Ein Unfall fesselte Caroline Bono-Hörler jahrelang ans Bett. Ihre Versicherung ließ sie im Stich. Fast verzweifelte sie an dem Unrecht – bis sie sich auf ihre Kraft besann.
EMOTION: Bei einem Auffahrunfall erlitten Sie 2002 Verletzungen am Kopf und an mehreren Stellen der Halswirbelsäule. Auf einen Schlag waren Sie arbeitsunfähig, verloren dann Ihren Job und, weil die Zürich Versicherung nicht zahlte, schließlich Ihr Haus und alle Ihre Ersparnisse. Wie haben Sie das erlebt?
Caroline Bono-Hörler: Anfangs war ich komplett verzweifelt und nur noch von dem Gedanken besessen, wie ich mich gegen das Unrecht wehren könnte. Aber um etwas zu tun, braucht es einen funktionierenden Kopf und Körper. Und Geld zum Überleben. Das alles hatte ich durch den Unfall nicht mehr. Die ersten beiden Jahre konnte ich am Tag nicht länger als drei Stunden aufstehen. Es war die Hölle.
Wie sind Sie da wieder herausgekommen?
In meiner tiefsten Verzweiflung wurde mir plötzlich eines klar: Ich kann die Spirale abwärts nur selbst stoppen – und dafür muss ich wieder an mich glauben. Drei Jahre nach dem Unfall konnte ich wieder ausgedehnt spazieren gehen. Im Wald begann ich, mir bei jedem Schritt zu sagen: Ich werde wieder gesund! Ich konzentrierte mich auf das, was funktionierte: meine Beine und Füsse. Das hat gewirkt.
Sie schreiben, die Schmerzen hätten Sie fast um den Verstand gebracht. Wie haben Sie gelernt, das auszuhalten?
Ich habe sogenannte Entkopplungstechniken gelernt, um mit negativen Emotionen umzugehen. Das hat geholfen, dass sich diese Gefühle nicht als Spannung im Körper festsetzten und sich die Schmerzen nicht weiter verstärkten.
Was hat Sie in den dunkelsten Momenten gerettet?
Meine Kinder und mein Glaube an den Sieg des Guten.
Hatten Sie schon immer diese innere Stärke oder hat die sich erst in der Zeit entwickelt?
Ich habe das Glück, dass sie mir in die Wiege gelegt wurde, aber sie hat sich in dieser Zeit noch potenziert. Hätte man mich vor dem Unfall an Drähte gehängt, um mir solche Schmerzen zuzufügen, hätte ich nicht halb so viel ausgehalten. Schlimmer wäre nur noch gewesen, wenn einem meiner Kinder etwas zugestoßen wäre. Aber der Wille zu überleben ist erstaunlich stark. Und es gibt unglaublich Kraft, wenn man so etwas Schlimmes überstanden hat. Heute decke ich auf, was bei anderen Unfallopfern falsch läuft, und das ist dringend nötig.
Ist das Ihr Weg, um der traumatischen Erfahrung einen Sinn abzugewinnen?
Ja. Ich hätte sonst ja nie herausgefunden, wie korrupt dieses Gebiet ist. Dabei verdienen Unfallopfer Hochachtung, weil sie es jeden Tag aufs Neue schaffen, mit ihren Schmerzen umzugehen und unter Umständen sogar mit einer eingeschränkten Leistungsfähigkeit ihres Hirns. Stattdessen werden sie systematisch diffamiert.
Wo setzt Ihre Arbeit an?
Ich habe in der Schweiz die Mediationsarbeit aufgebaut, deshalb bin ich hier sehr bekannt, was eine optimale Voraussetzung ist, um etwas zu verändern. Zudem kann man mir nichts wegnehmen: Man kann mir nicht kündigen, mir kein Mandat entziehen, mir nicht den Ruf schädigen. Ich bin ganz frei. Ich würde mich auch für Unfallopfer einsetzen, wenn ich durch ein Wunder wieder komplett hergestellt wäre.
Sind Sie heute ein anderer Mensch als früher?
Ich bin mental noch stärker und ausgeglichener. Mehr als allen Argumenten vertraue ich heute meiner Intuition und habe damit bisher immer richtig gelegen. Durch den Unfall wurden vor allem die Funktionen meiner linken Hirnhälfte beschädigt, also das Gedächtnis und die Logik. Die rechte Hirnhälfte, dank der ich spüre, was einem Menschen weiterhilft, war bei mir als Mediatorin schon vorher gut aus gebildet, aber ich habe sie nach dem Unfall noch weiterentwickelt…
… was Sie in Ihrer neuen Arbeit als Coach nutzen können.
Ja, ich habe alles verloren, was ich hatte, und bin heute wieder zufrieden und glücklich mit meinem Leben. Die Fähigkeit, das zu erleben, möchte ich auch anderen vermitteln.