... sind immer viel leichter zu durchschauen als die eigenen. Da wüsste unser Kolumnist jedes Mal sofort, was man tun müsste, damit es funktioniert. Mit dem Leben und der Liebe und überhaupt. Blöd nur, wenn es um seine Probleme geht
Es passiert alles in Wellen. Was wahrscheinlich daran liegt, dass man seine eigene Generation intensiver erlebt als die ältere und jüngere. Immer hagelt es: Es hagelt Babys. Oder es hagelt Hochzeiten. Und irgendwann hagelt es Scheidungen. Und dann stellt man fest, dass der eigene Schmerz nicht so einzigartig ist, wie es einem vorkam. So wie die Liebe davor es ja offenbar auch nicht war. Stattdessen hält man nachts auf einem Sofa eine weinende Freundin im Arm und hört zwischen Schniefen, Heulkrämpfen und tiefen Schlucken aus meinem Notfallflachmann ihre Analysen darüber, was er gesagt hat, und was sie daraufhin gesagt hat, und was er dann nicht gesagt hat, was ja wohl bedeutet, dass er... All das, was wir sagen, wenn unser Gehirn zu leer ist, um zu schweigen. "Ich habe gesagt, es geht einfach nicht mehr. Und alles, was er geantwortet hat, ist: Wie machen wir das dann jetzt mit dem Urlaub?"
Dinge zerbrechen. Das ist der Lauf des Lebens: Dinge zerbrechen, es tut weh, es geht weiter. In dieser Reihenfolge. Immer. Aber das weiß man alles erst hinterher. Vorher sieht es unendlich aus, so wie der Nordseestrand eine Wüste ist, bis man endlich Wasser sieht. Aber es ist da. Irgendwo da vorne ist das Meer, und es gibt nur eine Regel für die in der Wüste: Wenn du durch die Hölle gehst, geh weiter!
Es ist erstaunlich, wie klar und einfach man alles sieht, wenn man selbst nicht betroffen ist. Wir alle wissen, dass wir die verdammte Pflicht haben, gut zueinander zu sein. Gut füreinander. Aber was wir stattdessen tun, ist testen, ob der andere auch in schlechten Zeiten für uns da ist – indem wir schlechte Zeiten schaffen. Wir können nicht glauben, dass etwas nicht bricht, und deshalb testen wir es so lange aus, bis wir den Punkt gefunden haben, an dem es bricht, und fühlen uns bestätigt. Dinge zerbrechen. Und es tut weh. Ich habe in dieser Woche schon zweimal meine Anwältin weiterempfohlen und einmal einfach zwei Stunden lang mit der Freundin an der Elbe gesessen und zugehört, warum etwas nicht geht, das eigentlich das Schönste, Wichtigste und Richtigste wäre, wenn es funktionieren würde.
Ich wüsste sogar, was man tun müsste, damit es funktioniert, es ist ja kein Geheimnis: Wir alle können nur uns selbst ändern, aber wir arbeiten uns am anderen ab. Dann sitze ich da, neben einer weinenden Frau, die nicht wegen mir weint, und ich kann das alles sehen, verstehen und fühlen, und ich weiß, wie man es machen müsste – aber ich kann das nie, wenn es um mich selbst geht.
Es kommt alles in Wellen. Seit einiger Zeit habe ich wieder Hochzeitseinladungen in der Post. Weil es immer weitergeht. Und Freunde es wieder wagen, und sicher sind, dass es diesmal anders wird. Das werde ich wohl auch irgendwann sein. Und dann versuchen zu tun, was man tun müsste: keine Wunder erwarten. Sie nehmen, wie sie ist. Einfach eine Frau.