Das Schlüsselwort heißt Grenzen ziehen. Die kann man geheim halten oder mit anderen teilen. Laura Suhm macht das auch ab und zu.
Oft haben wir das Gefühl, die Zeit läuft uns davon. Und dann versuchen wir, sie einzuholen. Werden hektisch, fahrig und regen uns auf. Schluss damit.
Gelassenheit hat so viele Gesichter. Sie zeigt sich überall dort, wo Grenzen gezogen werden. Diese Grenzen kann man für sich selbst ziehen, oder für andere. Man kann sie geheim halten oder jedem davon erzählen. Je nachdem sind sie unsichtbar oder für jeden zu erkennen. Grenzen können teilen – und paradoxerweise auch verbinden.
Eine riesige Grenze zog ich, als mein Freund, der bereits drei Jahre lang mein Freund gewesen war, für einen einjährigen Freiwilligendienst nach Sambia, Afrika, aufbrach. Natürlich hätte ich ihn gern hier behalten, allerdings hätte das ihn und damit über kurz oder lang auch mich unglücklich gemacht. Und so zwang ich mich, meinen Impuls, ihn zum Bleiben zu überreden zu ignorieren und ließ ihn ziehen. Eine Trennung brachte ich nicht übers Herz, dazu war es einfach zu schön mit ihm.
Was ich also ganz dringend brauchen konnte, war Gelassenheit. Wie unsere Autorin Tina Röhlich im EMOTION Dossier beschreibt, steckt der Weg dazu ganz einfach in dem Wort selbst: in dem Verb „lassen“, das sich darin verbirgt.
Ein Jahr getrennt voneinander zu leben ist eine super lange Zeit. Briefe, Auslands-Prepaidkarten und Skype – sofern die sambische Internetverbindung denn hält – ersetzen nun mal wenig. Was uns wirklich zusammen hielt, war der Nachklang unserer Erlebnisse aus der gemeinsamen Zeit in Deutschland, die wenigen Telefonate, bei denen wir uns verstehen konnten, sowie unser gemeinsamer Urlaub in Sambia, als ich ihn besuchen flog.
Zum Glück hat man immer eine Wahl, und so versuchte ich, statt in Sehnsucht zu versinken, das Beste aus der Zeit „ohne ihn“ zu machen: Ich schnappte mir meine Freundinnen und wir eroberten mit neu entfachter Euphorie und unerschüttlichem Aktionismus immer neue Cafés, Bars und Parks der Stadt.
Mein Freund und ich haben in diesem Jahr mehrere Grenzen gezogen. Dass er ging, war nur die erste. Wir haben gelernt, dass auch Telefonverabredungen richtige Verabredungen sind, für die wir auch mal anderen absagen müssen.
Ich habe eine Grenze gezogen, indem ich mich dazu brachte, meine teils echt egoistischen Gefühle zu überwältigen und durch Optimismus und Hoffnung zu ersetzen. Die allerwichtigste Erkenntnis aus diesem Jahr ist, dass wir auch ohne einander funktionieren. Aber auch, dass es miteinander einfach besser ist. Ja, Grenzen können verbinden. In einer Woche kommt er wieder und ich gebe gern zu, auch ein bisschen froh darüber zu sein, jetzt nicht länger gelassen sein zu müssen.