Niederlagen prägen uns stärker als Momente des Glücks. An ihnen können wir wachsen und uns näher kommen. Hier berichten zwei Frauen, wie sie gescheitert sind und am Ende trotzdem ihren Weg gefunden haben.
"Es gab keinen Ausweg. Ich musste meine Firma aufgeben"
Annette Hoppmann war schockiert, als ihr Geschäftspartner nach zehn Jahren Einigkeit plötzlich einen anderen Weg wählte. Die 44-Jährige verlor ihre Firma – und lernte, auf eigenen Beinen zu stehen.
Die Firma, mein Baby
"Zehn Jahre lang führte ich gemeinsam mit meinem Geschäftspartner erfolgreich eine Personalvermittlungs- und Zeitarbeitsfirma. Wir waren das perfekte Team. Ich konnte mich in jeder Situation auf ihn verlassen. Ich ging so sehr in der Arbeit auf, dass ich gar nicht merkte, wie er sein Leben neu ordnete, weil er eine neue Freundin hatte und mit ihr etwas aufbauen wollte.
Als er mich plötzlich nach einer Unternehmensbewertung fragte, wusste ich: 'Das war's', denn die braucht man nur, wenn es um Verkauf geht. Innerhalb von drei Tagen musste ich mich entscheiden – Kauf oder Verkauf? Ich habe mich wie ein Tier im Käfig gefühlt. Meine Leidenschaft, meine Zeit, alles steckte im Unternehmen. Doch ich hatte nicht die nötigen betriebswirtschaftlichen Kenntnisse und hätte immer Berater gebraucht, um die Firma allein zu führen. Zudem fehlten mir finanzielle Sicherheiten, die Bank hätte das nie mitgemacht. Ich musste aufgeben und das Unternehmen verlassen.
Ein neues Kapitel
Nach meinem Ausstieg ging ich 14 Tage fasten. Keine Ablenkung, nur ich und meine Gedanken. Wie sollte es weitergehen? Ein Zitat von Albert Einstein half mir: 'Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben.'
Wieder entschied ich mich für die Selbstständigkeit. Von vorn anfangen. Frei sein. Das war es, was ich wollte. Ich konzentriere mich nun auf Personalvermittlung und Headhunting. Jetzt bekomme ich auch alles alleine hin, das macht mich stolz. Ich habe gelernt, dass man loslassen muss, wenn der andere die Hand wegzieht und es falsch ist, nach dem Handgelenk zu greifen.
Jetzt läuft es gut. Vor einigen Monaten habe ich meinem ehemaligen Geschäftspartner eine Mail geschrieben, in der ich ihm für die letzten zehn Jahre gedankt habe. Ich gebe ihm nicht die Schuld daran, dass ich mein 'Baby' aufgeben musste und will die positiven Erinnerungen mit in die Zukunft nehmen. Damit war eine lange Lebensphase endgültig abgeschlossen. Und ich weiß jetzt: Selbst wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, ich würde alles wieder genauso machen."
"Ich habe alles auf eine Karte gesetzt – und verloren"
28 Jahren lang arbeitete Rebeca Schmidt beim gleichen Arbeitgeber. Dann nahm sie all ihren Mut zusammen und kündigte. Doch nach nur drei Monaten in einer neuen Stelle wurde die 48-Jährige entlassen. Trotzdem fand sie ihren Weg.
Sturz ins Ungewisse
"Ich war als Leiterin in der stationären Altenpflege zunehmend unglücklich. Alle Bewohner und Mitarbeiter kamen mit ihren Anliegen zu mir. Ein Vertrauensbeweis, doch durch die gesetzlichen Vorgaben der Altenpflege waren mir oft die Hände gebunden.
Gehen oder bleiben? Sicherheit oder Wagnis? Monatelang überlegte ich hin und her. Irgendwann entschied ich mich, zu kündigen – ohne eine neue Stelle in Aussicht zu haben. Ein riesiger Schritt ins Ungewisse. Und ich war stolz darauf! Zwei Monate später fand ich eine Teilzeitstelle in einer Start-Up Firma, die perfekt war.
Doch die Firma konnte nicht genug Aufträge und Kunden akquirieren. Nach nur drei Monaten wurde ich entlassen. Obwohl es nicht meine Schuld war, machte ich mir Vorwürfe. Endlich hatte ich es gewagt, nach so langer Zeit etwas Neues zu beginnen – und war voll gegen die Wand gefahren. Ich hatte Gedanken wie: 'Ich kann gar nichts, ich bin nichts wert und einfach zu naiv'.
Mein Neustart
Anfangs fiel es mir schwer, über meine Niederlage zu sprechen. Als Chefin war ich es gewohnt, Entscheidungen allein zu treffen. Mit anderen zu sprechen war eine Überwindung. Doch als ich es dann tat, half es mir sehr. Familie und Freunde glaubten an mich und blieben optimistisch. Das gab mir den Mut, mich endlich selbstständig zu machen. Seit einiger Zeit hatte ich in meiner Freizeit Beratungen durchgeführt. In dieser Tätigkeit war ich ganz aufgegangen – hier sah ich meine Zukunft.
Zwei Monate später startete ich als Beraterin und Dozentin im Gesundheitswesen. Ich weiß nun, dass eine Situation noch so verzwickt sein kann: Es tun sich stets neue Wege auf und es gibt immer Lösungen. Ich habe mich verändert, bin zuversichtlicher und offener. Sicherheit spielt zwar immer noch eine große Rolle für mich, aber ich weiß: Veränderungen tun gut. Ich bin auf die Nase gefallen und trotzdem wieder aufgestanden. Es gibt mir viel Kraft, zu wissen, dass ich das kann. Eine Kraft, die ich ohne diese Erfahrung wohl nie gespürt hätte."