Diesen Satz hört wahrscheinlich nicht nur unsere EMOTION Kollegin. Wie soll das gehen? Das trainierte Sie in einer Einzelstunde mit Psychologin Kathrin Zach.
Eine EMOTION Kollegin: Gerade heute Morgen habe ich eine Situation erlebt, die sich perfekt als Beispiel dafür eignet, warum ich hier bin. Meine Tochter hat gemault: "Wohin hast du schon wieder meine Sachen geräumt, du Arsch?" Ich habe gesagt: "Ich möchte nicht, dass du so mit mir sprichst!", woraufhin sie nur stöhnte: "Nimm das doch nicht so persönlich." Da frage ich mich: Bin ich zu empfindlich oder ist sie respektlos?
Kathrin Zach: Also diesen Satz würde ich auch persönlich nehmen und ich würde mich auch dagegen wehren! Aber grundsätzlich kann man beide Sichtweisen verfolgen: Sie können sich ein dickeres Fell zulegen oder Ihre Abwehr stärken. Geraten Sie denn häufiger in solche Situationen?
Ja, gerade mit Menschen, die mir sehr nah sind. Es ist da ein inneres Widerstreben in mir, dass sie einfach so ihre Launen raushauen können. Das will ich nicht akzeptieren. Ich glaube auch, dass ich einen Anteil daran habe, es irgendwie zulasse. Je transparenter ich mich mit meinen Gefühlen mache, desto eher passiert das. Dabei möchte ich diese Offenheit unbedingt behalten. Gleichzeitig will ich ganz klar machen: "Nicht mit mir!", wenn es in eine Richtung geht, die mir auf die Stimmung schlägt.
Das ist das Diffizile an der Offenheit. Sie ist eine Stärke, die ungemein zum Miteinander beitragen kann, weil sie uns greifbarer für andere Menschen macht. Aber damit macht sie uns zugleich angreifbarer. Sie haben es eben angesprochen: Wozu lade ich eigentlich ein? Es gibt Menschen, die geben mehr Signale als andere, dass man bei ihnen auch mal was abladen kann.
Bisher haben alle meine Methoden, mich aus der schlechten Laune anderer zu befreien, nicht gegriffen. Die einfachste ist: Flucht. Ohne Kommentar den Raum verlassen. Aber ich kann mich dann nicht entspannen. Andere Methode – sagen: "Ich möchte nicht, dass du so mit mir sprichst!" Dies führt, wie heute Morgen erlebt, meist zur Eskalation. Dritte Methode: Ich raste selbst aus, um dem anderen so zu begegnen, wie er mir gerade begegnet. Das funktioniert auch nicht. Die Reaktion ist dann etwa: "Mein Gott, wie hysterisch bist du denn? Krieg dich mal wieder ein!"
Haben Sie auch schon einmal erlebt, dass Sie mit Ihrer eigenen Reaktion zufrieden waren?
Nein. Souverän finde ich es, einfach zu gehen. Aber ich merke dann, das schlechte Gefühl des anderen bleibt in mir.
Es ist schon angekommen?
Genau. Und ich werde es auch nur dann wieder los, wenn ich es noch einmal thematisiere, sobald die Person abgekühlt ist. Meine Tochter hat sich vorhin auch entschuldigt und gesagt: "Ich muss mich so beeilen. Und dann reichst du mir auch noch die falschen Sachen. Da lass ich den Druck halt an dir aus."
Daran wird deutlich, dass das, was da passiert, erst einmal mit der Verfassung des Senders, in dem Fall Ihre Tochter, zu tun hat. Es passiert, weil Ihre Tochter gestresst ist, und würde wahrscheinlich jemand anderen, der gerade da wäre, auch treffen.
Ich sehe schon einen Unterschied. Mein Mann würde dann zum Beispiel richtig sauer, das will meine Tochter nicht riskieren und reißt sich zusammen.
Wir Menschen haben das Bedürfnis, respektiert zu werden, und wir möchten auch gemocht werden. Aber gerade bei diesen beiden Bedürfnissen sind wir unterschiedlich. Wem der Respekt noch wichtiger ist als die Sympathie, strahlt das aus und lädt so weniger dazu ein, Blitzableiter zu sein. Ist Ihnen aber Sympathie sehr wichtig, sind Sie gewissermaßen ein Stück weicher – und werden eher zum Adressaten schlechter Laune.
Ich weiß ja, dass meine Tochter mich trotzdem mag, aber es ist diese Respektlosigkeit, die mich kränkt: Weil du da bist, kriegst du meinen Müll ab.
Ja, und Sie nehmen da etwas persönlich, was in der tat auch persönlich ist.
Das tut gut, dass Sie das sagen! Es ist das Gegenteil von dem, was ich sonst höre.
In solch einer Situation kommt ja viel zusammen. Ein Teil ist natürlich, was der Andere über sich selbst aussagt. Das heißt, Sie können auf den Anderen schauen und sich fragen, was ist mit dem gerade los. Das hilft ungemein, um selbst ein Stück aus der Schusslinie zu treten. Aber es schwingt auch etwas anderes mit. Wenn Ihre Tochter sagt: "Du Arsch", schwingt auch mit: "Wir stehen so zueinander, dass ich dich auf diese respektlose Weise ansprechen kann. Ich muss mich nicht am Riemen reißen, um dir wertschätzend zu begegnen."
So argumentiert sie auch: Sie müsse den ganzen Tag Rücksicht nehmen, da tue es gut, mir gegenüber ungefiltert alle Gefühle rauszulassen. Es sei gewissermaßen ein Zeichen von Liebe, dass das mit mir möglich sei. Über diesen Liebesbeweis kann ich mich nicht so freuen.
Womöglich haben sie beide Recht. Ihre Tochter mit: "Es ist ein Vertrauensbeweis und ich darf dir etwas zumuten." Und gleichzeitig Sie mit: "Das ist unmöglich und ich muss mich zur Wehr setzen." Es stimmt ja, dass Ihre Beziehung stark ist und etwas abkann. Gleichzeitig ist die Art und Ausdrucksweise für Sie eine Respektlosigkeit und Zumutung.
Die Kränkung ist auch die, dass ich selbst ja den Aufwand betreibe, mit meiner schlechten Stimmung erst mal alleine klarzukommen. Bei großem Druck im Job ziehe ich mich beispielsweise meist zurück. Denn wenn ich mir vorstelle, ich würde meine Angespanntheit im Großraumbüro ausagieren wie einige andere, dann wäre das Arbeiten unmöglich. Und ich merke auch, wie positiv es sich auswirkt, wenn ich in solchen Situationen gefasst bleibe. Weil ich das weiß, bin ich sauer auf die, die nicht sehen, welche schlechte Energie sie in den Raum schicken.
Sie legen Wert auf ein gutes Betriebsklima und reißen sich dafür auch mal zusammen. Erlaubt sich dann jemand, seine Launen in den Vordergrund zu stellen, ärgert Sie das doppelt, zum einen, weil Sie die schlechte Laune abbekommen, und zum anderen, weil sich da jemand etwas rausnimmt, was sie sich selbst untersagen. Und es steckt noch eine zweite Komplikation in dieser Situation. Wenn Sie sich dann nämlich zur Wehr setzen und als Reaktion daraufhin ernten: "Nimm's nicht persönlich", steckt darin die Botschaft: "Wenn du dich wehrst, bist du mimosenhaft und nicht in Ordnung!" Das Blöde ist, dass wir uns dadurch leicht in Ketten legen lassen. Ich muss das scheinbar hinnehmen, denn wenn ich mich wehre, bin ich nicht in Ordnung. Dadurch ist die Wehrhaftigkeit eingeschränkt.
Stimmt, ich werde so tatsächlich zum Opfer und denke, ich bin jetzt wirklich mimosenhaft. Ich bin nicht mehr frei in dem, wie ich darauf reagieren könnte.
Da sind wir bei der Machtfrage: Wer urteilt darüber, welche Reaktion angemessen ist? Momentan das Gegenüber.
Für mich ist es auch ein Zeitgeist Thema. Viele in meinem Umfeld sagen: Ich habe ein Recht darauf, mich mit allen Ecken und Kanten zu zeigen. Sieh du zu, wie du damit klarkommst.
Hier finde ich ebenfalls den Blick der Gleichzeitigkeit wichtig und würde sagen: Ich habe das Recht, authentisch zu sein – und zugleich die Pflicht, darauf zu achten, was ich meinem Gegenüber zumute. Wer das Diplomatische außer acht lässt, läuft Gefahr, das Konfrontative zu übertreiben. Er wird zum Bulldozer, der nicht nach rechts und links guckt und damit Beziehungsschaden anrichtet.
Und wie kann ich als vermeintliche Mimose etwas bulldozerhafter werden?
Ihre Frage war ja, was Sie tun können, damit es Sie nicht so erfasst. Ich finde wichtig, dass Sie die Wahl haben in solchen Situationen: Sie haben ein Recht darauf, es persönlich zu nehmen!
Ich merke auch, dass mich dieser Satz wirklich entlastet. Sie dürfen sagen: "Wenn du 'Arsch' zu mir sagst, nehme ich das persönlich." Wenn Sie das sagen, klingt das so schön gelassen. In dieser Haltung würde ich das gern rüberbringen.
Es ist natürlich ein Unterschied, ob ich das hier sage oder Sie in dem Moment, wo Sie emotional betroffen sind. Es gehört auch dazu, sich zu erlauben, dann eben nicht souverän und gelassen zu reagieren. Es braucht diese Großzügigkeit mit sich selbst, den Blick aufs menschliche: Wenn wir angegriffen werden, dann sind wir nun mal nicht entspannt.
Sie glauben also nicht, dass ich grundsätzlich mehr Dickhäutigkeit entwickeln kann?
Doch, das kann man trainieren. Es gibt ja diesen Spruch: "Was Paul über Peter sagt, sagt mehr über Paul als über Peter." In dem Maße, wie es mir gelingt, darauf zu achten, was die Aussage über mein Gegenüber aussagt, werde ich in solchen Situationen weniger empfindlich und dafür dickhäutiger. Wenn ich mich hingegen frage: "Was habe ich jetzt verkehrt gemacht?", trifft es mich und geht mitten ins Herz. Wenn ich aber denke: "Ach, was ist denn jetzt mit dir los?", stelle ich mich ein Stück zur Seite.
Wenn mich ein Fremder im Bus anpöbelt, kann ich das ohne Weiteres. Dann nehme ich das gar nicht persönlich, sondern lächle ihn eher noch milde an.
Dann haben Sie ja die Ressource und müssen sie "nur" noch übertragen. Sie wissen, in welchen Beziehungsmustern Sie momentan noch nicht greift, aber sie haben sie zur Verfügung.
Bei denen, die mich nicht kennen, weiß ich ja, dass ich ihnen egal bin. Bei den anderen kränkt es, dass sie mir nah sind und trotzdem so rücksichtslos.
Meine Vermutung ist, dass Sie die Gutelaune-Beauftragte sind. Ihr Verantwortungsbereich ist, für Harmonie und Gemeinsamkeit zu sorgen – und die Anderen nehmen das vermutlich gern in Anspruch. In diesem Verantwortungsgefälle steckt die Chance, sich selbst zu sagen: Ich übernehme eine Teilverantwortung für gute Stimmung. Jetzt bin ich gespannt, was ihr dafür tut.
Stimmt, es wird mir von meinem Umfeld wenig schlechte Laune erlaubt.
Vor allem müssen Sie sich das selbst erlauben. Das ist die größte Hürde. Und wie mache ich das?
Wenn schlechte Stimmung entsteht, lehnen Sie sich mal bewusst zurück und sagen zu sich: Meinen Teil zur Harmonie habe ich beigetragen, jetzt schaue ich mal, ob ihr euren Teil auch leistet.
Das wird sichtbar ohne Worte?
Ja, wobei eine andere Körperhaltung automatisch andere Äußerungen mit sich bringt. Die innere Haltung dabei ist: Ich nehme eure Bedürfnisse ernst. Und ich nehme gleichzeitig mich und meine Bedürfnisse ernst.
Und wenn die Stimmung blöd bleibt?
Wenn andere ihren Teil der Verantwortung fürs Gemeinsame nicht übernehmen, dann kümmern Sie sich ganz bewusst um sich selbst. Sie können dafür nach einem Erste-Hilfe-Satz suchen, der Ihnen hilft, aus der Schusslinie zu treten. Für viele ist solch ein Satz: "Ach, so siehst du das!" Also zurückbrüllen ist dann wohl keine gute Methode?
Ach, warum nicht? Kann man auch mal machen – nach dem Motto: "Du hast ein Recht, Dampf abzulassen, ich auch!" Nur scheinen Sie nicht der Mensch zu sein, der dabei aufblüht. Es gilt zu schauen, welche Verteidigungsmethoden zu einem passen.
Der Bulldozer bin ich einfach nicht.
Die Mimose wird nicht wehrhaft, indem sie sich in einen Bulldozer verwandelt, sondern indem sie sich ihr Recht auf Empfindlichkeit zugesteht.