Berit Brockhausen ist eine der führenden Psychologinnen Deutschlands und Expertin für Beziehungen. Egal ob Sie Fragen zu Liebe, Familie, Freunden oder Nachbarn haben – hier bekommen Sie eine Antwort.
Vertrauensverlust
Andrea, 46: Mein Mann hatte sechs Wochen lang eine Affäre. Das ist ein Jahr her und unsere Beziehung ist heute sogar besser als zuvor. Aber ich bekomme es nicht aus dem Kopf. Wie kann ich damit abschließen?
Berit Brockhausen: Abschließen können Sie nur Dinge, die vorbei sind. Selbst dann ist die Unschuld unwiederbringlich verloren. Mit „Unschuld“ meine ich das Vertrauen, dass der Mensch an unserer Seite uns so etwas nie antun würde. Dass er uns nie ins Gesicht lügen würde, im vollen Bewusstsein, dass er etwas tut, von dem er weiß, dass es uns sehr verletzen wird. Jetzt wissen Sie: Er kann das. Und es gibt Situationen, in denen er sich dafür entscheidet, genau das zu tun.
Was macht Sie sicher, dass er es heute wirklich gut mit Ihnen meint? Geht es bei seinen Beteuerungen, wie leid es ihm tut, wirklich um Sie? Oder bedauert er sich selbst und all den Ärger, den ihm sein „Fehltritt“ eingebracht hat? Um abschließen zu können, müssen Sie spüren, dass er Sie nicht verletzen will. Nach vorn schauen und die schlimmen Dinge hinter sich lassen reicht da leider nicht.
Fotos der Geliebten zu zeigen gehört für mich in die Kategorie „dem anderen wehtun“, und über Details seiner Affäre zu sprechen ebenfalls. Viel wichtiger als dieses falsch verstandene „Aufarbeiten“ ist, ob Ihr Mann dazu steht, dass er sich entschieden hat, auf die Annäherung dieser Frau einzugehen. Solange er sich als Opfer darstellt, haben Sie keinen Anlass, sich in Ihrer Beziehung sicher zu fühlen.
Wenn Sie nicht abschließen können, finden Sie heraus, was Sie irritiert. Ich vermute, dass es weniger mit dem Seitensprung zu tun hat als mit dem Verhalten Ihres Partners seither.
Erziehung
Eva, 38: Die Geschenke meiner Freundin sprengen immer den Rahmen. Sie übergeht mein Argument, dass meine Kinder, 6 und 8, inzwischen darauf spekulieren.
Berit Brockhausen: Bei allem Verständnis dafür, wie toll das ist, die Lieblingstante zu sein, gibt es doch einen Unterschied zwischen Verwöhnen und die Erziehungsgrundsätze der Eltern zu unterlaufen. Wenn Ihre Freundin nicht bereit ist, Sie in der Erziehung der Kinder zu unterstützen, dann müssen stattdessen Sie konsequent sein: Sie wird die Kinder nur sehen, wenn sie keine Geschenke dabeihat. Möchte sie den Kindern Geschenke machen, lässt sich das lösen: Sie zeigt sie Ihnen und Sie entscheiden, was angemessen ist und was die Kinder bekommen. Der Rest wird verwahrt oder gespendet.
Jetzt wird es spannend: Haben Sie den Mut, das vor Ihrer Freundin und genau so vor Ihren Kindern zu vertreten? Und sind Sie bereit, der Freundin den Umgang mit den Kindern zu untersagen (und das auch durchzusetzen), wenn sie anfangen sollte, sich bei den Kleinen zu beschweren, dass Sie ihnen die Geschenke vorenthalten? Denn ein solches Verhalten wäre wirklich schädlich für die Kinder, weil sie dadurch in einen Loyalitätskonflikt gebracht würden.
Wenn Ihre Freundin das täte, meint sie es tatsächlich nicht gut mit den Kindern. Wenn Sie es gut mit ihr meinen, treffen Sie sich zu einem Gespräch, warum es ihr so wahnsinnig wichtig ist, große Geschenke zu machen. Aber wenn sie nicht aufhört, sorgen Sie dafür, dass Schluss damit ist. Ich wünsche Ihnen den Mut und die Klarheit, die das braucht.
Kontaktabbruch
Sabine*, 63: Mein Sohn, 31, hat vor vier Jahren den Kontakt zu unserer Familie abgebrochen, als es ihm sehr schlecht ging. Ich leide sehr darunter. Wie kann ich die Verbindung wieder aufnehmen?
Berit Brockhausen: Ihr Sohn ist erwachsen. Sollte ihm etwas passiert sein, das Ihre Unterstützung erfordert, hätten er oder die Behörden sich bei Ihnen gemeldet. Wenn er sich nicht meldet, dann deshalb, weil er den Kontakt zu Ihnen nicht aufnehmen will. Niemand entscheidet aus einer Laune heraus, zu verschwinden und damit seinen Eltern Schmerzen zu bereiten. Und eine vorübergehende persönliche Krise führt ebenfalls nicht zu einem jahrelangen Kontaktabbruch. Ihr Sohn will Sie zurzeit weder sehen noch sprechen noch von Ihnen hören.
Solange das so ist, können Sie nichts tun, außer zu warten, ob und wann er sich wieder bei Ihnen meldet. Wenn Sie möchten, dass er danach mit Ihnen in Kontakt bleibt, sollten Sie sich jetzt schon fragen, was Sie vermissen. Geht es wirklich um ihn? Oder geht es möglicherweise auch darum, dass er nicht mehr für Sie da ist – als Unterstützung oder auch in der Rolle als Sohn? Was wollen Sie von ihm? Und was wollen Sie für ihn? Welche Art von Beziehung wünschen Sie sich zu ihm? Und aus welchen Gründen sollte er das gut finden? Was hat er davon, außer in Ihren Augen und für Sie ein guter Sohn zu sein?
Ich wünsche Ihnen sehr, dass Sie sich diese Fragen stellen können. So schwer es auszuhalten ist, Ihr Sohn kann nicht allein Ihnen zuliebe zurückkommen, sondern Sie müssten ihm etwas geben können, was er wirklich braucht und was ihm guttut. Und das Schwerste: Wenn Sie ihn lieben, lassen Sie Ihre Trauer zu und geben Sie ihn frei, wenn es das ist, was gut für ihn ist. Das ist unsere Aufgabe als Mutter, auch wenn das keiner von uns leichtfällt.
*Name von der Redaktion geändert
Berit Brockhausen ist eine der führenden Psychologinnen Deutschlands, Expertin für Beziehungen und Buchautorin. Lesen Sie hier das Interview zu ihrem Buch "Hoheitsgebiete".