Schwangere Frauen durchleben oft ein Wechselbad der Gefühle. Wenn Ängste überhandnehmen, können Beraterinnen wie Maren Weidner bei pro familia helfen.
EMOTION.DE: Erzählen Sie uns doch kurz von Ihrer Tätigkeit bei pro familia!
Maren Weidner: Ich bin Ärztin und bei pro familia als Beraterin tätig. Ich übernehme zum einen die Schwangerschaftskonfliktberatung beziehungsweise die Pflichtberatung vor einem möglichen Schwangerschaftsabbruch. Zum anderen betreue ich die Familienplanungsberatung sowie die Beratung von Paaren, die einen unerfüllten Kinderwunsch haben. Außerdem unterstütze ich Schwangere, die sich im Kontext von vorgeburtlichen Untersuchungen plötzlich mit einem auffälligen Befund konfrontiert sehen und eine Entscheidung finden müssen, wie sie damit umgehen.
Ängste und Zweifel während der Schwangerschaft sind vermutlich ganz normal. Wann kommen die Frauen zu Ihnen?
Das ist natürlich sehr unterschiedlich. Zu uns kommen nicht oder nur sehr selten Frauen, die keine Probleme haben. Es sind vielmehr diejenigen, die zum Beispiel noch gar nicht wissen, ob sie die Schwangerschaft austragen möchten. Die Gründe, warum ein Schwangerschaftsabbruch in Erwägung gezogen wird, liegen in der Partnerschaft, in der Lebenssituation, haben den Hintergrund finanzieller oder individueller psychischer, emotionaler Probleme, liegen manchmal aber auch in der Familiengeschichte begründet.
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Mit welchen konkreten Ängsten haben werdende Mütter am häufigsten zu kämpfen?
Eine Schwangerschaft ist, wenn sie erstmal eingetreten ist, eine Situation, die nicht steuerbar ist. Auch dann nicht, wenn sie geplant war. Es passiert etwas Körperliches, das für die Frauen bedeuten kann, dass sie sich dem ausgeliefert fühlen. Da sind die körperlichen Veränderungen, die sie spüren, später aber auch sehen. Außerdem die Sorge: Werde ich dem überhaupt gerecht – der Mutterschaft und dem, was da auf mich zukommt.
Eine Schwangerschaft ist eine gravierende Veränderung einer Partnerschaft hin zu einem Dreieck: Was bedeutet das für die Beziehung? Wo bleibt das Paar als Liebespaar oder geht es erst einmal nur darum, Eltern zu werden? Das sind Aspekte, die Frauen beschäftigen.
Inwiefern spielt es dabei eine Rolle, ob eine Frau ungewollt oder gewollt schwanger ist?
Das spielt meist am Anfang eine Rolle. Ungewollt ist ja das eine, ungeplant das andere. Wenn es eine nicht geplante Schwangerschaft ist, aus der eine angenommene Schwangerschaft wird, können diese Aspekte wichtig sein. Wenn es eine nicht gewollte Schwangerschaft ist und diese Sorgen im Vordergrund stehen, wird sich die Frau vermutlich für einen Abbruch entscheiden.
Wie ist es bei gewollten Schwangerschaften?
Meine Erfahrung aus wirklich vielen Jahren meiner Beratungstätigkeit ist, dass für viele Frauen erst, wenn sie schwanger sind, tatsächlich die Bedeutung spürbar ist, was es heißt, schwanger zu sein und zu bleiben. Oft können sie erst dann die Veränderungen, die damit einhergehen, wahrnehmen. Alles, was an Gedanken vor Eintritt der Schwangerschaft stattgefunden hat, ist wahrscheinlich hilfreich, hat aber nicht unbedingt viel mit der Realität einer tatsächlichen Schwangerschaft zu tun.
Sorgen auch bestimmte gesellschaftliche Erwartungen dafür, dass schwangere Frauen Angst haben?
So selbstverständlich es einerseits heutzutage ist, dass Frauen berufstätig sind, auch wenn sie Mütter sind, so schwierig ist es für einige Frauen immer noch, es sich vorzustellen, beides gut unter einen Hut zu kriegen. Zum Beispiel, weil es finanziell ein Problem ist, sodass sie sich es gar nicht anders vorstellen können als zu arbeiten. Dann haben sie aber die Sorge, wie sie ihr Kind gut unterbringen oder ob sie als Rabenmutter gesehen werden, wenn sie ihr Kind nach dem ersten Jahr Elternzeit in die Betreuung geben.
Wie lassen sich denn solch zermürbende Gedanken wie "Ich werde keine gute Mutter sein" aus der Welt schaffen?
Als Beraterin bin ich zutiefst davon überzeugt, dass es hilfreich ist, über solche Sorgen zu sprechen. Und zwar nicht nur im Freundes- und Familienkreis, sondern mit jemandem, der aus professioneller Sicht Anregungen geben kann. Ganz andere Fragen stellt und hilft, den Blick zu weiten.
Können Sie mir ein paar Dinge nennen, an denen sich eine werdende Mutter festhalten kann, wenn sich das Sorgenkarussell mal wieder dreht?
Das eine ist, sich zu fragen: Wer ist ein Vorbild für mich? Ist das die eigene Mutter? Ist es vielleicht eine Freundin, die schon ein Kind hat? Oder eine Tante, die genau das vorlebt, was ich mir vorstelle?
Das andere ist, den Partner oder bei Frauenpaaren die Partnerin mit einzubeziehen, der Frau das Gefühl zu geben, sie steht nicht allein da. Frauen, die vermutlich alleinerziehend sein werden, helfe ich dabei, schon in der Schwangerschaft Kontakte zu anderen in vergleichbaren Lebenssituationen zu finden.
Wie versuchen Sie, werdenden Eltern bei finanziellen Ängsten zu helfen?
Diese Beratung machen Kolleginnen von mir. Sie geben ihnen erst mal die Informationen, die es in Bezug auf finanzielle Unterstützung in der Schwangerschaft gibt. Da ist einmal der sogenannte Mehrbedarf, der mit Beginn des vierten Schwangerschaftsmonats beantragt werden kann. Das betrifft Frauen, die geringfügig beschäftigt sind, Hartz-4 beziehen oder noch studieren. Dann gibt es einen einmaligen Betrag, den eine Frau, die in prekären finanziellen Verhältnissen lebt, von der Bundesstiftung Mutter und Kind bekommen kann. Dabei handelt es sich um eine einmalige finanzielle Unterstützung für Umstandskleidung und Erstausstattung. Außerdem gibt es Beratungen zu Eltern-, Kinder- und Arbeitslosengeld.
Was sind die schönsten Momente Ihrer Arbeit?
Wenn Frauen im Laufe eines Beratungsprozesses an irgendeinem Punkt sagen können: 'Vielen Dank. Nun können wir uns voneinander verabschieden. Jetzt bin ich mit ihrer Hilfe so weit gekommen, dass ich das Gefühl habe, allein weiter zu kommen.'