In der aktuellen Emotion handelt unser Dossier von Ritualen. Wie sie uns Kraft geben, warum sie so wichtig für unser Leben sind. Auch Marie Sophie Krone denkt über diese Frage nach …
Wenn ich mit der ganzen Welt hadere und das Gefühl habe, dass nichts so ist, wie es sein soll, packe ich meine Tasche und fahre zu meinen Eltern nach Hause. In unserer kleinen Heimatstadt hat sich, seit ich dort vor 26 Jahren geboren wurde, nichts verändert. Es gibt immer noch den kleinen Laden um die Ecke, wo ich schon zu Schulzeiten meine Bücher kaufte. Es gibt immer noch die Nachbarin, die irgendwie schon damals alt war, und noch immer mit ihrem Fahrrad durch unsere Straßen fährt. Und da stehen immer noch die Elternhäuser meiner Freunde, wo wir uns nach der Schule trafen und später abends Partys feierten. Nichts ist hier verändert und dieser Gleichklang der Dinge wirkt jedes Mal tröstend auf mich.
Nach Hause zu fahren ist kein Ritual. Aber Heimat besitzt eine Kraft, die stärker ist als einmal die Woche Yoga zu machen oder jeden Mittwoch Kuchen zu backen. Auch in meinem Elternhaus hat sich nichts verändert. Mein Zimmer hat noch die selben Gardinen wie früher, im Regal stehen noch die Fotos vom meinem Abschlussball und wenn ich ganz nostalgisch werde, blättere ich durch die alten Kisten, die voll sind mit meinen Tagebüchern aus der Teenagerzeit. Die Seiten sind gefüllt mit Liebesschwüren für verschiedene Jungen, heimlich verfasste Berichte über unerlaubte Hauspartys und manchmal einfach nur Panikeinträge über die nächste Mathearbeit (in der ich bestimmt eine sechs schreibe, sitzen bleiben und somit mein Leben für immer verpfusche!). Das zu lesen und mich an das Mädchen zu erinnern, das ich damals war und heute noch in manchen Momenten bin – auch das hilft mir, mich zu besinnen auf die Dinge, die wirklich zählen.
Nach Hause zu fahren ist kein Ritual. Aber Heimat besitzt eine Kraft, die stärker ist als einmal die Woche Yoga zu machen oder jeden Mittwoch Kuchen zu backen.
Marie Sophie KroneTweet
Jede Ecke in meinem Elternhaus ist gefüllt mit einer Erinnerung. Mein 7. Geburtstag, der letzte an dem meine Oma noch lebte, und mir einen kleinen pinkfarbenen Regenschirm schenkte. Stundenlanges Indianerspielen in unserem Garten mit meiner Schwester und unserer besten Freundin. Schlittschuhlaufen auf unserem Teich im Winter und meine Eltern, die uns damals versehentlich aussperrten, und einkaufen fuhren und uns verfroren vorfanden, als sie wiederkamen.
Geburtstagspartys im Sommer in unserem Garten, bei denen das Lachen von uns durch die umliegenden Gärten drang. Und stille Momente in so manchem Winter, wenn wir nach einer Beerdigungen bei uns im Haus noch eine heiße Suppe aßen und uns erinnerten.
Wenn ich heute nach Hause komme, streife ich durch jeden Raum und lasse mich von all diesen Momenten durchfluten. Jemand hat mal gesagt, Erinnerungen sind wie ein Fenster, durch die wir unsere Vergangenheit begreifen und unsere Zukunft erahnen. Ich glaube, sich zu erinnern, am besten an genau dem Ort, an dem so viel passiert ist, ist das ein Ritual, das mächtiger ist als alles andere. Wenn ich meine Zukunft durch meine Vergangenheit erahnen kann, dann hoffe ich auf bewegte und wunderbare Zeiten. Wenn ich Zuhause bin, mich in einen der riesigen Sessel kuschle und unseren Hund auf den Schoß nehme, umgeben von der tröstenden Stille der Heimat, in diesen Momenten glaube ich fest daran, dass es so sein wird.