Seit Jahren hören wir es überall: Wer schlagfertig ist, gewinnt. Doch es geht auch anders, sagt Christiane Grupp. Sie verrät uns, wie man ohne Missgunst, Kämpfe und Konkurrenzdenken Erfolg haben kann.
EMOTION: Viele Rhetorik-Seminare drehen sich darum, wie man schlagfertiger werden kann. Sollte man all diese Ansätze gleich wieder vergessen?
Christiane Grupp: Ja, bitte! In vielen dieser Seminare wird gezeigt, wie man sich mit sprachlicher Kampftechnik einen kurzfristigen Vorteil verschafft. Dabei werden allerdings potenzielle Partner verprellt und die Langzeitwirkungen ignoriert. Denn langfristig wirken sich diese Methoden negativ auf den Erfolg aus. Der schnelle verbale Schlag soll den Gesprächspartner mundtot machen. Doch wer den Gesprächspartner ausschalten muss, um selbst erfolgreich zu sein, zerstört dessen Vertrauen. Braucht man den anderen wieder, ist dessen Kooperationsbereitschaft blockiert. Das verhindert auf Dauer den gemeinsamen Erfolg.
Kinder spielen Wettrennen, im Sport geht es ums Gewinnen, Castingshows laufen seit Jahren erfolgreich im Fernsehen. Ist der Wettkampf demnach nicht etwas ganz Natürliches?
Das sind drei Beispiele für den spielerischen Wettbewerb. Hier ist das Ziel ein Kräftevergleich, das macht den Akteuren und den Zuschauern Spaß. Doch wenn eine Gemeinschaftsleistung das Ziel ist – und das ist in Unternehmen der Fall – dann erweist sich der Wettbewerb als höchst kontraproduktiv. Ärzte am OP-Tisch, Piloten oder Feuerwehrleute dürfen auch nicht konkurrieren oder sich gegenseitig behindern. Systematische Kooperation ist unverzichtbar, wenn es um professionelle Leistung geht. Wenn Wettbewerb am falschen Platz eingesetzt wird, sind die Folgen dramatisch. Derzeit können wir das leider sehr anschaulich in Politik und Wirtschaft beobachten. Bei der Eurokrise verfolgen Politik und Finanzwirtschaft noch immer gegenläufige Ziele – auf Kosten des anderen. Zur Lösung führt nur Kooperation, denn nur sie kann die Ziele beider Seiten erfüllen.
Wie sind Sie auf die Idee zu Ihrem Buch "Schluss mit Schlagfertig" gekommen?
In zehn Jahren Führungstraining haben wir Führungskräften immer wieder die Frage gestellt: Wie lautet die Formel für eine perfekte Zusammenarbeit? Das Ergebnis war überraschend: Erfolgreiche Zusammenarbeit hängt nur von drei Faktoren ab, den drei Co-Operatoren.
Welche drei Co-Operatoren gibt es und was haben Sie zu bedeuten?
Transparenz, Nutzen und Vertrauen. Ein Beispiel: Wenn zwei Personen zusammenarbeiten, bringt jeder das ein, was er immer bei sich hat. Seinen Kopf, der strukturiert, die Hand, die handelt und der Bauch, der fühlt und reflektiert. Was ist nötig, damit Kopf, Hand und Bauch beider Parteien befriedigt werden? Der Kopf will immer die Ziele und Absichten des anderen kennen – hier ist Transparenz gefragt. Auf der Handlungsebene muss auf beiden Seiten ein Beitrag geleistet werden, auf dieser Ebene ist der Nutzen entscheidend. Und der Bauch prüft, ob Infos und Leistungen glaubwürdig sind und Sinn machen. Dafür ist Vertrauen notwendig.
Wo können diese Prinzipien eingesetzt werden?
Beruflich und privat - bei jeder Interaktion und jeder Hierarchie-Ebene. Zum Beispiel, um dem Chef Plan B schmackhaft zu machen, wenn mir Plan A zu umständlich ist. Ich mache Plan B transparent, zeige den Nutzen für die Firma auf und wenn er sieht, dass die Beteiligten dabei mehr gewinnen, kann er Vertrauen fassen und zustimmen! Genauso können Sie mit den drei Co-Operatoren Ihren Partner ansprechen, wenn Sie in diesem Urlaub lieber im Allgäu wären, statt in den Dolomiten.
Gerade Frauen wird oft gesagt, sie seien nicht schlagfertig genug, um ihre Interessen durchzusetzen. Wie soll ich mich am Arbeitsplatz verhalten, um meine Ziele zu erreichen?
Wenn Frauen rücksichtsvoll sind, bleiben häufig ihre eigenen Bedürfnisse auf der Strecke. Mit der Anwendung der drei Co-Operatoren muss eine Frau weder ihr authentisches Verhalten über Bord werfen noch Boxhandschuhe anziehen. Das finde ich hervorragend. Mit dieser Technik kann man systematisch und souverän die Situation steuern: konstruktiv, also für beide Beteiligten zufriedenstellend. Weder nachgeben noch kämpfen ist nötig. Das könnte für viele Frauen eine neue Erfahrung sein.
Warum ist Ihre "Methode" effektiver als die gängige Ellbogenmasche?
Die Ellbogenmasche erzeugt ein Klima der Feindseligkeit. Andere wegzuboxen führt natürlich zu Gegenreaktionen. Und dann hat jeder ständig Angst vor der Rache anderer. Das reduziert nicht nur die Arbeitseffizienz sondern auch die tägliche Lebensfreude.
Hat das auch gesundheitliche Auswirkungen?
Auf jeden Fall. Wenn der Spaß an der Arbeit fehlt und die Angst regiert, sind Burnouts vorprogrammiert. Es ist in der Regel nicht die Menge der Arbeit, die Menschen krank macht, sondern der Umgang untereinander.
Sie haben selbst fünf Kinder, einen Mann und arbeiten als Trainerin. Wie vereinbaren Sie Familie und Beruf?
Der Spagat ist für mich mit den drei Co-Operatoren viel einfacher geworden. So kämpfen nicht die beruflichen Pflichten gegen die Bedürfnisse meiner Familie oder umgekehrt. Durch drei Schritte kann ich diesen "inneren Kampf" lösen und beide Seiten zufriedenstellen. Zuerst höre ich zu und mache mit Fragen transparent, was jede Seite will. Dann überlegen wir gemeinsam, wie diese Bedürfnisse unter einen Hut zu bringen sind – das ist meist ein kurzes, kreatives Puzzle-Spiel. Die beste Lösung ist dann die, der alle Beteiligten zustimmen. So hat jede Seite gewonnen.
Und das klappt?
Nicht immer, aber immer öfter!
Christiane Grupp ist Pädagogin und seit 10 Jahren Trainerin bei der Akademie Neue Wirtschaft. Sie lebt und arbeitet in Stuttgart.
Verbale Schlagfertigkeit wird allgemein noch als besonders erstrebenswert angesehen. Dabei handelt es sich lediglich um die Fähigkeit, einen "Gegner" rhetorisch niederzuschlagen. Dass es auch anders geht, zeigt das Buch "Schluss mit Schlagfertig - Partner gewinnen statt Kämpfe" von Christiane Grupp, Julia Mössner und Lucie Hamann.
Inspiriert von diesem Interview bietet Christiane Grupp 2012 Impulstage für Frauen an. In einer Mischung aus Coaching und Training geht es darum, neue Führungs-Kraft zu entwickeln und dank den Prinzipien der Kooperation heiklen Situationen entspannter entgegenzutreten. Schaffen Sie sich neue Lebensqualität! Hier finden Sie weitere Informationen.