Zwei simple Sätze stellten die Arbeitsweise von Franca Basoli auf den Kopf. Das Multitalent las sie in einem Buch über Improvisationstheater. Seitdem fliegen ihr die Ideen nur so zu.
emotion: Sie sind Schauspielerin, Sängerin, Regisseurin und Dozentin. Was tun Sie am liebsten?
Franca Basoli: Die Mischung macht’s! was ich bei der einen Tätigkeit lerne, bringt mich auch bei der anderen weiter. Dass ich Dozentin an verschiedenen Schauspielschulen bin, hilft mir beispielsweise, wenn ich selbst auf der Bühne stehe. Studiere ich eine Rolle ein, frage ich mich: Was würde die Dozentin Franca jetzt sagen? Ausserdem habe ich gelernt, mit den Studenten und Schauspielern sanft umzugehen und sie trotzdem auf ihren Weg zu bringen.
Sie haben erst die Schauspielschule besucht und danach Gesang studiert. Kam die Freude am Singen später?
Überhaupt nicht. Gesungen habe ich seit jeher, schon als kleines Kind. Es sang, oder besser gesagt, es summte einfach in mir. Im Kindergarten hiess es dann jeweils: Hör auf zu "möhnen", sonst musst du vor die Tür. Dabei war mir gar nicht bewusst, dass ich summte. Noch heute summe ich, wenn ich in Gedanken bin. Als ich am Unterseminar klassische Gitarre lernte, übte ich für mich selbst Songs von Bob Dylan und Joan Baez ein und trat als Strassenmusikerin auf. Im zweiten Jahr Untersemi wählte ich zudem Sologesang, was den Grundstein zur späteren klassischen Gesangsausbildung legte.
Vor rund zehn Jahren haben Sie dann begonnen, an der Schule für Musik und Schauspiel in Luzern zu unterrichten. Wie fühlte sich dieser Seitenwechsel an?
Meine Aufgabe war, Atem-, Stimm- und Sprechtechnik sowie Improvisation zu lehren. Ich deckte mich mit Literatur ein und stiess dabei auf ein Buch von Keith Johnstone, dem Erfinder des modernen Improvisationstheaters. Es gab mir viele interessante Impulse. Das eigentliche Aha-Erlebnis lieferten aber zwei simple Sätze: „Do the obvious!“ und „Don’t try to be original!“ Obwohl der Autor diese Anweisungen auf die Improvisationstechnik bezog, haben sie meine Herangehensweise an meine künstlerische Arbeit insgesamt verändert. Ich habe heute keine Angst mehr, dass mir nichts Tolles einfallen könnte. An meiner Idee muss nämlich gar nichts toll oder originell sein. Sie muss einfach offensichtlich sein.
Wann ist eine Idee denn offensichtlich?
Als Regisseurin wird von mir ein brillanter Einfall, ein Konzept erwartet, die sogenannte Regie-Idee. Seit ich nach Johnstones Leitsatz arbeite, gehe ich viel gelassener an ein Stück heran. Ich frage mich: Was sagt mir mein Gefühl im Moment? Was könnte als Nächstes geschehen? Dieses Prinzip hat sehr viel mit Loslassen zu tun. Darauf zu vertrauen, dass das Richtige kommt, dass nichts erzwungen oder herangedacht werden muss, sondern dass "es" zu mir kommt. Ich muss nicht im Voraus die grosse Idee haben, ihr alles unterordnen. Und das Verrückte daran ist: Es sind genau diese für mich offensichtlichen Einfälle, die andere originell finden.
Sie leiten auch Manager-Seminare zum Thema Auftrittskompetenz. Da möchte doch jeder möglichst originell rüberkommen. Steht das nicht im Widerspruch zu Ihrer Erkenntnis?
Ganz und gar nicht. Wenn ein Manager eine Rede hält, schaut er sich oft von aussen zu und fragt sich, wie er wirkt. Er schafft auf diese Weise eine Art Über-Ich, mit dem Resultat, dass er sich verkrampft: Er kneift die Pobacken zusammen, atmet flach, kontrolliert Gestik und Mimik – und verliert den Kontakt zum Publikum. Das führt wieder zum Ansatz: "Sei nicht originell, sondern klink dich beim Gegenüber ein und erzähl ihm, was du zu sagen hast." Oft plaudere ich vor so einem Coaching mit dem Betreffenden ein paar Minuten über Privates. Dabei wird er sofort locker und bekommt genau das Charisma, das er sich erhofft.
Hat Sie die Haltung zum Offensichtlichen privat beeinflusst?
Ja! An Partys oder halbprivaten Anlässen, wo jeder versucht sich zu profilieren, kam ich häufig in den Stress, originell oder witzig sein zu müssen. Inzwischen kann ich viel besser entspannen, mich zurücklehnen und andere sich produzieren lassen.
Franca Basoli, 45, studierte Schauspiel und Gesang. Seit 2010 ist sie die künstlerische Leiterin des Vereins Kulturtäter (Théâtre de Poche) in Biel. Infos: www.kulturtaeter.ch, www.francabasoli.ch