Zwei Frauenleben in Colmar, zwei Freundinnen, geboren 1902, deren Leben geprägt wird von den wechselnden Zugehörigkeiten des Landstrichs, dem sie sich verbunden fühlen: das Elsass.
Ausgewählt vom Netzwerk BücherFrauen, diesmal von der Lektorin und Beraterin Veronika Licher.
Pascale Hugues: Marthe und Mathilde
Mehrmals hin- und hergerissen zwischen Deutschland und Frankreich offenbart das Buch die wechselvolle Geschichte dieser deutsch-französischen Grenzregion als Spielball der Mächte – und ihrer Menschen. Zwischen mangelnder Integrationsfähigkeit und offenem Widerstand oder aber Anpassung bis zum Letzten.
Die privaten und politischen, kleinen und großen Ereignisse insbesondere der letzten Jahrzehnte (die 68er, 1989, die Wende …) lassen je nach Alter der Leserin Erinnerungssplitter auch aus dem eigenen Leben auftauchen.
Erzählt und nachgefühlt wird die Geschichte des fast 100-jährigen Lebens der beiden Frauen von ihrer Enkelin, der französisch-deutschen Journalistin Pascale Hugues, in sehr persönlichen, einfühlsamen Szenen. Auch wenn die genauen historischen Abläufe nicht an jeder Stelle ganz präsent sind, ist es immer berührend zu lesen, wie die beiden Frauen und ihre Familien sich mit den jeweiligen Umständen arrangieren. Die Details sind es und die liebevolle Beschreibung der persönlichen Marotten und Eigenheiten, der verständnisvolle Umgang mit vielleicht nicht nachvollziehbaren Haltungen, die das Buch so lesenswert machen.
Nicht zuletzt ist es ein Buch der Freundschaft, eines Bandes, das selbst die Kriege überdauert. Zwei Freundinnen, die miteinander aufwachsen und einander beistehen. Während Marthe sich ihrer Identität immer sicher ist ("Ich bin Elsässerin, und man lasse mich in Ruhe mit diesen ganzen Grenzgeschichten!"), musste Mathilde als Tochter eines eingewanderten Deutschen dreimal die Nationalität wechseln. Die Sprache gleich dazu.
Veronika Licher (李喜儿) war als Diplom-Informatikerin in Projekten zur maschinellen Sprachübersetzung sowie in der Konfliktforschung tätig und studierte dann in Peking Chinesisch für den Außenhandel. Anschließend arbeitete sie als Redakteurin und lange Jahre als Lektorin und Projektleiterin im Brockhaus-Verlag. Der Besuch der Pekinger Buchmesse im Jahr 2000 gab den Anstoß, sich selbstständig zu machen und wieder der VR China zuzuwenden: Seit 2001 begleitet sie als Redakteurin, Lektorin und Verlagsberaterin die chinesische Buchbranche und vielfältige deutsch-chinesische Projekte. Als Coach ist es neben dem China-Schwerpunkt ihr Anliegen, Menschen mit vielfältigen Begabungen zu helfen, interdisziplinär und kreativ ihre Träume zu realisieren.
Diese Buch-Tipps entstanden in Kooperation mit den BücherFrauen. Mehr über die "Women in Publishing"