Sie liebt den Luxus der einfachen Dinge. Die Designerin Ruth Kramer hat ihr mantra "Weniger ist mehr" in einem Bed & Breakfast im bünderischen Vals umgesetzt – und bietet dort Gleichgesinnten ein stilvolles Zuhause auf Zeit.
Emotion: Sie sind als Tochter einer Deutschen und eines Schweizers in Dänemark aufgewachsen und haben dort Karriere als Modedesignerin gemacht. Wie sind Sie nach Vals gekommen?
Ruth Kramer: Auf der Suche nach Neuem blättere ich ständig in Magazinen, schaue Bücher an, gehe in Ausstellungen und reise viel. So hörte ich von Peter Zumthors Therme in Vals und wollte unbedingt dorthin. Als ich in Vals ankam, regnete es heftig und über dem Dorf lag dicker Nebel. Mein erster Gedanke war: Was für ein seltsamer Ort!
Inzwischen leben Sie seit drei Jahren dort.
Ja, denn der seltsame Ort stellte sich als fantastisch heraus. Ich bin immer wieder zurückgekommen und habe dabei den Ort und die Natur drumherum entdeckt. Oft habe ich auch für grosse Designprojekte meine Stil-Bücher eingepackt und auf einem Berg Workshops durchgeführt. Dann habe ich aus einem Impuls heraus Peter Zumthor angeschrieben und gefragt, ob wir ein Haus von ihm mieten könnten. Und er hat einfach Ja gesagt. Das war schon sehr verpflichtend! So haben mein Mann Thomas und ich in Dänemark alles verkauft und sind nach Vals gezogen.
Einfach so? Ohne Planung?
Wir waren reif für eine Veränderung, dafür, etwas Neues zu erleben, nicht nur im Job, sondern auch menschlich. Für uns war dieser Entscheid ganz richtig. Zudem hatte ich das Glück, dass die Designfirma für die ich in Dänemark gearbeitet habe, bereit war, mich als Freelancerin weiter zu engagieren.
Kaum niedergelassen, haben Sie ein Haus gekauft, das Sie mit viel Liebe zum Detail renoviert haben, um ein Bed & Breakfast daraus zu machen.
Damit haben uns einen alten Traum erfüllt. Als wir das Haus an der Brücke zum ersten Mal sahen, wussten wir: Das ist es! Es war ein rein emotionaler Entscheid. Erst später haben wir geschaut, ob sich das finanziell überhaupt rechnet. Wer eröffnet schon ein Gasthaus mit nur vier Zimmern? Aber das ist typisch für uns. Erst machen, dann überlegen.
Hatten Sie nie Bedenken, sich ins Ungewisse zu stürzen?
Oh, doch! Ich habe mich manchmal gefragt: Ist das richtig, was wir da tun? Ist es nicht zu viel Arbeit? Wird es unseren Gästen gefallen? Dann habe ich mir gesagt: Wir schaffen jetzt kompromisslos ein B&B genau nach unseren Vorstellungen. Es half, dass ich das Ungewisse mag und mich darauf freue, etwas Neues zu entdecken. Und ich vertraue immer darauf, dass alles gut wird, wenn ich etwas ordentlich mache. Dass es mit der "Brücke" so gut angelaufen ist, hat mein Vertrauen gestärkt.
Woher kommt der Traum vom eigenen B & B?
Als Jungverliebte verbrachten Thomas und ich ein paar Tage in Chicago im Drake Hotel am Lake Michigan. Es war eisig kalt, der Wind pfiff um die Häuser, und ich hatte plötzlich grosse Lust auf ein Müesli mit frischen Blaubeeren und Himbeeren. Und das wurde dann für mich zubereitet – ohne grosses Aufhebens, mit grösster Selbstverständlichkeit. Das war für mich ein Aha-Moment. Da wusste ich, irgendeinmal eröffnen wir ein B & B für Leute, die wie wir Ansprüche ans Leben haben, aber keine grosse Sache daraus machen.
Sie haben nur ein Jahr geplant und umgebaut und dann ging es los. Was sind Ihre bisherigen Erfahrungen?
Unsere Gäste teilen unseren Lebenstil und unsere Vorstellung von Komfort und Luxus. Sie mögen das Schlichte, wollen wenig, das aber in bester Qualität. Es ist total spannend, wie viele interessante Leute zu uns kommen. Manchmal, wenn ich ganz allein draussen in der Natur bin, rufe ich laut in die Berge: Danke, danke, danke! Ich empfinde es als unheimliches Glück, dass mein langgehegter Traum wahrwerden konnte.
Ruth Kramer, 54, arbeitet als Designerin für internationale Fashionlabels. Die Mutter einer 30-jährigen Tochter vertreibt die dänische Basics-Modelinie „Moshi Moshi Mind“ in der Schweiz. Seit einem Jahr führt sie mit ihrem Mann Thomas, einem Marketing-Experten, das Bed & Breakfast "Brücke 49" in Vals. Info: www.brucke49.ch