Donatella Maranta, 53, ist Künstlerin und lebt mit ihrer Familie in Zürich. Sie malt, zeichnet, fotografiert und gestaltet Stoffe. In ihrem wunderbar illustrierten Kochbuch "Pi mal Daumen" (Cucina e Libri) beweist sie eine grosse Portion Augenmass. Denn sie kocht ohne Waage und Messbecher.
"Es gibt Monate, da berühre ich kein einziges Buch, weil ich weder Lust noch Zeit habe, mich auf eine andere Welt einzulassen. Nach solch kargen Strecken hungere ich förmlich nach Lesestoff. Wenn ich dann wieder in fremde Realitäten abtauche, vergesse ich alles um mich herum. Ab und zu greife ich auch nach einem Buch, das mich früher einmal beeindruckt hat oder dessen Handlung ich nicht mehr präsent habe. Dabei entdecke ich oft ganz neue Gedanken oder auch überlesene Passagen, die mich noch tiefer in das Buch führen."
"Musashi" - Eiji Yoshikawa (Knaur, antiquarisch)
Die Geschichte von Musashi habe ich verschlungen: Der Japaner wurde im 16. Jahrhundert in eine Samuraifamilie niederen Ranges geboren. Er erfand die Zwei-Schwert-Kampftechnik und war ein genialer Stratege. Dank eines Mönchs wandelte er sich vom Raufbold zum bewussten Menschen. Eiji Yo- shikawa publizierte "Musashi" Anfang des 20. Jahrhunderts als Fortsetzungsroman in einer Zeitung.
"Zeno Cosini" - Italo Svevo (rororo)
Mit dem episodenhaften Aufbau dieses Buches wird die Hauptfigur Zeno Cosini von verschiedenen Seiten beleuchtet und sein Leben anhand weniger, detaillierter Szenen rekonstruiert. Sie spiegeln die italienische Gesellschaft zwischen den beiden Weltkriegen wider. Sehr sympathisch ist mir Zeno, weil es ihm nie gelingt, sich das Rauchen abzugewöhnen.
"Der gestiefelte Kater" - Ludwig Tieck (Fischer)
Das Theaterstück entstand Anfang des 19. Jahrhunderts und beeindruckt mich immer wieder aufs Neue. Ludwig Tieck erzählt darin nicht nur das Märchen vom gestiefelten Kater, sondern auch noch eine ganz andere Geschichte. Diese Doppelbödigkeit ist herrlich verwirrend. Die diversen Ebenen des Stücks sind zwar miteinander verwoben, jede entfaltet aber für sich eine eigene Dynamik.
"Die dritte Jungfrau" - Fred Vargas (Aufbau)
An den Krimis von Fred Vargas fasziniert mich ihre raffinierte Erzählweise. Die Mittelalterarchäologin baut ihr Geschichten so auf, dass selbst derjenige, der vor lauter Spannung zu der letzen Seite vorblättert, nicht weiss, wer der Täter ist. Das gilt auch für das Buch "Die dritte Jungfrau", in dem Kommissar Adamsberg auf ein tödliches Elixier aus einem Reliquienbuch des 17. Jahrhunderts stößt.
"Der Himmel ist blau, die Erde ist weiß" - Hiromi Kawakami (dtv)
Diese sanfte, ruhige Liebesgeschichte zwischen einem älteren Mann und einer jüngeren Frau hat mich tief berührt. Durch das ganze Buch der japanischen Schriftstellerin zieht sich eine - für uns Europäer - ungewohnte Bescheidenheit. Kleine Gesten, wie das Schenken eines Reibeisens, sind große Momente eines stillen Glücks.