Wenn nach der Trennung vom Partner das Geld fehlt, sollten bei den Weihnachtsgeschenken alle realistisch bleiben, findet Psychologin Berit Brockhausen.
Christine, 41: Es ist das erste Weihnachten seit meiner Trennung. Die Wünsche unserer Tochter, 15, übersteigen meine Möglichkeiten. Ich überlege, ob ich mir Geld von meinem Bruder leihe oder ob ich ihr besser die Wahrheit sage.
Berit Brockhausen: Sie graulen sich vor der Enttäuschung, wenn Ihr Kind erfährt, dass das Geld nicht für seine Wünsche reicht. Kein Wunder. Nach der Trennung ist Ihre Tochter der Mensch, der Ihnen am nächsten steht. Es ist Ihnen überhaupt nicht egal, ob sie sauer auf Sie ist. Und Sie sind sich nicht sicher, ob sie sich nicht vielleicht ihrem Vater zuwendet, wenn der ihr ihre Wünsche erfüllen kann.
Hier ist die Entscheidung wirklich schwierig. Na klar wissen wir alle, dass eine gute Mutter das tut, was langfristig für die Tochter am besten ist, und dass sie dafür bereit ist, den pubertären Frust oder leidenschaftliche Vorwürfe auszuhalten. Na klar wissen wir alle, dass der Wert eines Geschenkes nicht von seinem Preis abhängt. Und erst recht haben wir selbst schon erlebt, dass finanzielle Engpässe einen erfinderisch machen und kreatives Potenzial freisetzen können.
Doch Sie sind frisch getrennt. Der Mann, mit dem Sie gemeinsam durchs Leben gehen wollten, ist nicht mehr da. Es ist Weihnachten und Ihre Familie besteht nur noch aus Ihnen und Ihrer Tochter. Und nun sollen Sie auch noch ertragen, dass die von Ihnen enttäuscht ist?
Auf der anderen Seite: Die Tochter ist 15. Sie weiß, dass das Leben nicht immer einfach ist (schließlich haben sich ihre Eltern gerade getrennt). Und wenn das Geld knapp ist, dann sollte Ihre Tochter das wissen, um sich darauf einzustellen und realistische Maßstäbe zu entwickeln.
Ich wünsche Ihnen, dass Sie von Ihrem Bruder und möglichst vielen Freundinnen kein Geld, sondern emotionale Unterstützung bekommen. Und dass Sie Ihrer Tochter zeigen, wie Sie sich den finanziellen Herausforderungen nach der Trennung stellen, ohne sich die Freude verderben zu lassen.
Wann immer Ihnen das schwerfällt, machen Sie sich bewusst, dass Ihre Tochter von Ihnen nur deshalb enttäuscht ist, weil Sie nicht bereit sind, sie zu täuschen und ihr etwas vorzuspielen. Die Chance ist groß, dass sie das irgendwann schätzen wird.
Berit Brockhausen ist eine der führenden Psychologinnen Deutschlands, Expertin für Beziehungen und Buchautorin. Egal ob Sie Fragen zu Liebe, Familie, Freunden oder Nachbarn haben – hier bekommen Sie eine Antwort. Lesen Sie hier das Interview zu ihrem Buch "Hoheitsgebiete".