Berit Brockhausen ist eine der führenden Psychologinnen Deutschlands und Expertin für Beziehungen. Egal ob Sie Fragen zu Liebe, Familie, Freunden oder Nachbarn haben – hier bekommen Sie eine Antwort.
Häusliche Gewalt
Merle, 39: Der Mann meiner Freundin zieht sie an den Haaren und tritt sie. Sie bleibt, weil er droht, ihr die Kinder zu nehmen. Ich glaube, dass er das gar nicht kann – habe aber Angst, falsch zu liegen
Berit Brockhausen: Wenn Sie Angst haben, falsch zu beraten, dann ermutigen Sie Ihre Freundin doch, jemand aufzusuchen, der oder die sie richtig beraten kann. Eine Familienanwältin zum Beispiel. So lassen sich die rechtlichen Fragen klären und Ihre Freundin bekommt eine verlässliche Grundlage, auf der sie ihre Entscheidungen treffen kann.
Ob sie dann tatsächlich auch gehen wird, ist fraglich. Wenn Sie es gut mit ihr meinen, machen Sie ihr keinen Druck. Denn den hat sie schon genug, sowohl von ihrem Mann als auch in sich selbst mit all den Selbstzweifeln, Schuldgefühlen und der schwindenden Selbstachtung. Sie braucht nicht noch eine Freundin, die ebenfalls an ihr zerrt und ihr vermittelt, dass sie unfähig ist, das Richtige zu tun. Und ganz ehrlich, wie viel Einfluss haben Sie? Können Sie Ihre Freundin wirklich zur Trennung bewegen? Eben. Zeigen Sie ihr lieber, dass Sie sie gern haben, ganz gleich, wie sie sich entscheidet. So geben Sie ihr den Spielraum, für sich tatsächlich den richtigen Weg zu finden, egal wie dieser aussieht. Nur wenn Sie erfahren, dass der Partner Ihrer Freundin auch den Kindern gegenüber gewalttätig wird, dann werden Sie bitte aktiv. Nicht indem Sie Ihre Freundin zur Trennung bewegen, sondern indem Sie den Fall beim Jugendamt melden.
Familie
Andrea, 45: Die Freundin meines Sohns (beide 17) hat es zu Hause schwer. Manchmal ist sie aggressiv zu ihm, oft wirkt sie depressiv. Unser Haus ist für sie offen. Aber ich mache mir Sorgen, dass sich mein Sohn übernimmt.
Berit Brockhausen: Es ist rührend, dass Ihr Sohn sich so für seine Freundin einsetzt. Und ja, es kann sein, dass er sich übernimmt. Dass er leidet und sich das Mädchen am Ende doch von ihm trennt. Wie viel Vertrauen haben Sie in Ihren Jungen? Kann er eine solche Enttäuschung überleben, vielleicht sogar daran wachsen? Wenn nicht, haben Sie tatsächlich Grund zur Sorge. Doch ihn davor bewahren können Sie dennoch nicht. Das Vertrauen in ihn macht es nur leichter zuzusehen, wie die beiden jungen Leute ihren Weg suchen. Das müssen sie so oder so. Und ganz gleich, wie schmerzhaft es sein wird, sie werden daran wachsen und erwachsen werden. So schwierig es für uns Eltern auch sein mag, es ist nicht sinnvoll, den Kindern das ersparen zu wollen. Sie können das Mädchen auch darauf hinweisen, dass es sich Hilfe suchen kann, wenn es ihr nicht gut geht. Jugendberatungsstellen oder Therapeuten und Therapeutinnen für Jugendliche unterstützen junge Menschen in schwierigen Situationen. Sie können auch das Ausmaß der Depression oder einer Suizidgefährdung einschätzen. Wenn Sie mit Ihrem Sohn darüber reden, sagen Sie einfach nur, dass Sie sich manchmal Sorgen machen und dass es diese Möglichkeit gibt. Auch für ihn allein, wenn er sich beraten lassen möchte, wie er seiner Freundin am besten helfen kann. Und wenn es Ihnen schwerfällt, die eigenen Ängste um den Jungen im Zaum zu halten, nehmen Sie selbst die Unterstützung einer Beratung in Anspruch. So zeigen Sie den "Kindern", wie Erwachsene dafür
sorgen, dass es ihnen gut geht.
Mundgeruch
Josefine, 31: Ich habe einen tollen Mann kennengelernt. Aber manchmal hat er ganz unangenehmen Mundgeruch. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Josefine, 31
Berit Brockhausen: Oje, jetzt müssen Sie sich entscheiden: Wollen Sie taktvoll sein und den armen Kerl durch Ihr für ihn unerklärliches Verhalten irritieren, indem Sie sich zurückziehen und Küsse oder Nähe vermeiden? Dann kann er die Zeichen nur so deuten, dass Sie nicht an einer Beziehung interessiert sind und wird sein Werben vermutlich aufgeben. Oder riskieren Sie, ihn anzusprechen? Klar, er könnte peinlich berührt sein und sich nicht mehr melden. Das Ergebnis wäre also in beiden Fällen das gleiche: Der Mundgeruch hat Sie getrennt.
Mit zwei entscheidenden Unterschieden: Erstens, wenn es Ihnen gelingt, ihn liebevoll über den Geruch zu informieren, hat er eine Chance, die Peinlichkeit zu überwinden und zu wissen, dass er mit Ihnen eine Frau bekommt, die wirklich auf seiner Seite ist und ihm auch unangenehme Wahrheiten nie vorenthalten wird. Wenn er klug ist, wird er Sie nicht mehr gehen lassen. Und sollte er die vermeintliche Blamage nicht überwinden können, dann seien Sie froh, dass Sie ihn los sind. Auch der Rest der Beziehung wäre schnell zu einem Eiertanz um sein empfindliches Ego geworden. Zweitens, angenommen, Sie sagen aus lauter Taktgefühl nichts, dann kann es sein, dass er all Ihre unbehaglichen Signale ignoriert, solange er Nähe will. Sie müssen wissen, ob Sie das angewidert ertragen wollen. Und ob Sie auf einen Mann stehen, dem es nichts ausmacht, Ihnen das zuzumuten. Ich halte es für klüger, ihn frühzeitig und zugewandt zu konfrontieren, vor allem, wenn Sie ihn sonst toll finden.
Berit Brockhausen ist eine der führenden Psychologinnen Deutschlands, Expertin für Beziehungen und Buchautorin. Lesen Sie hier das Interview zu ihrem Buch "Hoheitsgebiete".