Raphaelle Augsberger hat sich ihren außergewöhnlichen Traum erfüllt und einen eigenen Merchandising-Shop in München gegründet.
Im Interview mit mir erzählt sie – in der Netzwelt auch unter "Glasmond" bekannt – von diesem mutigen und starken Schritt, nachdem sie vorher auf vielen anderen beruflichen Pfaden unterwegs war.
Du hast einen Merchandising-Shop für Artikel aus der Games- und Netzkultur gegründet. Wieso?
Am einfachsten wäre wohl zu sagen: Weil ich mir selbst so einen Ort gewünscht habe. Einen Ort, an dem ich akzeptiert werde, wie ich bin. Außerdem will ich stark diesem Onlineboom entgegenwirken – alles soll schnell gehen, unpersönlich, so günstig wie möglich. Das finde ich nicht schön. Warum nicht anders? Warum nicht Gleichgesinnten in die Augen schauen und eine kostenlose, freundliche und freundschaftliche Beratung in Anspruch nehmen?
Woher hast du den Mut zur Gründung genommen?
Vor dem ITEM SHOP hatte ich keinen festen Boden unter den Füßen. Ich hab bestimmt in 10 verschiedenen Jobs herumprobiert. Als Friseurin, Grafikerin, in der Werbung, als Moderatorin… Weil ich unter starken Depressionen litt hab ich Schule abgebrochen, habe keine Ausbildung gemacht.
Die Idee zum ITEM SHOP entwickelte sich dann langsam. Ich verkaufte auf kleinen Messen, mir machte es Spaß Dinge einzukaufen und zu verkaufen, Preise zu kalkulieren und derlei. Irgendwann ergab sich dann die Gelegenheit einen eigenen, etwa 100m² großen Laden zu haben. Super Lage. Tolles Gebäude. Ich musste mich entscheiden: Nehme ich diese Gelegenheit war und geben dafür mein komplettes Erbe auf, kümmere mich um Kredite und Finanzierung?
Ein schwerer Schritt!
Das Risiko war extrem hoch. Schließlich gab es so einen Laden nirgends in Deutschland. Das Konzept war in dieser Hinsicht neu. Vielleicht gab es dafür einen Grund? Vielleicht würde dieses Konzept untergehen, und ich hätte alles verloren. Übrigens haben mir viele, viele Menschen davon abgeraten. Vor allem Leute, die selbst schon Läden hatten. Das Einschüchterndste, was ich je gehört hab, war: “Ja, ich hatte auch mal einen Comicladen in München. Hab ihn aber dicht gemacht, weil sowas in München einfach nicht läuft. Deiner wird auch nichts werden, ich geb dir 2 Monate.”
Und was hat dich inspiriert?
Die Inspiration für den Laden an sich habe ich direkt aus den ITEM SHOPs in Videospielen genommen (zum Beispiel Zelda). In RPGs gibt’s oft diese Shops, die den Spieler mit allerlei Waren unterstützen, damit er die Welt retten kann. Mit den Produkten in meinem Shop kann mein Kunde vielleicht nicht die ganze Welt retten; aber sie machen ihn glücklich, und das macht seine Welt zumindest schöner!
Wieviele Mitarbeiter/innen hast du mittlerweile?
Wir sind zu dritt, plus eine Aushilfe.
Die Games- und Netzkultur scheint ja eigentlich eher immer noch eine Männerdomäne zu sein. Merkt ihr davon etwas?
Davon merken wir rein gar nichts. Unsere Kunden sind ziemlich genau 50% männlich, 50% weiblich. Manchmal auch etwas dazwischen!
Nerds und Geeks – viele halten sie immer noch für merkwürdig oder sozial nicht wirklich kompatibel. Ist da etwas dran?
Ja, da ist etwas dran. Natürlich gibt es auch Geeks die sehr gut in der Gesellschaft zurechtkommen. Ich möchte da jetzt nicht alle in eine Schublade werfen. Aber die meisten meiner Kunden – sagen wir lieber, meiner Leute, denn ich zähle mich definitiv auch zu ihnen – wurden für ihre Passionen oft gemobbt oder gemieden. Es ist in unserer Gesellschaft noch nicht völlig normal, sehr viel Leidenschaft in Spiele, Serien, Bücher, Comics zu investieren (wohingegen Saufen und Partymachen eher als „normal“ angesehen wird). Viele Leute finden keinen Draht zu solchen Menschen, da deren ausgeprägte Leidenschaften für sie nur schwer nachvollziehbar sind. Und das resultiert häufig in Distanzierung, Ablehnung oder sogar Angst.
Was passiert dadurch emotional bei einem Menschen?
Die logische Konsequenz ist, dass sie sich nicht verstanden fühlen, keinen Platz in der Gesellschaft für sich finden und sich zurückziehen. Es fällt ihnen schwerer, unter fremden Menschen ihre Meinung preiszugeben, weil sie negative Erfahrungen damit gemacht haben.
Wie gehst du damit im täglichen Geschäft um?
Ich habe gelernt, auch aus eigener Erfahrung: Wenn man diesen Menschen die Chance gibt, sie selbst zu sein, wenn man Ihnen das Gefühl geben kann, dass sie vollkommen so akzeptiert sind, wie sie sind, können sie dir zeigen was für ein ausgefeilter Gedankenhorizont sich in ihnen befindet, und können dein Leben bereichern. So schule ich auch meine Angestellten.
Mit welchen Problemen hast du im Arbeitsalltag zu kämpfen?
Ich bin Chefin, Managerin, für den Wareneinkauf zuständig, für Marktrecherche – ich muss jede Woche komplett neue Sachen bestellen, weil ich ja als Merchandise Store nicht immer wieder die selben Sachen verkaufen kann – ich bin meine Grafikerin, war meine eigenen Innenarchitektin, bin für PR zuständig, und, und, und. Es ist mehr als ein Fulltime-Job.
Ich arbeite oft bis nach Mitternacht. Verständnis gibt es nur wenig, wenn ich einem Kunden sagen muss „Ich habe gerade keine Zeit“ – das tut dann manchmal wirklich weh, da mir alle Besucher etwas bedeuten. Ich hoffe, das wird sich ändern, sobald wir finanziell etwas mehr Luft haben.
Habt ihr eine Firmen-Philosophie?
1. Wir sind keine Verkäufer. Wir sind Verbündete.
2. Wir machen den Laden nicht um reich zu werden. Wir führen ihn um Menschen ein Lächeln auf’s Gesicht zu zaubern, sie glücklich zu machen.
3. Wir geben jedem eine Chance.
4. Wir verkaufen nur Dinge hinter denen wir stehen. Keine Abzocke!
5. Ein Besuch im Shop soll für jeden ein schönes Event sein!
6. Wir lassen uns nicht für Geld misshandeln. Wenn jemand keinen Respekt vor dem Laden oder den Angestellten hat, soll er seine Waren woanders kaufen. Lieber gehen wir bankrott, als Menschen in ihrer Respektlosigkeit zu unterstützen.
Der letzte Punkt klingt hart!
… und ist wohl absolut unüblich im Business, aber er zählt zu meiner persönlichen Überzeugung! Ich bin der festen Meinung dass jeder, egal in welchem Job er arbeitet, dazu beitragen kann, die Welt ein bisschen besser zu machen.
Wie wird es mit dem ITEM SHOP weitergehen?
Erst mal werkeln wir uns aus den Schulden raus. Wenn das geschafft ist, werden wir neue Filialen in ganz Deutschland eröffnen. Und wir wollen auch ein INN eröffnen – ein Cafehotel für Geeks und Nerds. Das wird aber alles noch eine gute Weile dauern! Bis dahin geben wir unser Bestes und bemühen uns weiterhin um hohe Standards. Und wir werden weiterhin unser ganz eigenes Konzept der Transparenz und Offenheit fahren, auch wenn es unkonventionell ist.
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