann versucht, die Auswahl der Briefe so vorzunehmen, dass das Bild der liebenden Mutter überhandnimmt, die ihre Tochter mit Koseworten überschüttet, doch ist dies nur eine Facette der durchaus kritischen Autorin.
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Briefe (insel taschenbuch)
Julia Schlecker ist Buchhändlerin und arbeitet als freie Korrektorin und Übersetzerin für Französisch. Die Mutter von zwei Kindern ist zudem im Netzwerk BücherFrauen aktiv.
Diese Buch-Tipps entstanden in Kooperation mit den BücherFrauen. Mehr über die "Women in Publishing"