Im Gespräch mit EMOTION erzählt die Psychotherapeutin und Autorin, was ihr nachts Angst macht und wie sie zum Schreiben gefunden hat.
EMOTION: Ihr Roman heißt "Nacht ohne Angst". Wovor haben Sie nachts Angst?
Angélique Mund: Na ja, ich glaube, nachts haben wir alle mehr Ängste als tagsüber. Und je nachdem wie viel andere Sorgen man hat, wird man ja auch neurotischer. Da gehöre ich zu denen, die bei einem unbekannten Geräusch in der Nacht, das Klirren einer Scheibe oder ähnliches, sofort einen Adrenalinstoß bekommen würde.
Sie arbeiten als Psychotherapeutin und engagieren sich im Kriseninterventionsteam. Wie sind Sie zum Schreiben gekommen?
Durch meine Arbeit als Psychotherapeutin – im klinischen Bereich als auch in der eigenen Praxis – bin ich den ganzen Tag mit negativen Gefühlen konfrontiert. Besonders bei den Einsätzen in der Krisenintervention. Da muss ich überlegen: Wo bleibe ich mit meinen Gefühlen und Eindrücken? Für mich ist das kreative Schreiben der richtige Weg.
Haben Sie diese Erfahrungen auch in Ihren Roman einfließen lassen?
Schreiben ist ein guter Weg, um mich von Dingen, die mich in meiner Arbeit berührt haben zu distanzieren. Aber ich beschreibe keinen meiner Patienten. Vielmehr entwickle ich aus einem Gefühl, das ein Patient oder eine Situation in der Krisenintervention bei mir hinterlassen hat, eine neue Figur.
Es wird sich also niemand in Ihren Figuren wiederfinden?
Nein, ich habe großen Respekt vor meinen Patienten. Gerade ich muss mit dem was die Menschen mir anvertrauen sorgsamer umgehen als jeder andere. Alle meine Figuren sind komplett frei erfunden.
Die Hauptfigur in Ihrem Roman Tessa – eine Psychotherapeutin. Wie viel von Ihnen steckt in Tessa?
Ich habe Tessa schon einiges von mir mitgegeben. Das wird besonders daran deutlich, dass ich ihr mein Knowhow als Psychotherapeutin zur Verfügung stelle. Ihr Vorgehen ist durch und durch psychologisch geprägt. Dies zeigt sich in der Art, wie sie Gespräche führt, um an Informationen zu kommen. Zusätzlich habe ich ihr viel von dem gegeben, was ich vielleicht auch gerne wäre und nicht bin oder vielleicht toll finde.
Sie beschreiben Tessa als eine Frau, die an das Gute im Menschen glaubt. Auch etwas, dass Sie beide gemeinsam haben?
Ich glaube bedingungslos daran, dass Menschen gut sind und es nur ganz wenige Menschen gibt, die so empathielos sind, dass sie zum Massenmörder taugen. Das ist, meiner Ansicht nach, auch für eine Therapeutin unerlässlich. Denn sie haben auch mit Menschen zu tun, die ihnen nicht sympathisch sind. Gerade in der Klinik, wenn sie sich die Patienten nicht aussuchen können, ist es unheimlich wichtig zu schauen: Was mag ich an diesem Menschen? Wo haben die den liebenswerten Kern? Wenn Sie den gefunden haben, können sie jeden Patienten behandeln.
Wie war es, den ersten Roman zu schreiben?
Es war toll, obwohl ich nicht mit dem Gedanken angetreten bin: "Ich werde jetzt mal Schriftstellerin und bringe einen Krimi raus!" Ich habe mehr für mich geschrieben und immer wieder Pausen gemacht. So wuchs die Geschichte.
Sie haben auch in einer Werbeagentur gearbeitet. Waren sie schon immer so kreativ?
Ich habe immer versucht die kreative Seite in mir zu fördern, privat in der Musik und in der Werbung habe ich mitgeholfen Ideen der Kreativen in laufende Bilder umzusetzen. Für mich war es immer eine schöne Ergänzung, als nur über Papieren zu sitzen und statistische Sachen auszurechnen. So ist mir diese Ebene zumindest nicht verschlossen geblieben. Und vielleicht hilft mir das heute auch beim Schreiben.
Sie engagieren sich ehrenamtlich im Kriseninterventionsteam. Was macht das KIT?
Wann immer es in Hamburg zu einem schweren Unglück mit Todesfolge kommt, sind wir da und helfen Traumafolgestörungen zu verhindern. Wir kümmern uns um die überlebenden Opfer und Augenzeugen vor Ort, aber auch um die Angehörigen. Es ist wahnsinnig wichtig, das jemand da ist und die Personen spüren lässt, dass sie in diesen schwarzen Stunden nicht alleine sind. Wir beantworten Fragen, aktivieren Hilfssysteme und wir gehen erst wenn sich die Situation ausreichend stabilisiert hat.
Seit wann sind Sie Teil des KIT?
Ich engagiere mich dort seit 2009 und habe vor zwei Jahren die fachliche Leitung des Teams übernommen, das heißt, ich entwickle z.B. Konzepte für die inhaltliche Arbeit.
Gab es einen Einsatz der Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?
Ein Fall der mich sehr berührt hat und mir heute noch sehr präsent ist, war als wir einer afghanischen Familie mitteilen mussten, dass ihre Tochter getötet wurde. Die Redaktion der Familie war so archaisch, so extrem. Eine solche Form der Trauer hatten wir noch nie erlebt. Das berührte auch den Kollege vom LKA, der uns bei dem Einsatz begleitete, zutiefst.
Was tun Sie nach so einem Einsatz?
Ich melde mich raus, das heißt, ich fahre keine weiteren Einsätze für diesen Tag. Es ist wichtig, das wir, die Einsatzkräfte, uns auch um uns kümmern. Wenn man nach einem so schweren Einsatz nach Hause kommt und die Wohnung ist warm, im Kühlschrank ist Essen und dem Sofa guckt der Partner die Sportschau, dann ist das, das schönste Gefühl der Welt. Dort ist meine kleine heile Welt.
Wie groß ist Ihre Angst, dass das Kriseninterventionsteam zu Ihnen nach Hause kommt?
Wenn es an der Tür klingelt und es stehen zwei Polizisten vor der Tür, wüsste ich, sie kommen um mir eine Todesnachricht zu überbringen. Und nicht, um mir zu sagen, dass ich im Halteverbot parke. In dem Moment wäre mir klar, dass die Uhr geschlagen hat. Das wäre mein Horrorszenario, denn es würde bedeuten, ich habe meinen liebsten Menschen verloren. Man darf nicht glauben, dass ich vor solchen Szenarien besser gewappnet wäre. Das ist niemand.
Eine Nacht ohne Angst. Wie sieht die bei Ihnen aus?
Ich verbringe mit meinem Partner einen schönen, gemütlichen Abend. Wir lassen es uns zu Hause gutgehen, wir reden, essen und trinken was Schönes, kuscheln, schlafen und am nächsten Morgen wacht man gesund wieder auf. Ganz trivial, aber um so schöner.