Jonathan Lethem erzählt in seinem Familienepos die Geschichte der amerikanischen Linken. Im Mittelpunkt Rose Zimmer: Kommunistin, blitzgescheit und mit einem Ego, das generationenweite Schatten wirft.
Ausgewählt vom Netzwerk BücherFrauen, diesmal von der freien Redakteurin Ulrike Anders.
Jonathan Lethem: "Der Garten der Dissidenten"
Rose Zimmer ist Kommunistin, eine blitzgescheite, redegewandte, theoriebegabte und parteitreue Rote, die durch Sunnyside Gardens, Queens, New York, patrouilliert. Aber die alleinerziehende immigrierte Jüdin zweiter Generation, deren deutschstämmiger ebenfalls jüdischer Ehemann sich in die DDR abgesetzt hat, lässt sich nicht in die Besetzung ihres Schlafzimmers reinreden: Kurz bevor die amerikanische KP 1956 mit der Geheimrede Chruschtschows mehr und mehr der Bedeutungslosigkeit anheimfällt, beginnt Rose ein Verhältnis mit dem verheirateten schwarzen Cop Douglas Lookins und wird aus der Partei ausgeschlossen.
Dies ist der Beginn von Jonathan Lethems Familien- und Bewegungs-Epos, das drei Generationen der Angrush-Zimmer-Familie und mindestens drei Generationen der amerikanischen Linken (von der Gewerkschaftsarbeit der 1930er, über das Hippietum, die pazifistischen Quäker, die amerikanischen Unterstützer der Sandinisten in Nicaragua, bis zur Occupy-Bewegung) porträtiert. Zusammengehalten werden die biografischen Episoden von der allgegenwärtigen Rose Zimmer, deren dominantes Ego einen generationenweiten Schatten wirft und die alle Personen ihres Universums (sei es ihr Ehemann Albert, ihre Tochter Miriam, ihr Schwiegersohn Tommy, ihr Enkel Sergius, Vetter Lenny, ihr Liebhaber Douglas und dessen Ehefrau oder ihr Ziehsohn Cicero) in irgendeiner Form beeinflusst. Eine weitere Rahmenhandlung bietet Lethem nicht, sie ist aber auch nicht nötig. Die Stärke des Buches liegt in der plastischen Darstellung der Personen, ihrer Herkunft, ihrer Erfahrungen, ihrer Verflechtung miteinander und ihrem unweigerlichen politischen (Selbst-)Verständnis. Lethem verarbeitet hier Teile der eigenen Biografie, trotzdem ist sein Blick wenig melancholisch, eher schonungslos authentisch, ohne dabei ins Voyeuristische abzugleiten.
Nach 476 Seiten hat man als Leser viel geleistet, man kennt Rose und ihre Familie und man hat sich reichlich Gedanken über US-amerikanischen Kommunismus gemacht. Das ist bereichernd. Seit jeher hat Ulrike Anders eine Vorliebe für Literatur, Wörter und Sprache. So entschied sie sich für eine Ausbildung zur Sortimentsbuchhändlerin und studierte anschließend Buchwissenschaft, Informatik und Deutsche Philologie in Mainz. Anschließend arbeitete sie eine Weile als Lektorin im Suhrkamp Verlag, Frankfurt, bis es sie weiter nach Dortmund zog, wo sie als Redakteurin für den KV&H Verlag schrieb. Heute lebt und arbeitet Ulrike Anders als freie Redakteurin, Editorin und Lektorin in Essen.
Ulrike Anders
Diese Buch-Tipps entstanden in Kooperation mit den BücherFrauen. Mehr über die "Women in Publishing"
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