Unser Kolumnist ist Romantiker. Und Familienmensch. Dass er jetzt Teil einer der mehr als 1,6 Millionen Familien ist, in denen die Eltern getrennte Wege gehen, ist eine Realität, die er ungern akzeptiert. Er vermisst es, vermisst zu werden
Da steht ein Hund vor der Küchentür. Es wäre übertrieben zu sagen, er hätte plötzlich dort gestanden, denn ich hatte ihn am Morgen schon einmal gesehen und mich geärgert, dass jemand seinen Hund auf
dem Spielplatz hinter dem Haus herumlaufen ließ, ganz abgesehen davon,
dass er ja nun in meinem Garten war, und da sind ein Zaun und ein Tor dazwischen, auch wenn dieses Tor vor zehn Jahren zum letzten Mal geschlossen war. Inzwischen ist es Nachmittag, und plötzlich steht der Hund da mit seiner Nase an meiner Küchentür. Er ist offensichtlich allein.
Ich mache die Tür auf und hole ihn herein. Er stürzt sich auf das Katzenfutter, als hätte er ewig nichts gefressen, allerdings habe ich Hunde noch nie anders fressen sehen. Er trägt ein Halsband und wirkt lieb. Ein bisschen ungestüm vielleicht, obwohl er nicht jung ist, aber lieb. Ich rufe Tochter Nummer Zwei aus ihrem Zimmer. "Ooooh", schreit sie, "dürfen wir ihn behalten?" Ich schüttle den Kopf. "Der wird sicher vermisst. Und wir haben doch schon Katzen."
"Aber Willy und Hummel mögen Hunde!" Was nicht ganz korrekt ist. Sie ertragen Hunde. "Wir rufen mal im Tierheim an", sage ich, aber es ist Samstag und das Telefon nicht besetzt. Ich versuche, ein halbwegs scharfes Foto zu machen und poste es auf Facebook mit dem Hinweis, dass wir den Hund zur Wache 16 bringen.
Nummer Zwei kommt mit. Den ganzen Weg über malen wir uns aus, wie es wäre, den Hund zu behalten, dass sie ganz sicher jeden Tag zweimal mit ihm spazieren ginge und überhaupt. Der Zwinger im Keller der Wache hat kein Fenster, nur eine Neonröhre und eine dünne Wolldecke auf dem nackten Beton. Es ist schrecklich. Aber wir haben zwei Katzen, wir können keinen Hund aufnehmen. Und der hier wird sicher vermisst. Aber es ist unmöglich, nicht mit diesem Hund zu fühlen. Er ist verloren worden. Und jeder weiß, wie sich das anfühlt. Vielleicht wird man gar nicht vermisst.
Auf dem Rückweg reden wir darüber, dass er sicher abgeholt wird. Dass ihn schließlich jemand ganz doll lieb hat und dass man ewig sucht, wenn man lieb hat. Was ich nicht sage, ist: dass Liebhaben enden kann und dass meiner Erfahrung nach Frauen das manchmal erst an dem Tag bemerken, an dem es zu spät ist.
Als wir am nächsten Morgen auf der Polizeiwache anrufen, hat ihn niemand abgeholt. Sie haben ihn ins Tierheim verlegt. Nummer Zwei weint, und ich weiß nicht, was ich ihr sagen soll, denn die Wahrheit ist: Manchmal wird man nicht abgeholt und man wird nie erfahren, warum.
Das Bild auf Facebook wurde inzwischen 1000-mal geteilt, und ein Mädchen aus der Nachbarschaft hat ihn erkannt. Der Hund heißt Tony. Alle fühlen mit. Aber es geht nicht um alle. Es geht um einen bestimmten. Wie der Mensch dazu heißt, weiß das Mädchen nicht. Ich weiß nicht, ob Hunde vermissen, wie ich vermisse, aber es ist sicher nicht schön.
Zwei Wochen später schickt mir eine Freundin ein Bild von der Hundewiese: "Guck mal, wen ich getroffen habe!" Es ist Tony, an einer Leine, an einer Hand. "Wenigstens einer von uns", denke ich, und dann rufe ich Nummer Zwei.