Robert Seethaler hat einen ruhigen Roman geschrieben über das Leben eines Mannes in den Bergen, der wie ein widerständiger Baum von den Ereignissen geformt wird, die über ihn hereinbrechen.
Ausgewählt vom Netzwerk BücherFrauen, diesmal von der Lektorin und Übersetzerin für Italienisch Judith Krieg.
Robert Seethaler: "Ein ganzes Leben"
Andreas Egger kommt als Kind in das Dorf im Gebirge, zum Bauern Kranzstocker, dem Schwager seiner verstorbenen Mutter. Dort arbeitet er von Kindesbeinen an hart, zunächst auf dem Hof, später am Ausbau der Seilbahnen. Er ist kein Mann der vielen Worten, sondern eher der klaren Taten: Er baut ein Haus, verliebt sich und überzeugt seine Auserwählte mit einer feurigen Inschrift am Berg. Bald verliert er seine Frau wieder und muss selbst in den Krieg ziehen. Aus Russland kehrt er schließlich zurück in die Berge, wo die Modernisierung Einzug hält und er als Wanderführer arbeitet. Andreas Egger erkennt die Welt nicht wieder, verliert sich in all dem Wandel jedoch selbst nicht. Wie ein widerständiger Baum wird er von den Ereignissen geformt, die einerseits über ihn hereinbrechen und vorbeiströmen, ohne ihm eine Wahl zu lassen, die ihn jedoch nicht ohnmächtig erscheinen lassen.
Die perfekte Lektüre für ruhige Winterabende
Nur ein einziges Mal wird er noch spontan in einen Bus steigen und die Berge verlassen. Doch er wird erkennen, dass er nichts verpasst hat in seinem abgeschiedenen Leben, und sofort die Rückfahrt antreten. Robert Seethaler beherrscht die Kunst, Dinge einfach erscheinen zu lassen, er erzählt in ruhigem Rhythmus und Ton, auch die traurigsten Ereignisse sind, wie sie sind. Das harte Leben im Dorf wird von der Zeitgeschichte gestreift, dabei bleibt der Blick jedoch an den Horizont Andreas Eggers gebunden, der immer einen Schritt nach dem nächsten tut. Wie aus einem Stück Holz geschnitzt, nimmt er klar, kantig und überzeugend vor den Augen der Leserinnen und Leser Form an. Man kommt ihn nahe, aber auch nicht zu nahe, stets behält er seine Würde. Ein Buch, das in Erinnerung bleibt, auch wegen der Naturbeschreibungen und der Gelassenheit, die von ihnen ausgeht. Genau die richtige Lektüre für ruhige Winternachmittage oder -abende.
Judith Krieg, 37, arbeitet als freie Lektorin, Texterin und Übersetzerin für Italienisch in Berlin. Bücher kennt sie aus vielen Perspektiven: Auf ein Studium der Germanistik, Italianistik und Publizistik folgten Stationen beim Philipp Reclam jun. Verlag und bei den Cornelsen Schulverlagen. Drei ihrer Spezialgebiete sind zeitgenössische italienische Literatur und Kultur, Bildungsthemen und Sprachvermittlung. Als freie Mitarbeiterin unterstützt sie auch die Dante Connection, eine Berliner Buchhandlung mit Italien-Schwerpunkt.
Judith Krieg
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Diese Buch-Tipps entstanden in Kooperation mit den BücherFrauen. Mehr über die "Women in Publishing"
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