Als unser Kolumnist auf einer Party den verliebten Blick einer Frau auffing (der aber nicht ihm galt), war er schwer gerührt. Fehlt jetzt nur, dass so ein Blick bald auch ihn wieder trifft
Er selber hat ihn gar nicht bemerkt, glaube ich, den Blick. Es war auf einer Party, und zum Glück bin ich langsam alt genug, um auf Partys eingeladen zu werden, auf denen schon wieder unironisch getanzt wird. Das ist eine Erleichterung nach all den Jahren, in denen selbst die Geburtstagsgeschenke unter Erwachsenen ironisch waren, weil ein echtes Geschenk viel zu viel über den Schenkenden selbst verraten hätte. Und dann jetzt dieser Blick.
Er hat gar nicht wirklich getanzt, er hat sich nur durch die Menge geschoben, die Getränke möglichst hoch haltend, um nicht mit einem Tänzer zusammenzustoßen, und dann, als er direkt auf der Tanzfläche war, machte er ein paar ganz kleine, elegante Schritte zur Musik, mit Hüftschwung. Ein wunderschöner, kleiner Moment, und ich hätte ihn nicht gesehen, wenn nicht seine Freundin fast neben mir gesessen hätte, die gebannt auf ihn starrte, seitdem er in ihrem Blickfeld aufgetaucht war. Mein Blick war ihrem gefolgt. Er hatte den beiden Drinks geholt. So weit ich das erkennen konnte, hat er nicht gesehen, wie sie ihn angestrahlt hat. Er hat das nicht für sie gemacht, es war keine Show. Aber sie strahlte. So verliebt. So wahnsinnig stolz. So unglaublich froh, mit genau diesem Mann hier zu sein. Ich wünschte, es würde mich mal wieder jemand so angucken.
Ich bilde mir ein, ich konnte es in seinem Gang sehen. An dieser Anmut in den drei, vier kleinen Tanzschritten. Daran, wie aufrecht er ging. Er braucht ihren Blick nicht einmal sehen, ich glaube, so was spürt man. Ich bin mir sicher. Und dann tanzt man automatisch, und weil es so natürlich ist, sieht es immer gut aus. Nichts ist schöner als ein Mensch, der gerade genau sein Leben lebt. Es ist die größte Gerechtigkeit, dass man genau das nicht kaufen kann. Man kann Präsident der Vereinigten Staaten sein, aber wenn einen die eigene Frau beim Ball zur Amtseinführung nicht so ansieht, hat man nicht wirklich etwas gewonnen. Ich mag es, dass das so ist. Doch es gibt Momente, da würde ich es kaufen, nur um es noch mal zu spüren.
Es gibt ein Buch mit dem zumindest sinngemäßen Titel "Lieb dich selbst, dann kannst du heiraten, wen du willst", und klar, das ist ein schöner Satz. Aber die Hürde ist wahnsinnig hoch, und dabei will ich, dass in jedem Fall alle nur heiraten, wen sie wollen. Und in diesem kleinen Moment dachte ich, egal was morgen ist: In diesem Augenblick braucht keiner der beiden sich selbst zu lieben, das wird alles schon für ihn erledigt. Und es sieht aus, als wäre das ganz schön gut Ich habe den Rest der Nacht getanzt. Völlig unironisch. Es mag lustig ausgesehen haben, das kann sehr gut sein, aber ich habe das völlig ernst gemeint. Und ich habe den Typen beneidet und mich gleichzeitig für ihn gefreut. An diesem Abend war alles Musik für ihn. Und er hat dazu getanzt. Das hat sie gemacht, einfach, indem sie da war. Einfach eine Frau.