In ihrem neuen Buch führt die kanadische Autorin Alice Munro zehn Menschen an Wendepunkte in ihrem Leben. Psychologie zum Mitfiebern.
zuvielglück
"Zu viel Glück" von Alice Munro (S. Fischer, 19,95 Euro)
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Jon und Joyce scheinen ein zufriedenes Paar zu sein. Doch der Leser von Alice Munros Buch "Zu viel Glück" spürt das Trügerische dieser Zweisamkeit. Und bald wird klar, warum: Jon hat sich in eine andere Frau verliebt. Bei allem Schmerz bedeutet das für Joyce aber ebenfalls einen Neuanfang – wenn auch ganz anders als gedacht. So ist es bei allen zehn Geschichten des neuen Erzählbands der kanadischen Bestsellerautorin: Nichts ist vorhersehbar. Munro beherrscht die Kunst, die Psychologie einer Situation so anschaulich zu entwickeln, dass man sich verführen lässt, ganz und gar mitfühlen kann. Besonders dann, wenn die Handlung kippt und sich die Geschichte in eine völlig andere verwandelt.
Munro, die am 10. Juli 2011 80 Jahre alt wird, gilt seit Jahren als Kandidatin für den Literaturnobelpreis – und das, obwohl sie keine Romane, sondern Kurzgeschichten schreibt, die meist von vermeintlich gewöhnlichen Menschen in langweiligen kanadischen Kleinstädten erzählen. Auf unnachahmliche Weise fängt sie die Gefühle ihrer Hauptfiguren in entscheidenden Augenblicken des Lebens ein: den Wagemut einer Mutter oder die Scham einer Studentin, die sich vor einem Mann entblößen muss.
Die Hauptpersonen in diesem Buch – bis auf zwei Ausnahmen sind es Frauen – denken ihr Leben neu, brechen aus, wählen die Freiheit. Da schwingt auch Alice Munros eigene Geschichte mit: Sie heiratete jung, bekam drei Kinder und verließ ihren Mann nach 22 Jahren Ehe für einen anderen. Zwischen Kindern und Hausarbeit versuchte sie erfolglos, einen Roman zu schreiben – bis sie die wenige Zeit, die sie hatte, für die kurze Erzählform nutzte, die heute längst ihr Markenzeichen geworden ist. Wer ihr neues Werk liest, wird unvermittelt zum Verbündeten der Autorin, ahnt mit ihren Figuren: Für das Glück gibt es kein Maß – aber im entscheidenden Augenblick erkennt man, wenn es sich als zu leicht erweist.
"Zu viel Glück" von Alice Munro (S. Fischer, 19,95 Euro)
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Zu viel Glück: Zehn Erzählungen
