Wir haben mit Buchautorin Carola Kleinschmidt über den Unterschied zwischen Burnout und Depression gesprochen. Sie erklärt uns, wer besonders gefährdet ist…
Ist das ein Burn-out oder eine Depression? Über die Unterschiede der Erkrankungen…
emotion.de: Was genau ist ein Burn-out eigentlich?
Carola Kleinschmidt: Burnout ist in erster Linie eine sehr starke emotionale Erschöpfung. Die Betroffenen fühlen sich total ausgelaugt und energielos. Aber das allein ist noch kein Burnout. Dazu kommt, dass man gegen die Tätigkeit, die man ausübt, auch immer mehr Widerwillen entwickelt. Im Fachjargon nennt man das Depersonalisierung. Man erkennt sich selbst nicht wieder. Findet als Lehrerin seine Schüler plötzlich alle fürchterlich und als Arzthelferin die Patienten allesamt anstrengend. Außerdem hat man selbst den Eindruck, dass man nicht mehr so gut in seinem Job ist. Oft stimmt das auch objektiv, weil man nicht mehr so kreativ ist, ständig genervt und durch den Energiemangel gar nicht mehr so richtig bei der Sache.
Ist Burnout eine Krankheit?
Für die Krankenkassen gilt Burn-out nicht als Krankheit – obwohl betroffene Menschen sich sehr krank fühlen. Es gibt schlicht keine feste Diagnose, auf die sich alle einigen können. Schließlich können 160 verschiedene Symptome auf ein Burn-out hinweisen. Insofern sehen Ärzte Burn-out eher als Erschöpfung, die durch zu viel und zu langanhaltenden Stress ausgelöst wurde.
Sind bestimmte Berufsgruppen mehr betroffen als andere?
Für diejenigen, die in einem Job arbeiten, in dem sie wenig Entscheidungsspielraum haben, kaum Anerkennung bekommen und vielleicht noch um ihre Anstellung fürchten, für die steigt die Wahrscheinlichkeit, in ein Burn-out zu rutschen. Denn solche Arbeitsbedingungen ziehen viel Energie und strengen total an. Das trifft zum Beispiel auf Menschen in Zeitarbeit zu, aber auch auf Kassiererinnen in manchen Betrieben, Callcenter und ähnliche Jobs. Und natürlich auf das Hausfrauendasein.
Können Sie eine Altersspanne ziehen, wen Burn-out vor allem trifft?
Die Daten der Krankenkassen zeigen, dass es in der Rush Hour des Lebens, also von Mitte 30 bis Mitte 40, die meisten trifft. Da ist so viel los im Leben mit Familie und Job, dass der Stress für manchen überhand nimmt und einem die Energie ausgeht.
Wie viele Menschen sind ungefähr betroffen?
Man spricht von vier Prozent der Bevölkerung, die eine ausgeprägte Burn-out-Krise erleben. Das sind diejenigen, die zum Arzt gehen und ihm von ihren gesundheitlichen Beschwerden erzählen und der Arzt eine starke emotionale Erschöpfung, ein Burn-out feststellt. Wie gesagt: Das sind die vier Prozent, die zum Arzt gehen. Wenn man fragt, wer unter dem Stress in seinem Leben leidet und wer gesundheitliche Probleme wegen all der Anspannung hat, dann erhält man viel höhere Zahlen, eher 30 Prozent. Gestresst fühlen sich übrigens etwa 50 Prozent, dabei Frauen etwas mehr als Männer.
Ist Burnout heilbar?
Solange man sich "nur" erschöpft fühlt auf jeden Fall. Wenn man allerdings aufgrund von Muskelverspannungen schon einen Bandscheibenvorfall oder einen Tinnitus hat, kann man das vielleicht nicht mehr zurückschrauben. Viele Betroffene sagen, dass sie von der Krise durchaus Narben davongetragen haben und zum Beispiel empfindlicher bleiben, wenn es stressig wird. Aber viele sagen auch, dass die Krise für sie eine Art Warnschuss war, der sie gezwungen hat, ihr Leben zu verändern.
Wieso sind die Zahlen von Burn-out-Erkrankten Ihrer Meinung nach so extrem gestiegen in den letzten Jahren?
Zum einen denkt man wirklich, dass unsere Welt stressiger geworden ist. Zum anderen muss man heute viel besser "funktionieren". In vielen Berufen muss man kreativ, flexibel, selbstständig sein – das kann man nicht, wenn man sich erschöpft fühlt. Und wir gehen bestimmt auch häufiger mit seelischen Problemen zum Fachmann als die Generationen vor uns. Die sind erst zum Arzt, wenn der Rücken weh tat und dann wurden eben auch Rückenschmerzen festgehalten. Nach den seelischen Schmerzen wurde kaum gefragt. Das hat sich inzwischen verändert.
Welche Auslösefaktoren gibt es in Ihren Augen?
Eng wird es immer, wenn man keinen Entscheidungsspielraum mehr sieht. Ein anderer Auslöser kann sein, wenn die Aufgabe oder die Situation, in der man steckt, total überfordert. Dann ist es egal, ob man mit dieser Haltung versucht, die eigene Mutter zu pflegen oder in einem strauchelnden Unternehmen immer noch beste Arbeit zu leisten. Diese Zwickmühle laugt aus.
Wie kann man sich für erste Anzeichen sensibilisieren?
Schlafstörungen oder diffuse Schmerzen sind ein Warnzeichen. Und wenn man merkt, dass man sich ständig gestresst fühlt und das nicht ändern kann. Dieser Tunnelblick zeigt: Man steckt vollständig im Stresskarussell fest. Hier hilft es, einen Schritt zurückzutreten und sich zu fragen: Was hetzt mich hier so? Will ich das überhaupt? Muss das wirklich so?
Burn-out oder nur Erschöpfung - wie erkennt man den Unterschied?
Eine Faustregel ist: Wenn ich mich von meinem erschöpften Gefühl innerhalb eines schönen und entspannten Wochenendes wieder erhole, ist alles paletti. Wenn ich aber nicht mehr rauskomme aus dem Erschöpftsein, dann wird es brenzlig. Auch wenn ich anfange, alle anderen Bereiche des Lebens zu vernachlässigen und nur noch für den Job oder meine Aufgaben lebe, sind das klare Warnzeichen.
Was ist der Unterschied zwischen einer Depression und einem Burnout?
Eine Depression ist eine klar umrissene Erkrankung, die ein Arzt diagnostizieren kann. Ein Burnout ist eher ein "Risikozustand". Allerdings kann er durchaus in eine Depression münden, wenn man nicht rechtzeitig gegensteuert.
Wie kann man sich am besten vor dieser Krankheit schützen?
Ich denke, heute ist die größte Gefahr, dass man sich ständig damit beschäftigt, wie man all die Anforderungen von außen gut oder am besten perfekt bewältigt: Super Mutti, perfekte Kollegin, fleißige Mitarbeiterin, pfiffige Freundin, kreative Person, sportlich, unabhängig und sozial. Manchmal kommt dabei eben völlig zu kurz, was man sebst braucht, damit es einem gut geht. Wenn man aber weiß, was einem wirklich wichtig ist – und auch, wo sich die persönlichen Stressfallen verstecken - fällt es einem leichter, mehr gesunden Rhythmus in seinen Tag zu bringen. Die für jeden ganz eigene Abwechslung von Anspannung/Leistung und Entspannung/Regeneration zu finden, das wäre gesund.
Carola Kleinschmidt ist Diplombiologin und Autorin. Sie schreibt Sachbücher rund um die Frage: Wie gelingt ein zufriedenes Leben in unserer modernen und turbulenten Welt. Zu ihren Buchthemen hält sie auch Vorträge und Seminare. Ihr Buch "Bevor der Job krank macht" gilt als eines der besten Bücher zum Thema Burn-out (laut Magazin Stern). Mehr über Carola Kleinschmidt.
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