Früher war der Sängerin Anna Rossinelli Musik, die vielen gefällt, erst einmal suspekt. Das hat sich geändert. Seit ihrem Auftritt am Eurovision Song Contest weiss sie: Es ist nicht alles nur schwarz oder weiss.
Emotion: Als Strassenmusikantin haben Sie es auf die Bühne des Eurovision Song Contest (ESC) geschafft. Wie haben Sie diesen Sprung erlebt?
Anna Rossinelli: Ich habe natürlich überhaupt nicht damit gerechnet, dass ich das Auswahlverfahren gewinnen würde. Und als es dann so weit war, musste ich mich plötzlich vor einem 160-Millionen-Publikum beweisen. Wichtig und richtig für mich war, dass ich darauf bestanden hatte, mit meinen eigenen Musikern aufzutreten. Das hat mir Kraft und Vertrauen gegeben. Der Auftritt war eine unglaubliche Erfahrung und hat mich weitergebracht.
Inwiefern?
Er stellt für mich einen Wendepunkt in meinem Leben dar. Auch aus künstlerischer Sicht war dieser Schritt einschneidend. Auf einmal war ich bekannt, ich hatte ein Management und konnte meine erste eigene Platte aufnehmen. Zurzeit arbeite ich mit meinen Musikern bereits am zweiten Album. Es ist mein Baby, mit dem ich beginne, zu mir und meiner eigenen Musik zu finden.
Was bedeutet Ihnen Musik?
Ich möchte mit ihr Menschen berühren, sie in einer Seifenblase auf eine emotionale Reise schicken. Musik weckt in mir Gefühle und verbindet mich mit Erinnerungen. Sie ist eine Sprache, in der ich mich verständigen kann.
Was haben Ihre Kollegen zu dem Auftritt am ESC gesagt?
Dass ich den kommerziellen Weg gewählt habe, fanden nicht alle so berauschend. Doch es war die richtige Entscheidung, denn heute können wir von unserer Musik leben.
Hatten Sie Angst, sich und Ihr Talent zu verkaufen?
Nein, im Gegenteil. Ich habe endlich begriffen, dass auch Mainstream seine Qualitätäten hat. Es ist nicht alles nur schwarz oder weiss. Man soll Dingen gegenüber offen bleiben und sich nicht so sehr um das Urteil anderer kümmern. Das war mein persönlicher Aha-Moment.
Wie gehen Sie mit Ihrem neuen Promi-Status um?
Ich möchte, dass meine Musik immer im Vordergrund steht, nicht mein Privatleben. Ich spreche zwar über meine Beziehung mit unserem Bassisten Georg Dillier, aber ich mache daraus keine Homestory. Grundsätzlich kann ich mich gut abgrenzen. Und natürlich ist es ganz schön, mal zu einer Filmpremiere eingeladen zu werden.
Mit 16 haben Sie eine Musikerkarriere bei „Superstar“ zugunsten einer Ausbildung als Fachfrau für Behindertenbetreuung sausen lassen. Warum?
Weil ich früh auf eigenen Beinen stehen musste. Mein Vater ist gestorben, als ich klein war. Ich habe schnell gelernt, dass das Leben nicht immer Friede, Freude, Eierkuchen ist.
Was hat Ihnen die Ausbildung gebracht?
Sie gibt mir die Sicherheit, etwas Handfestes zu haben. Daneben war die Arbeit mit den Kindern wunderschön. Wir haben viel zusammen gelacht und auch musiziert. Ihnen etwas beizubringen war sehr befriedigend.
Was ist für Sie wichtig im Leben?
Ich finde es zum Beispiel schön, einen Liebesbrief zu bekommen. Da bin ich ein bisschen nostalgisch. Die SMS-Kultur ist nicht so meine. Generell bin ich ein glücklicher Mensch – das war ich übrigens auch schon, bevor ich bekannt wurde. Aber das Genialste für mich ist tatsächlich, mit Musik meinen Lebensunterhalt verdienen zu können.
Was ist Ihr Schlüssel zum Erfolg?
Ich glaube, das Wissen, dass ich immer hundert Prozent geben muss.
Anna Rossinelli, 25, begann ihre Karriere zusammen mit ihrer Band als Strassenmusikerin. Am Eurovision Song Contest 2011 schaffte es das Basler Trio mit dem Song „In Love For A While“ in die Finalshow. Mehr Infos unter www. annarossinellimusic.com